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Selten sieht man die Rialto-Brücke, Venedigs ersten Übergang über den Canal Grande, ganz ohne Werbeplakate.

Beste Annäherung an den Canal Grande

Dem Zauber Venedigs nähert man sich am besten vom Wasser her, denn zum Wasser hin wurden die Schauseiten der Paläste konzipiert. Angefahren wurden sie von ihren Besitzern mit der Gondel, die im Erdgeschoss ihren Parkplatz hatte und vielfach nur genutzt wurde, wenn es ums Repräsentieren ging. Sich vom Wasser anzunähern bedeutet, den Canal Grande als Einstieg in die Stadt zu wählen, was ganz einfach ist: vom Piazzale Roma, wo auch die Überlandbusse ankommen, oder vom Bahnhof Santa Lucia gleich mit dem »vaporetto«, dem Wasserbus der Linie 1, der fast überall hält, Linie 2 nur an den wichtigsten Punkten. Denn in Venedig geht ja nichts außer mit Wasserbussen, Wassertaxi, einer Gondel oder eben zu Fuß. Im historischen Zentrum haben sogar Fahrräder nichts zu suchen.

Also »vaporetto«, das fährt sozusagen die Hauptgräte des Fisches namens Venedig ab – noch nicht bemerkt, dass Venedigs Altstadt wie ein Fisch aussieht? Es geht vom Auge im großen Bogen durch den ganzen Kopf und über die Unterseite, wo er aus dem Canal Grande hinaustritt und den Bacino entlang am Fischschwanz auf die Haltestelle Biennale zusteuert. So werden dem Betrachter nicht nur die schönsten Palazzi von ihrer Schokoladenseite präsentiert, sondern im Anschluss auch die ganze Pracht der Riva degli Schiavoni – und gleichzeitig die prächtige Kirche San Giorgio Maggiore auf dem winzigen Eiland gegenüber.

Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die man auf der Kanaltour bestaunen und über mehrere Haltepunkte ansteuern kann, vom Piazzale Roma aus gesehen: Gleich zu Beginn geht es unter der supermodernen Fußgängerbrücke des spanischen Stararchitekten Calatrava hindurch, dann am Bahnhof vorbei zur Scalzi-Brücke, die direkt auf die Chiesa degli Scalzi (1654–1705) zugeht, eigentlich Santa Maria di Nazaret mit ihrer klaren Barockfassade (lohnt auch innen einen Blick!). Dort, wo linker Hand ein Kanal die Abgrenzung zum Stadtsechstel Cannarégio bildet, erhebt sich die kuppelreiche Kirche San Geremia und dahinter der mächtige Palazzo Labia (18. Jh.) einer reichen spanischen Familie, die sich in den venezianischen Adel einkaufen durfte und nicht aufgehört haben soll, ihren Reichtum zu präsentieren. Den riesigen Ballsaal hat kein Geringerer als Tiepolo freskiert (soll wieder zugänglich gemacht werden, wenn die RAI dort endlich ausgezogen ist). Aber auch von außen ist der Palast recht imposant.

Vom Fondaco dei Turchi zum Fondaco dei Tedeschi

Bald breitet sich schräg gegenüber der große frühere Fondaco dei Turchi (ab 1225) mit seinem »orientalischen« Zinnenkranz aus, heute Sitz des Naturkundemuseums mit reichem Fundus des italienischen Forschungsreisenden Ligabue, der vor allem Fossilien aus dem Niger mitbrachte (etwa die imposanten Skelette eines Riesenkrokodils und eines Dinosauriers). Bald taucht der wohl schönste und wuchtigste Barockpalast der Stadt auf, die Ca’ Pesaro (1673–1710), in der man gleich zwei Sammlungen besichtigen könnte, die Galleria Internazionale d‘Arte Moderna und das Museo d‘Arte Orientale.

