Читать книгу Das Reisebuch Italien - Thomas Migge - Страница 22

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Es ist die große Bühne für die Fun-Aktiven, mit dem Brett auf dem Wasser, dem Bike in den Bergen, Adrenalin in den Felsen. Die anderen ruhen sich aus, räkeln sich in der Sonne, schlendern durch die Gassen und wandern gemächlich in den Wäldern.

Schwierige touristische Anfänge

Die Geschichte des Gardasees ist lang und bewegt, aus strategisch-militärischer Sicht; der Tourismus dagegen ist noch jung und begann damit, dass Straßen gebaut wurden. Denn wer bis Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Norden kommend am See urlauben wollte, musste in Riva oder Torbole ein Boot nehmen, um in südlichere Gefilde zu kommen. Die Gardesana Orientale, die Straße entlang des Ostufers, wurde 1929 fertig. Zwei Jahre später hatte man sich im Westen des Sees einen Weg durch die Felsen gesprengt: Auch heute noch schwärmen die Menschen von der Gardesana Occidentale als eine der schönsten Straßen Europas, wenn nicht gar der Welt.

Die ersten motorisierten Touristen wurden aber bald schon durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gestoppt. Die Schlagzeilen, die der See fortan machte, waren eher negativ: Benito Mussolini ließ sich mit seiner faschistischen Regierung unter Hitlers Gnaden in Salò, Gardone und Gargnano nieder. Später profitierte auch der Gardasee von den Segnungen des deutschen Wirtschaftswunders, den sich die drei Regionen Trentino, Lombardei und Venetien teilen. Alles Sehenswerte rund um den See prangte in einem Prospekt: die stilvollen Palazzi aus der k.-u.-k-Zeit in Riva, auf der Ostseite die herrschaftliche Skaligerburg in Malcesine, die Anmut eines Monte Baldo und die Pracht von Gardas Bucht; im Westen die anheimelnde Enge Limones und der Glanz stilvoller Häuser von gestern und heute in Gardone Riviera, Gardone di Sopra und Salòs Strebsamkeit.

Glückliches Sirmione, weltberühmtes Verona

Und dann Sirmione im Süden, wo schon die alten Römer ihre müden Glieder im Bade kurierten, wo die Skaliger eine Postkartenfestung errichteten, wo die Sonnenuntergänge das Wasser verzaubern. Sirmione sehen und glücklich sterben, mögen sich viele in Unwissenheit und Anlehnung an den alten römischen Dichter Catull gesagt haben, der vermeintlich in den gleichnamigen Kuranlagen sein Seelenheil fand. Und dann natürlich Verona, einen Katzensprung entfernt. Einmal Julias kupfernen Busen tätscheln, damit sie einem Glück in der Liebe bringe. Einmal eine Belcanto-Aufführung in der sagenumwobenen Arena miterleben, um den Daheimgebliebenen genüsslich davon zu berichten. Einmal eben nach Verona. Und Brescia? Die Stadt steht etwas düpiert abseits, was sie nicht verdient hat, auch wenn der Puls hier anders schlägt als im selbstverliebten Verona: Wer die harte Schale der Industriestadt pellt, stößt auf einen liebenswerten Kern rings um bedeutende römische Hinterlassenschaften wie das Capitol.


Schöne Promenade am Strand von Torbole.


Liebesbeweis im Weingut Zeni.

Ein See für alle und alles

Ende der 1970er-Jahre erlebte der Gardasee einen weiteren unverhofften Aufschwung: Surfer entdeckten das Gewässer für ihren Sport. Heute sind Teile im nördlichen Seebereich für Badegäste und die motorisierte Schifffahrt gesperrt – die Gefahr, dass Surfer Badende nicht erkennen oder aber selbst von Motorbooten »rasiert« werden, ist nicht zu unterschätzen. Es windet halt immer auf dem Wasser, denn Sover, Tramontana und die berüchtigte Ora blasen zur Freude aller Wassersportfanatiker beständig und kräftig aus unterschiedlichen Richtungen. Eine eigene Tourismusindustrie hat sich entwickelt, denn Surfer campieren längst nicht mehr nur in VW-Bussen und kochen auf der Gasflamme, auch sie brauchen Unterkünfte und Verpflegung. Genauso wie die waghalsigen Gipfelstürmer der Rocchetta und die Wanderer, die hinauf auf den Monte Baldo kraxeln.


In der Enoteca della Valpolicella in Fumane.


Zeit zur Muße fanden die Bewohner einst im Castel Toblino am gleichnamigen See.

Berg und Täler

Dieser Monte Baldo ist fürwahr ein veritabler »Monte Miracolo«. Über das Tal und auf das Wasser stülpt sich dieser so eigentümliche Frühdunst, die Almen und Gipfel im Westen sind nur schemenhaft zu erkennen. Nur der Monte Baldo streckte während der letzten Eiszeit kühn seine Gipfel der kühlen Sonne entgegen, so überlebten Samen, Kräuter, Pflanzen und zauberten diesen »Monte Miracolo«. Rund zwei Dutzend Pflanzen wachsen ausschließlich auf dem Monte Baldo, und so tragen diese Endemiten auch seinen Namen, wie die Baldo-Anemonen oder die Knautia baldense, dieses niedliche kleine Gewächs mit dem vielsagenden Namen Witwenblume.

