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Vorwort

Seit der Mensch um seine Sterblichkeit weiß, erstrebt er für sich die Unsterblichkeit. Im Schatten des unausweichlichen Todes wird die Suche nach etwas Bleibendem zu einem der bestimmenden Faktoren des Lebens. Jeder Mensch hegt tief in seinem Inneren den Wunsch, eine Erinnerung von ihm möge sein irdisches Leben überdauern. So manches versucht der Mensch, um dieses Ziel zu erreichen. Bei derlei Versuchen gerät er rasch auf Abwege. Die Geschichtsbücher quellen über von Gestalten, die sich ihren Platz dort mit besonderer Grausamkeit und dem Blut zahlloser Zeitgenossen erkämpft haben. Eine zweifellos erfolgreiche Methode, sonst stünden sie nicht in eben jenen Büchern. Wegen der begrenzten Zahl der Seiten, sowie den natürlichen Beschränkungen des menschlichen Gedächtnisses bleibt dieser Weg einer winzigen Minderheit vorbehalten.

Die meist friedliche Masse der Menschen versucht es auf andere, vielgestaltige Weise, sich in das Erinnerungsvermögen der Nachwelt zu zwängen. Dabei vergessen seit langer Zeit gerade die Deutschen vollständig den einen, ganz einfachen Weg, den die Natur für uns vorgesehen hat: Kinder.

Jeder von uns stirbt unausweichlich. Weiterleben können wir allein durch unsere Kinder. Die Erziehung der Nachkommen ist beschwerlich und riskant. Wenn alles schief läuft, behält man uns in denkbar schlechter Erinnerung. Zudem stellte sich dieser Weg als ungeheuer arbeitsreich und schwierig heraus. Niemand hat gesagt, dass es leicht sein soll, die Unsterblichkeit zu erringen.

Dieses Buch entstand, weil mein Großvater unsterblich ist. Zumindest lebt er in den Erinnerungen seines Enkels weiter, und dieser Enkel erzählt seinen Kindern von ihm. Mein Großvater lebte ursprünglich das Leben eines einfachen Bauern, der ohne Schuld in düsteren Zeiten gezwungen wurde, um sein Überleben zu kämpfen. Er verlor ohne eigene Schuld alles, und das gleich zweimal. Er musste sich ständig etwas Neues einfallen lassen, Neues lernen, unter verschiedenen Tyranneien einen Ausweg finden. Er schaffte es immer wieder, durch Tatkraft, Optimismus und eine unglaubliche Nervenstärke. Vor allem aber schaffte er es, seine Familie zusammenzuhalten. Im Grunde überlebte er nur, damit seine Kinder überleben konnten. Er war ein großartiger Schauspieler, der alle narrte, die Nazis, die Kommunisten zweier Länder, US-Soldaten, einfach jeden. Dazu gesellte sich eine Menschlichkeit und Güte, die ihn antrieb und sein Handeln maßgeblich beeinflusste.

Er hat weder als Soldat noch später jemanden getötet. Meines Wissens hat er – außer in der Ausbildung zum Soldaten – nie eine Waffe benutzt. Dass allein stellt bereits eine besondere Leistung dar.

Er war völlig unpolitisch, hatte bereits früh den Krieg hassen gelernt, da sein Vater, mein Urgroßvater, schon im Ersten Weltkrieg die Kriegsgefangenschaft in Sibirien nur knapp überlebte. Die Folgen dieses ersten großen Abschlachtens waren für Ungarn einschneidender als für jedes andere Land, Österreich womöglich ausgenommen. Doch blieben selbst diese Folgen weit weg von den einfachen Bauern in Ungarn. Die hatten vorher kaum etwas, und nachher genauso wenig. Der Urgroßvater durfte an manchem Abend den Enkelinnen die eine oder andere Gruselgeschichte erzählen, und alle waren froh, dass diese Dinge weit weg geschahen und nicht zu Hause. Diese unmittelbare Nähe der Kämpfe passierte dann im Zweiten Weltkrieg umso hässlicher.

Dieses Buch erzählt von dem Mann, der zweimal alles verlor, nur nicht den Glauben und die Zuversicht, seine Familie beschützen und zusammenhalten zu können. Ein einfacher, warmherziger, kluger Mann hat allen Schwierigkeiten getrotzt, alle Mühen auf sich genommen und alle Hindernisse überwunden, um seiner Familie willen. Er hat sich seine Unsterblichkeit verdient.

Johann Gabb

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