Wiederum diesem schräg gegenüber folgt nach dem bescheidenen Platz der Kirche San Marcuola (Haltestelle) der Palazzo Vendramin (1481–1509) mit dem berühmten venezianischen Casinò, in dessen Seitenflügel im Obergeschoss das Wagner-Museum besucht werden kann. Hier verbrachte Richard Wagner mit seiner Familie den ganzen Winter 1882/83 bis zu seinem Tod. Ein Pflichtbesuch für Wagnerianer, die sich auch um eine Konzertkarte im Palazzo bemühen könnten!


Der Dogenpalast mit seinen filigranen gotisch-venezianischen Arkadenbogen ist schon von außen prächtig …


… und erst die kostbar ausgestatteten Säle im Inneren!

Es folgt eine dichte Reihe typisch venezianischer Paläste vor allem im gotischen Stil, vielfach von Hotels besetzt, doch den Höhepunkt bildet die Ca’ d’Oro (1421–1440), das »Goldene Haus«, das diesen Namen wirklich verdient, auch wenn es seinen goldenen Fassadenschmuck fast vollständig verloren hat. Die drei verschiedenartigen Geschosse sind von unten (Wassereingang mit Gondelgarage) nach oben immer filigraner mit Maßwerk gestaltet. Heute Sitz der Franchetti-Kunstsammlung mit venezianischen Werken vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, die der wohlhabende Sammler dem italienischen Staat vermacht hatte, nachdem er geradezu liebevoll und an vielen Stellen eigenhändig den Palast instandgesetzt hatte. Wer hineingeht, sollte den Fußboden des Innenhofes genauer betrachten und oben auf die Veranda treten, um den Canal Grande durch den »Scherenschnitt« des Maßwerks zu betrachten. Ein tolles Fotomotiv! Gleich schräg gegenüber fallen die roten Rollos einer grazilen offenen Halle auf – es ist die Pescaria, Venedigs berühmte (neugotische) Fischhalle, deren Besuch man Dienstag bis Samstag vormittags einplanen sollte, um zu verstehen, warum Venezianer für ihre Küche mit stets frischen Fischen und Meeresfrüchten bekannt sind. Und dahinter befinden sich eine Menge weiterer Stände für den Obst- und Gemüsemarkt, alles frisch geerntet auf den sogenannten Gemüseinseln in der Lagune.


Mit der Gondel erreicht man in Venedig auch die schmalsten Kanäle.


Mosaik an der Fassade von San Marco.

Von Rialto zum Markusplatz

Die Spannung wächst, gleich um die nächste Kurve erscheint das Herzstück Venedigs, die Stelle, an der die Serenissima geboren wurde: Rialto. Doch vorher fällt der Blick auf den riesigen Bau des Fondaco dei Tedeschi (13. Jh., 1508 nach Brand wiederaufgebaut), der historischen Warenbörse der Deutschen und seit dem Verkauf an die Benetton-Gruppe skandalumwittertes Spekulationsobjekt. Denn während andere, an große ausländische Investoren verkaufte Paläste zu Museen umgewandelt wurden (speziell für zeitgenössische Kunst), hat Benetton hier 2016 das Luxuskaufhaus der Superlative installiert. Immerhin bleibt der Zugang zum nun überdachten Innenhof und zum Dachgeschoss mit der Panoramaterrasse jedermann zugänglich.

