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BUNTE WIESEN UND GRAUER FELS – SEISER ALM UND SCHLERN

Südtiroler Wahrzeichen


Die Seiser Alm, der Schlern und das Langkofelmassiv bilden ein Landschaftsensemble, das sogar in den Dolomiten seinesgleichen sucht. Die sanftwellige Hochalm gibt den idyllischen Kontrast zu den beiden schroffen Felsprofilen, die es umrahmen. Der Schlern, sagenumwoben und bereits in vorgeschichtlicher Zeit von Menschen besucht, gilt als Südtiroler Wahrzeichen.


Kletterer auf der Santnerspitze.

Berühmtsein hat seinen Preis, alle Welt will dich sehen. Da ist es dann rasch vorbei mit der Ruhe, schnell wird ein Leben fremdbestimmt. Das gilt auch für die Seiser Alm, diese Südtiroler Bilderbuchlandschaft, die ihren Namen vom Dorf Seis hat, aber irgendwie auch zum Grödner Tal gehört. Ihr sanftwelliges Profil macht sie zum idealen Wanderrevier: viel Aussicht bei nur wenig Anstrengung. Im Blick hat der Wanderer dabei stets den Langkofel oder (wenn er sich umdreht) den Schlern, beides unverwechselbare Felsprofile. Wettergebräunte Holzstadel stehen in der Wiese, Kuhglocken bimmeln, und an Einkehrmöglichkeiten fehlt es natürlich auch nicht. »Des Gletschers Silberspitze, des Waldes feuchtes Grün / Der Seen blaue Spiegel, der Alpenrosen Blühen / Des Wasserfalles Brausen hat manches Bergland wohl / Doch eine Seiseralpe – hat nur das Land Tirol«, so lautet eine etwas holperig geratene Hymne auf das weitläufige Almrevier südlich des Grödner Tals. Raul Heinrich Francé zitiert das Gedicht in seinem monumentalen, 1912 erschienenen Buch »Die Alpen« und bezeichnet die Seiser Alm – ganz zu Recht – als die »größte Alpe in den Gesamtalpen und zugleich ein Paradies der Alpenpflanzen, das zu Anfang des XIX. Jahrhunderts ein wahres Wettrennen der Pflanzenkenner nach dem Schlern und der Seiseralpe veranlasste«. Francé erwähnt ein paar Endemiten: das Zwerg-Kugelschötchen, die Dolomiten-Hauswurz, die Südtiroler Primel, Facchinis Steinbrech, den Ostalpen-Baldrian und Morettis Glockenblume.


Unverkennbar: das Profil des Schlern mit seinen beiden Felszähnen, der Santner- und der Euringerspitze.


Alles aus Holz.

Vielfalt ist ein Merkmal der Seiser-Alm-Landschaft, auch in der Pflanzenwelt. Dafür, dass hier eine berühmte artenreiche Flora entstehen konnte, war neben den sehr unterschiedlichen Gesteinen, aus denen die Alm und ihre Randberge aufgebaut sind, auch eine extensiv betriebene Landwirtschaft verantwortlich.

Bedrohte Vielfalt

Kein Düngeeintrag, keine Übernutzung der Böden. Das hat sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts erst einmal geändert, dazu kamen immer gravierendere Eingriffe des Tourismus. Aus den Magerwiesen wurden ertragreiche Wiesen, dank reichlicher Düngung. Dass die Biodiversität entsprechend zurückging, teilweise bis um drei Viertel, wurde in Kauf genommen. Besonders empfindliche Pflanzenarten wie die Brunelle, der Stengellose Enzian, Küchenschelle und Schwefelanemone verschwanden nach und nach, und aus den bunten Wiesen, von denen Francé und seine Zeitgenossen schwärmten, entwickelte sich zunehmend eine Monokultur: Löwenzahn und Hahnenfuß.


Schlernzähne.


Morgennebel über der Seiser Alm.

Die Seiser Alm – ein bedrohtes Paradies? Ja, sagte die Landesregierung und handelte. 1974 wurde der erste regionale Naturpark Südtirols eingeweiht, damals gegen den heftigen Widerstand von Bauern, Jägern und Hoteliers. So sind Teile der Hochebene der touristischen Erschließung und der Intensiv-Landwirtschaft entzogen, und die berühmte Flora bleibt erhalten. Seit einigen Jahren wird auch der Autoverkehr innerhalb der Alm streng reglementiert; dafür verbindet eine Gondelbahn Seis mit der Hotelsiedlung Compatsch im nördlichen Teil der etwa 60 Quadratkilometer großen Alm. Der Erschließungsdruck wird dadurch gemildert, immerhin, aber die Besucher kommen trotzdem, sommers wie winters.

Der Schlern – mehr als nur ein Berg

Der Schlern ist Blumenwunder und Naturdenkmal, Namensgeber für das hauptsächlich gebirgsbildende Gestein der westlichen Dolomiten und eine Südtiroler Kulturzeitschrift (Der Schlern), eine Aussichtswarte von Rang und vermutlich einer der ersten von Menschen aufgesuchten hohen Berge in den Alpen überhaupt. Als die Römer sich anschickten, das Land an Etsch und Eisack ihrem Reich einzuverleiben, war die »Eroberung« des Schlern längst Geschichte.

