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KAPITEL 6 GEGEN DEN MISSBRAUCH:
SELBSTFÜHRUNG IN DER CHRISTUSNACHFOLGE
ОглавлениеWenn wir uns selbst führen, dann fordern uns nicht nur die im letzten Kapitel beschriebenen Grauzonen heraus. Ein weiterer Aspekt, mit dem wir uns beschäftigen müssen, sind die damit verbundenen Folgen für unsere Mitmenschen. Wir werden uns im letzten Teil dieses Buches (Kapitel 17–19) mit der Frage auseinandersetzen, wie wir damit umgehen sollen, wenn Menschen negativ auf die Art und Weise reagieren, wie wir uns selbst im Umgang mit ihnen führen. Denn selbst wenn wir in bester Absicht das Richtige tun – es gibt immer Menschen, die manches davon nicht akzeptieren wollen. Gerade als Christen kann uns das in Bedrängnis bringen, denn wir möchten ja andere nicht unnötig enttäuschen und schon gar keine rücksichtslosen Egoisten sein.
Doch es gibt noch eine andere Versuchung: dass wir meinen, uns selbst zu führen, während wir uns in Wahrheit egoistisch verhalten. Wir stoßen andere vor den Kopf, sind lieblos und hart. Reagieren sie verletzt, hinterfragen wir nicht uns selbst, sondern rechtfertigen uns damit, dass unser verletztes Gegenüber unsere Selbstführung nicht akzeptieren könne. Und das sei das Problem des anderen, nicht unseres. Auf diese Weise missbrauchen wir unser Recht zu selbstverantwortlichem Handeln als Feigenblatt für liebloses Reden und Verhalten – was wiederum ein Ausdruck davon ist, dass wir uns gerade nicht gut selbst führen. Manchmal rechtfertigen wir unsere Rücksichtslosigkeiten sogar mit Erklärungen, die verdächtig ähnlich klingen wie manches, was ich in diesem Buch als „gute Selbstführung“ bezeichne. Wer die Abgründe der menschlichen Seele kennt, der weiß, dass wir in manchen Momenten selbst für unsere Untaten vernünftig und fromm klingende Entschuldigungen finden.
Nicht selten ist gute Selbstführung eine Gratwanderung, die Weisheit und Feingefühl erfordert: Als Christen wollen wir mit unserem Leben Christus ehren, indem wir unsere Mitmenschen achten und lieben. Gleichzeitig wollen wir ihnen gegenüber wahrhaftig sein. Und wir wollen bei aller Liebe nicht zum Türvorleger werden, auf dem andere rücksichtslos herumtrampeln. Wie schaffen wir diese Gratwanderung? Wie können wir Christus und seinen Willen ehren, den Nächsten lieben, uns selbst gut führen – und damit umgehen, dass uns nicht jeder und jede versteht, wenn wir genau das tun? Wie lernen wir, unsere Selbstführung nicht auf selbstbezogene Weise durchzusetzen, sodass wir dabei die Werte unseres Glaubens mit Füßen treten?
Das 12. Kapitel des Römerbriefes gibt uns Orientierung in diesen Fragen. Hier finden wir eine wertvolle Beschreibung davon, wie Selbstführung innerhalb der Nachfolge Christi aussehen und wie sie in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gestaltet werden kann. Hier lernen wir, wie wir ganz Christ sein und zugleich entschieden uns selbst führen können.
Paulus demonstriert, in welche Richtung sich das Leben eines Menschen entwickelt, der von Herzen Christus nachfolgt. Er zeigt, welche innere Einstellung ihn dabei prägt. Wie er Gott, sich selbst und seine Mitmenschen sieht. Welchen Verhaltensgrundsätzen er im Alltag folgt. Worauf er Wert legt, was er tut, was er bleiben lässt.
Letztlich thematisiert der Apostel hier Anliegen, die viel mit Selbstverantwortung, Selbstklärung, Selbstversorgung und Selbststeuerung zu tun haben. Dadurch entsteht ein hilfreiches Bild, wie vom Glauben geprägte Selbstführung aussieht. Sie fügt sich in die Nachfolge Christi ein und bekommt dadurch den ihr angemessenen Platz und Stellenwert. So wird sie davor bewahrt, sich von Gottes Werten zu entfernen und selbstbezogenen Absichten zu folgen, was immer auch zu lieblosem Verhalten gegenüber Mitmenschen führt.