Die schmelzenden Gletscher in den Alpen gruben sich immer tiefer in das Gebirge und ließen das Etsch- und das Sarcatal und schließlich auch den Gardasee entstehen, der mehr und mehr auch zu einem Paradies für die Schönen und Reichen wurde. Sie kamen zur Jahrhundertwende, der Belle Époque, und bevölkerten vor allem das Westufer. Das gemeine Volk trudelte Jahrzehnte später nach. Limone, Gardone Riviera und Salò waren Flecken, die man bis dahin besonders gern im Winter aufsuchte, vornehmlich, weil es sich im Schutz des Monte Pizzocolo und umgeben von mediterraner Flora gut leben ließ. Im Winter sinkt das Thermometer nur selten nahe null Grad, und in den Sommermonaten lässt es sich bei durchschnittlichen 27 Grad prima aushalten.


Befestigungsanlagen im Val di Gresta.

Der Geschmack des Sees

Die Seefische und die frischen Weine, schon die alten Römer fanden schnell Geschmack an Lukullus’ Geschenken. Olivenöl, Zitronen und Orangen waren im Mittelalter die Spezialitäten für Bewohner nördlich der Alpen, denn frisch konnten diese Köstlichkeiten nur vom Gardasee kommen. Die Zeit der Zitronen und Orangen ist vorbei. Ins Leere streben in Limone die Säulen der Limonaien – einer Symbiose aus Gewächshaus und Wintergarten –, die in der kalten Jahreszeit Dächer trugen, um die Wärme zu speichern. Heute fungieren sie als stumme Zeugen dafür, dass hier der Handel mit den sauren Südfrüchten einst ein zuckersüßes Leben bescherte.

Wer heute Zeugnis von der typischen Gardaseeküche ablegen soll, könnte es schwer haben, wenn er sich ausschließlich auf Touristenpfaden bewegt. Pizzen können schon mal aufgebacken, Pasta aufgetaut und Polenta aufgewärmt sein. Abseits speist es sich genüsslicher, dort, wo der Padrone noch die Gäste bedient und gestikulierend erzählt, was die Küche gerade Frisches im Angebot hat. Auch bei der Auswahl des passenden Weins werden die heimischen Gewächse bevorzugt: der leichte, süffige Bardolino oder der etwas bittermandelige Valpolicella von der Ostseite des Sees, der kräftige Groppello oder die Rosévariante Chiaretto vom Westufer oder die Weißweine Lugana oder Custoza aus der Gegend südlich von Sirmione.

Die blauhaarige Nymphe

Dass Engardina schon all diese Köstlichkeiten kannte, ist zu bezweifeln. Sie spielt die entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die wahre Geschichte des Gardasees zu erzählen: Engardina hieß dereinst eine wunderschöne Fee mit langen, blauen Haaren. Der Wassergott Benacus hatte ein Auge auf sie geworfen und lockte sie mit dem Versprechen, ihr einen eigenen See zu schenken. Dreimal klopfte er mit dem Dreizack an einen Felsen, und schon sprudelte die Quelle des Gardasees. Sogleich hielt Engardina ihr liebliches Haar ins Wasser. Seither leuchtet der See im schönsten Blau und verströmt einen wundersamen Feenduft.

TOP ERLEBNISSE

DIE SCHÖNE IM SEE

Die Isola del Garda ist die größte der fünf Inseln im Gardasee, 900 Meter lang und nicht breiter als 125 Meter. Ein mediterranes Schmuckstück mit ihren vielen Pflanzen, Gärten und dem märchenhaften Wäldchen aus Pinien und Zypressen. Gräfin Cavazza lebt seit ihrer Kindheit auf der Isola. Ihr ganzer Stolz sind die Rosen, die dank des warmen Mikroklimas und der schützenden Mauern sagenhaft große Blüten treiben. Führungen April bis Oktober.

www.isoladelgarda.com

JAZZ-SOMMER IN GARGNANO

Juni bis September, meist freitags ab 21 Uhr, erklingt an der kurzen Uferpromenade von Gargnano Jazz. Vom musikaffinen Wirt des Baccaretto organisiert, der nicht nur dann besondere Leckereien auftischt. Via Lungolago Zanardelli 10, Tel. 033 3293 0469.

DIE SCHÜSSELN IM FELS

Gletschermühlen nennt man schüsselartige Vertiefungen in Felsen, die durch die schmirgelnde Wirkung von sich drehenden Steinen entstanden sind. Am einfachsten zu finden sind jene oberhalb von Arco im Norden des Gardasees. Nach dem Hinweis »Marmite gigante« Ausschau halten und dann ruhig in eine von ihnen hinein- und hinaufklettern (ist gesichert).

WEITERE INFORMATIONEN

www.visitgarda.com


Die wunderschöne Isola del Garda.

Das Reisebuch Italien

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