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Mágocs, 1944. Eichmanns Taten

Das ganze Dorf hatte sich versammelt. Eine unfassbar absurde Situation galt es zu beobachten, die über sie hereingebrochen war. Die ganze Sache erschien derart unwirklich, dass niemand darauf adäquat reagieren konnte.

Johann stand an der großen Kreuzung und schaute fassungslos auf den Auszug der Familien.

»Der Harald hat recht gehabt. Er hat tatsächlich recht gehabt.«

Sein leises Selbstgespräch konnte gar nicht leise genug sein, um in der Stille ungehört zu bleiben. Alle Zuschauer schwiegen, die vorbeiziehenden Familien schwiegen, selbst die Bewacher gingen wortlos neben ihren Opfern her.

»Was meinst du, Gabb?«, raunte Josef Halbich. Er stand neben ihm, und als er sprach, wurde auch der Strasser aufmerksam und rückte etwas näher.

»Sie bringen sie alle weg. Wirklich alle. Ganz Ungarn erlebt gerade die gleichen Szenen.«

»Aber warum?«, fragte Josef. »Für was für eine Art Arbeitseinsatz benötigt man Frauen und Kinder und Alte? Das hat doch keinen Sinn.«

Johann nickte und drehte sich etwas zu den beiden Männern hin, nicht so sehr zur besseren Verständigung, sondern damit seine Kinder nichts hören konnten.

»Natürlich hat das keinen Sinn. Alles an diesem Krieg hat keinen Sinn. Mit der ganzen Welt Krieg anzufangen und gleichzeitig einen Teil seiner eigenen Bevölkerung erst von der Mithilfe an den Anstrengungen auszuschließen und schließlich seine ganze Kraft darauf zu verwenden, diese Leute auszurotten. Das ist so unendlich dumm, mir fallen keine Worte dafür ein. Man muss sich schämen, ein Deutscher zu sein.«

»Und demnächst dürfen wir für diese Wahnsinnigen auch noch Soldat spielen«, warf der Strasser ein.

»Sicher. Wir sind das letzte Aufgebot. Du weißt doch, was für gewöhnlich das Schicksal des letzten Aufgebotes ist? Mit dem letzten Aufgebot hat noch nie jemand einen Krieg gewonnen.«

Die beiden anderen schauderten.

»Was für ein Glück, hier in Ungarn zu leben. Ich möchte nicht in Deutschland sein, wenn da alles zusammenbricht und die Russen von Tür zu Tür gehen«, wisperte Josef mit einem Hauch Grusel in der Stimme. Sie kannten die Geschichten ihrer Väter aus dem letzten Weltkrieg, auch die aktuelle Propaganda tat ihr Übriges.

»Da wäre ich mir nicht so sicher«, meinte Johann. »Der Kommunismus wird kommen, ganz sicher. Wir werden verstaatlicht und aller Besitz ist sofort weg. Wir fangen wieder von vorne an. Neue Herren, neues Unglück.«

Johann wurde unterbrochen, als er einen leisen, unterdrückten Aufschrei hörte. Er drehte sich wieder um und sah seine älteste Tochter Agatha mit aufgerissenen Augen und von dem Mund gepresster Hand. Er folgte ihrem Blick. Gerade marschierten Susa und Tilda vorbei, ihre beiden Freundinnen. Sie winkten zaghaft herüber. Johann sah seiner Tochter an, dass sie am liebsten hinrennen würde für eine letzte Umarmung. Er sah ebenso ihre Angst, ihre Unsicherheit. Sie konnte sich nicht entschließen. Die beiden Mädchen gingen weiter, der Augenblick verging. Seine Tochter schluchzte auf und rannte weg.

Der Strasser brachte seine Gedanken wieder in andere Bahnen.

»In drei Tagen müssen wir auch weg. Ob es auch so einen Auszug aus dem Dorf geben wird?«

»Glaube ich nicht. Denen sind die Juden auf eine perverse Art wichtiger als wir. Dass wir sterben werden, ist für die Nazis normal. Aus dem Tod der Juden machen die eine Festlichkeit, da haben die richtig Spaß dran.«

»Mache bitte keine Witze Johann«, sagte Josef Halbich. »Die Nazis hassen die Juden, die machen doch kein Fest daraus.«

»Natürlich tun sie das. Du machst doch auch ein Fest aus dem Weihnachtsbraten, während dir die gebratene Gans ganz furchtbar egal ist und du sie doch mit einer gewissen Freude schlachtest. Den Nazis sind die Juden noch nicht mal egal, sie hassen sie. Wenn jemand einen Umzug veranstaltet, dann, weil er feiern will. Diese Soldaten feiern den Umstand, die Juden los zu werden.«

»Klasse. Und uns ist die Welt auch bald los«, warf der Strasser gallig ein.

»Nicht, wenn du am Leben bleibst.«

Mit diesen Worten trennten sich die Männer. Es gab noch viel vorzubereiten. Die Frage nach dem Überleben musste er tatsächlich ausführlich bedenken.

Johann Gabb

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