Die Funde vom Schlernplateau werden in die jüngste Eisenzeit (La Tène, 450–50 v.Chr.) datiert. Ungeklärt ist allerdings, ob sie mit einer Almsiedlung oder einer Kultstätte in Zusammenhang stehen. Keinesfalls handelt es sich um Spuren einer prähistorischen Gipfelexpedition – so etwas gab es damals noch nicht. Erst im 19. Jahrhundert, mit der Romantisierung des Hochgebirges, folgten die Städter den Spuren der Jäger und Hirten, man stieg der schönen Aussicht wegen oder des Gefühls, »oben zu sein«, auf die Gipfel.


Mountainbiker auf der Seiser Alm.

Die Schlernhäuser

Die Schlerntour gehört längst zum richtigen Bergurlaub in den westlichen Dolomiten, und so verwundert es nicht, dass man bereits in den 1880er-Jahren den Bau eines Schutzhauses plante. 1884 erwarb die Sektion Bozen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins von der Gemeinde Völs ein Grundstück, wobei im Kaufvertrag festgeschrieben wurde, dass »bei der Vergebung der Wirtschaft die Eingeborenen von Völs zu berücksichtigen und Unfug und Unsittlichkeit in der Hütte möglichst hintanzuhalten« sei. Zwei Jahre später konnte das Schlernhaus eröffnet werden, und bald schon erfreute sich das hoch gelegene Refugium großer Beliebtheit. Im Jahr 1903 wurde deshalb auch das danebenstehende kleine Gasthaus von Christian Marsoner erworben und später immer mal wieder modernisiert. Trotzdem verströmt der stattliche Bau mit seiner gediegenen Innenausstattung noch etwas vom unverwechselbaren Flair der »guten alten Zeit«.

Heute kommen die meisten Gipfelstürmer von der Seiser Alm herauf, weil Straße bzw. Gondelbahn den Anstieg angenehm verkürzen. Die alten Wege aus dem Tierser Tal durch die Bärenfalle, von Völs oder vom ehemaligen Bad Ratzes herauf sind länger, anstrengender, weisen auch Respekt einflößende Höhenunterschiede auf und eignen sich also nur bedingt für einen Tagesausflug. Doch wozu die Eile? Da sind doch die Schlernhäuser, die haben ein Dach, darunter ist’s gemütlich, und was beim Wirt Harald Gasser auf den Tisch kommt, stillt auch einen ausgewachsenen Bergsteigerhunger. Hinterher kann man ja den kleinen Abstecher hinauf zum Petz (2563 m) unternehmen und vom höchsten Punkt des Schlernmassivs das traumhafte Panorama im Abendlicht genießen, bis die letzten Sonnenstrahlen an den Wänden des Rosengartens rot aufleuchten und dann verglimmen. Bevor’s dann wirklich Nacht wird, ist man längst wieder unten bei den Schlernhäusern.

Hier steigt die Stimmung, der Rote wärmt von innen, und als Gutenachtlektüre nimmt sich der wissbegierige Gast die Broschüre Naturpark Schlern-Rosengarten vor. Ein paar Hundert Meter dick – kann er da nachlesen – soll das Paket aus solidem Schlerndolomit sein, auf dem er bald sein Haupt zur verdienten Ruhe betten wird, dem (Bergsteiger-)Himmel näher als dem Alltag, rechtschaffen müde, glücklich.

TOP ERLEBNISSE

VÖLSER HEUBAD

Dass man auch im Heu baden kann, wissen die Südtiroler schon lange. In Völs pflegt man diese besondere Art der Regeneration seit über 100 Jahren – mit zunehmendem Erfolg. Im Hotel Heubad passt alles zusammen: eine angenehme Atmosphäre, für die herzliche Gastgeber sorgen, eine feine Küche. Und dass einem mitunter der feine Duft des Heus in die Nase steigt, tut dem Wohlbefinden garantiert keinen Abbruch.

www.hotelheubad.com

PUFLATSCH

Klein, zumindest im Vergleich mit den großen Bergen Grödens, ist der Puflatsch (2174 m). Trotzdem kann sein Panorama locker mit dem höherer Berge mithalten, und dazu ist der Aufstieg weniger anstrengend, gut eine Stunde über die sanft abfallende, weitgehend baumfreie Südseite. Ein Augenschmaus!

www.seiseralm.it

GOSTNER SCHWAIGE

Wer das Ungewöhnliche liebt, wird auf der Seiser Alm gerne in der Gostner Schwaige einkehren. Hier werkelt Franz Mulser, meistens in Lederhose, blauem Schurz und Tiroler Hut, in seiner winzigen Küche, und was er auf den Tisch zaubert, ist auch ganz ungewöhnlich. Beste kleinste Küche halt.

www.aussergost.com


Gesundbaden nach Südtiroler Art: das Heubad.

Das Reisebuch Italien

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