Dann endlich die Rialto-Brücke (1488) mit zwei Ladenreihen, die den geschäftstüchtigen Venezianern durch Mieteinnahmen bald den Stadtsäckel füllten. Bis ins 19. Jahrhundert hinein war dies die einzige Brücke über den großen Kanal, kleinere über den Seitenkanälen gab es schon lange vorher. In schneller Fahrt geht es auf dem Wasserweg weiter, linker Hand ragt das Teatro Goldoni aus dem Häusergewirr der Riva del Carbón heraus. Und angesichts der vielen Palazzi, die in Hotels umgewandelt wurden, fragt man sich, was ohne sie wäre, wie sonst man die kostbare Bausubstanz erhalten könnte. Bald fällt der Blick rechts auf die spätgotische Ca’ Foscari mit ihren beiden fast gleichen »piani nobili«: Sitz der Universität Venedigs. Gegenüber schaut man auf den riesigen Palazzo Grassi (1748–1778), den sich in der Neuzeit erst die Agnelli leisteten und seit wenigen Jahren der französische Kunstsammler François Pinault, der im völlig umgestalteten Bau nur einen kleinen Teil seiner Kostbarkeiten unterbringen konnte; für einen weiteren hat er sich die Punta della Dogana am Ende des Canal Grande ausgebaut. In Höhe der Accademia-Brücke versteckt sich rechts die bedeutendste Kunstgalerie der Stadt, schlicht Accademia genannt, für die Kunstkenner ein paar Stunden einplanen. Am selben Ufer des Kanals hat die erste Ausländerin bereits 1949 ihre Kunstsammlungen untergebracht, hat aber auch hier gelebt, und wurde daher von manchen Venezianern gar als »die letzte Dogin« bezeichnet: Peggy Guggenheim (1898–1979). Ihr Palazzo Venier dei Leoni (1748) besteht nur aus dem Sockelgeschoss, mehr wurde niemals fertiggestellt. Peggy Guggenheim liebte diesen Platz, an dem sie neben ihren Hunden auch ihre letzte Ruhestätte fand.


Blick vom Glockenturm auf das Bacino mit San Giorgio Maggiore.

Gegenüber schaut man auf den Palazzo Gritti, schon lange ein mehrfach umgebautes Edelhotel; schmal, aber sehr hübsch in seiner grazilen Gotik ist der benachbarte Palazzo Contarini Fasan, der auf die grandiose Kirche La Salute blickt und auf die Punta della Dogana (mit Pinaults Kunstgalerie), dem Ende des Canal Grande – und mit Totale auf die Piazzetta San Marco. Ihre beiden Säulen ragen hoch hinauf zwischen den klaren Linien der Procurazie Nuove und der zarten Gotik des rosa-weißen Palazzo Ducale. Hinter ihm besticht die Kuppellandschaft der Markuskirche und lockt zum Ausstieg, um auf der riesigen Piazza San Marco davor die Bootsfahrt im »Caffè Florian« oder im »Lavena« oder im »Quadri« zu begießen und auf den Sonnenuntergang zu warten, der San Marco in goldenes Licht tauchen wird.

TOP ERLEBNISSE

»OMBRAE CICHETI«

Venezianer lieben es, sich Zeit für ein Schwätzchen mit Freunden und Bekannten zu nehmen, ganz gleich, wo man sich trifft, ob auf einer Brücke oder an der Caffè- oder Osteria-Bar bei »cicheti«, kleinen Häppchen, und einem Gläschen Wein. Solch ein Gläschen nennen sie »ombra«, »Schatten«, angeblich, weil die Weinhändler schon früh auf der Piazza San Marco ihre Fässer aufzubauen pflegten – immer dort, wo der Campanile, der Glockenturm von San Marco, gerade seinen Schatten warf.

GÜNSTIG UND GUT

Eine kleine, aber feine Adresse für »ombra e cicheti« ist mit Blick auf die historische Gondelwerft von San Trovaso die winzige holzgetäfelte »Osteria Al Squero«, wo die leckeren Häppchen stets frisch aus der Küche kommen und der trockene Weißwein gut gekühlt ist. Adresse: Fondamenta Nani, Dorsoduro 943/944.

VENEDIGS »MUTTER«

Torcello in der nördlichen Lagune gilt aus historischen Gründen als die Mutter Venedigs mit einem interessanten sakralen Zentrum und Hemingways Lieblingsbleibe »Cipriani«, wenn er hier auf Entenjagd ging.

WEITERE INFORMATIONEN

Touristeninormation: Tel.

041 24 24 (tgl. 7.30–19 Uhr), www.veneziaunica.it

Interessant: Die CityCard kann man sich selbst zusammenstellen.


Beliebt ist ein Plausch bei Wein und Leckereien.

Das Reisebuch Italien

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