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VII

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Nun da wir beschrieben haben, worin die absolutistische Position besteht, müssen wir uns nochmals dem Konflikt zwischen ihr und dem Utilitarismus zuwenden. Auch wenn eine Reihe unsauberer Aktionen annehmbar werden sollte, sobald viel zu viel auf dem Spiel steht, wird von allen Taten, die am strengsten verboten sind, wie Mord und Folter, nicht allein verlangt, daß sie außergewöhnlich gut gerechtfertigt werden müssen, sondern es wird verlangt, nie so zu handeln – da es kein noch so hohes Maß an resultierendem Guten jemals rechtfertigen könnte, Menschen dies anzutun.

Es bleibt die Tatsache, daß ein Absolutist sich zwar weigern kann, eine ethisch verbotene Maßnahme zu ergreifen, auch wenn er weiß oder meint, daß der utilitaristische Preis, den er für diese Weigerung zu zahlen hat, immens hoch ist, aber er wird alsdann schwerlich das Gefühl haben, ein moralisches Dilemma befriedigend gelöst zu haben. Dasselbe wird auch für jemanden gelten, der sich absolutistischen Auflagen widersetzt und statt dessen den Weg mit den am ehesten akzeptablen Folgen einschlägt. Es ist in jedem Fall gut möglich, das Gefühl zu haben, daß die Gründe, aus denen man handelt, nicht ausreichen, die Verletzung der solchem Handeln entgegenstehenden Prinzipien zu rechtfertigen. In lebensbedrohlichen Konfliktsituationen allerdings, insbesondere wenn eine schwächere Partei Gefahr läuft, von der stärkeren vernichtet oder versklavt zu werden, können die Gründe dafür, zu brutalen Taten Zuflucht zu nehmen, äußerst gravierend, kann das Dilemma höchst akut werden.

Es mag gewisse, bis in unsere Tage noch nicht kodifizierte Prinzipien geben, die es uns gestatten würden, derartige Dilemmata aufzulösen. Doch womöglich gibt es sie auch wiederum nicht. Wir müssen der pessimistischen Alternative ins Auge sehen, daß es vielleicht gar nicht möglich ist, die beiden Arten moralischer Intuitionen in einem einheitlichen Moralsystem zusammenzuführen, und es die Welt sein wird, die uns in Lebenslagen bringen kann, in denen es für einen Menschen keinen ehrbaren oder moralischen Ausweg mehr gibt, keinen Ausweg frei von Schuld und Verantwortung für Unrecht.12

Diese Idee einer moralischen Sackgasse sollte durchaus verständlich und nachvollziehbar sein. Man kann ja ohne weiteres durch eigene Schuld in eine solche Sackgasse geraten, und das pflegt Menschen auch andauernd zu geschehen. Legt einer beispielsweise zwei miteinander unvereinbare Versprechen ab oder geht er unvereinbare Verbindlichkeiten ein – verlobt er sich etwa mit gleich zwei Menschen – gibt es für ihn keinen Ausweg mehr, der nicht unrecht wäre, denn mindestens gegenüber einer dieser Personen kann er sein Versprechen nicht halten. Auch wenn er die Karten offen auf den Tisch legt und alles gesteht, reicht dies nicht aus, um noch unbescholten davonzukommen. Und dennoch macht es uns nicht an der Moral irre, daß es derartige Fälle gibt, da wir das Gefühl haben, daß die Situation als solche nicht unvermeidlich war: Man muß schon zuvor ein Unrecht begangen haben, um sich überhaupt in ein solches Dilemma verstricken zu können. Was aber, wenn auch die Welt selbst – oder das was ein anderer tut – einen bislang unschuldigen Menschen vor die Wahl zwischen moralisch abscheulichen Handlungsalternativen stellen kann, ohne ihm einen Weg offenzuhalten, seine Ehre zu retten? Unsere Intuitionen sträuben sich gegen diese Vorstellung, weil wir das Gefühl haben, die Möglichkeit, derlei Fälle zu konstruieren, zeige doch, daß unsere moralischen Ansichten miteinander in Widerspruch stehen. Es schließt aber an sich keinen Widerspruch ein, wenn wir davon sprechen, jemand könne entweder X tun oder nicht X tun, und gleichgültig welche der beiden einzig möglichen Handlungen er begehe, sie sei unrecht. Man widerspricht hier lediglich jener Auffassung, nach der ein Sollen stets ein Können impliziert – denn es gilt doch wohl, daß man nichts Unrechtes begehen soll, und eben dies ist im vorliegenden Fall unmöglich.13 In Anbetracht der Begrenztheit des menschlichen Handlungsspielraums ist es reichlich naiv anzunehmen, daß es für jedes moralische Problem, vor das uns die Welt stellen kann, eine Lösung geben muß. Wir wußten es ja seit jeher: Die Welt ist schlecht. Nun sieht es gar so aus, als könnte sie obendrein noch böse sein.

Übersetzt von Karl-Ernst Prankel und Ralf Stoecker.

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