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Trägerbalken für die Seele

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Wir Menschen ähneln gut gebauten Häusern, deren gesamte Konstruktion sich auf ein paar tragende Balken oder Stahlträger stützt. Diese Träger halten und stabilisieren das ganze Gebäude. Was uns als Menschen und als Glaubende hält und stabilisiert, sind solche „Trägerbalken für die Seele“ – Wahrheiten, tief im Herzen verankerte Überzeugungen und Vergewisserungen, so wie zum Beispiel die sieben Bausteine unserer Identität. Einige davon sind Wahrheiten über Gott: wie er uns sieht, wie er uns begegnet, was er uns gibt. Davon ausgehend gibt es auch einige Wahrheiten über uns selbst: wer wir sind, was uns gilt, worauf wir uns verlassen können. Diese Vergewisserungen sind Stützbalken unserer Identität. Sie stabilisieren unser Selbst und verankern es in Gott.

Die meisten unserer persönlichen und zwischenmenschlichen Probleme sind ein Indiz dafür, dass in uns einer oder mehrere „Trägerbalken der Seele“ ins Wanken geraten sind. Immer wenn wir uns seltsam verhalten, unser Ego aufplustern, mit unseren Errungenschaften angeben müssen, treibt uns eine innere Verunsicherung. Ebenso wenn wir uns beleidigt zurückziehen, in uns selbst zusammenbrechen, in Panik geraten – all diese seelischen Reaktionen entstehen, wenn unser Selbst seine Gewissheit verliert. Wenn es die Wahrheiten Gottes aus den Augen verloren hat und ihnen nicht mehr traut.

Jeder Mensch braucht ein gefestigtes inneres Selbst. Leitungspersonen brauchen es ganz besonders. Leitende mit einem gefestigten Selbst sind für die von ihnen geführten Menschen ein unbezahlbar wertvolles Geschenk. Ihr inneres Gleichgewicht befähigt sie, schwierige Aufgaben, zähe Konflikte und schmerzhafte Rückschläge auf reife Weise anzugehen und zu verarbeiten. Sie können fair sein. Bescheiden. Klar in der Sache. Weich im Umgang mit Menschen. Fokussiert auf die wesentlichen Aufgaben. Beharrlich im Verfolgen wichtiger Ziele. Mutig und aufrecht im Sturmwind. Ihr Selbst ist aufgerichtet und nicht infrage gestellt – sie können sich auf ihre Führungsaufgaben konzentrieren und sind nicht ständig damit beschäftigt, ihren Platz, ihre Anerkennung und den Beifall anderer Menschen sichern zu müssen.

Leitende, deren Selbst geschwächt ist, sind hingegen gefährdet. Sie gefährden als Erstes sich selbst. Die Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen, sind vom Bemühen durchdrungen, sich selbst und den Menschen zu beweisen, dass sie jemand sind. Etwas können. Anerkennung und Bewunderung verdienen. Wer immer ihnen nicht den erwarteten Zuspruch gibt, kratzt ihr verunsichertes Selbst an. Wird zum Gegner, zum Feind. Ihr Leiten besteht im Wesentlichen in dem Versuch, die Überreste ihrer geschwächten Identität mit allen Mitteln und Methoden zu verteidigen. Menschen oder Aufgaben sind für sie nichts anderes als von außen herbeigeholte Stützbalken ihres angeschlagenen Selbst. Es fehlt ihnen die eigene innere Stabilität.

Damit gefährden sie als Zweites auch die Menschen, die sie führen. Statt ihnen zu dienen, brauchen und verbrauchen sie sie für sich. Menschen und Aufgaben sind das Rohmaterial, um die eigene Identität nachträglich und von außen zu sichern. Wer seinen Beitrag dazu nicht leistet, wird nicht beachtet, ist nicht relevant. Wird oft zum Gegner und im schlimmsten Fall mit allen Mitteln sabotiert.

Die Ursachen der meisten Konflikte in Kirchen und anderen Organisationen liegen hier. Sie werden von Menschen geleitet, die durchaus über Führungsqualitäten verfügen. Gleichzeitig schwächt sie ihre dauerhaft infrage gestellte Identität – ihr ungefestigtes Selbst. Die Angst um den Verlust ihrer Bedeutung und Rolle veranlasst sie dazu, anderen zu misstrauen. Auf deren Fehlern herumzureiten. Sie zu missachten, schlecht über sie zu reden oder sie offen zu bekämpfen. Und dies unter der geschickten Tarnung frommer und fachkompetent klingender Argumente.

Ein gefestigtes Selbst zu haben, ist also deshalb so wichtig, weil es sich nicht nur auf unseren Umgang mit uns selbst auswirkt, sondern auch auf unsere Beziehungen und die Gestaltung unserer Aufgaben. Es zieht Kreise und beeinflusst alles, was wir tun. Es hat Folgen für das Umfeld, in dem wir es tun. Deshalb ist die Selbstklärung der Ausgangspunkt der Aufgabe, sich selbst und andere zu führen. Hier werden Weichen gestellt.

Wenn Sie merken, dass Ihr Selbst an manchen Stellen angeknackst, infrage gestellt oder geschwächt ist, dann beginnen Sie hier. Verinnerlichen Sie die oben genannten Bausteine einer stabilen Identität. Ergänzen Sie sie mit weiteren Wahrheiten Gottes. Lassen Sie sich begleiten, beraten, coachen, damit die „Trägerbalken Ihrer Seele“ zu festen Säulen Ihres Lebenshauses und Ihrer Leiterschaft werden.

Dabei sollten Sie sich bewusst sein: Das Ganze ist eine Lebensaufgabe. Es wird immer wieder Momente der Erschütterung geben, in denen Ihr Selbst ins Wanken kommt. Dann zögern Sie nicht. Klammern Sie sich an die Zusagen Gottes, wer Sie sind und was er für Sie getan hat, tut und tun wird. Ziehen Sie sich an ihnen hoch und denken Sie dabei an die ersten Gehversuche von Emily. Nehmen Sie Hilfe in Anspruch. Tun Sie alles, nur eines nicht: Lassen Sie nicht zu, dass Ihr geschwächtes Selbst Ihr Leben unterspült und Ihren Dienst aushöhlt. Das wäre zum Schaden Ihrer selbst und der Menschen, die Gott Ihnen anvertraut hat.

Von der Kunst, sich selbst zu führen

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