Читать книгу Der Alte vom Berge - Thomas Riedel, Susann Smith - Страница 13

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Kapitel 10

Niniveh‹,

Hauptraum der ›Sargonsburg‹

P

rofessor Atkins zeigte auf die Nischen, die links und rechts vom Hauptraum in den Schutt gegraben waren. »Hier sehen wir auch, weshalb dieser geheimnisvolle ›Alte vom Berge‹ verhindern wollte, dass ich in ›Sargons‹ Burg meine Ausgrabungen mache, Jack ... Sie müssen sich nur einmal die Kisten ansehen!«

Auf wackeligen Beinen ging Jack in eine der Nischen und hob den nur locker aufliegenden Deckel einer Kiste an. Was er im Licht der noch brennenden Lampen sah, ließ ihn einen überraschten Pfiff ausstoßen.

In der länglichen Holzkiste lagen, fein säuberlich verpackt, Maschinengewehre.

»Donnerwetter, Herr Professor! Ein Waffenlager. Damit kann man das ganze Land unsicher machen!«

»Auf mich macht das eher den Eindruck, dass es das Waffenlager für eine ganze Armee ist, Jack. Ich habe nicht weniger als achtzehn Kisten gezählt. Alles automatische Gewehre und dazu unzählige Revolver. Ich verstehe nichts von Waffen, aber die sehen mir nach neuester Produktion aus.« Er deutete mit der linken Hand in die gegenüberliegende Richtung. »Dort drüben habe ich sogar Handgranaten gefunden!«

»Wir sollten uns jetzt sofort auf den Rückweg nach Mossul machen, Professor. Die Waffenfunde müssen wir Kommissar Dschiluwi melden. Ich befürchte, dass man uns ansonsten einen Strick daraus drehen wird.«

»Und genau das, werden wir auf keinen Fall tun, Jack!«

»Sie belieben zu scherzen!«

»Ganz im Gegenteil!«, entgegnete Atkins energisch. »Sobald wir das hier melden, ist der Ofen aus. Was glauben Sie, was das Sonderdezernat machen wird, wenn er hiervon erfährt?« Er blickte Jack herausfordernd an, erwartete jedoch keine Antwort von ihm. »Glauben Sie mir, wir hätten dieses Gewölbe zum letzten Mal gesehen!«

»Aber Sie haben doch eine Grabungserlaubnis der Regierung, Professor?!«, widersprach Jack.

»Gebrauchen Sie Ihren Kopf, mein junger Freund!«, lächelte Atkins traurig. »Dschiluwi würde sich mit seinen Männern hier solange auf die Lauer legen, bis sie die Mitglieder dieser Bande gefasst haben. Ganz abgesehen davon, sie würden uns immer und immer wieder verhören. Zum Beispiel danach, wo denn die Burschen geblieben sind, die Sie überwältigt haben. Wie Zitronen würde man uns ausquetschen!«

»Ich verstehe das Problem immer noch nicht, Professor.« Jack schüttelte ablehnend den Kopf. »Es ist doch nahe liegend, dass die fliehenden Kerle ihre Kumpane befreit haben. Von selbst werden sie die Stricke ja nicht losgeworden sein!«

»Autuaita ovat puupäät, sillä he eivät huku!«, erwiderte Atkins schmunzelnd.

Jack verstand nicht und sah ihn irritiert an.

»Selig sind die Holzköpfe, denn sie ertrinken nicht, sagen die Finnen!«, übersetzte der Professor und schüttelte mitleidig den Kopf über so viel Arglosigkeit des jungen Mannes. »Man würde uns kein Wort glauben, Jack. Was hindert Dschiluwi zum Beispiel daran, anzunehmen, dass wir die aus dem Ausland geschickten Instruktoren dieser Bande sind – vermutlich Aufständische, die vielleicht dabei sind einen Umsturz vorzubereiten?!«

»Ach was, Professor! Das ist doch an den Haaren herbeigezogen! Umsturz und Mordpläne. Hirngespinste!«

»Wohl kaum, Jack! Denken Sie einfach mal zurück und an all die inneren Wirren, die diese Gegend erschütterten. Von Kairo bis Teheran lodert immer wieder das Feuer. Morde, Putsche, Revolten und Regierungsumstürze … am laufenden Band. Und immer wieder verdichten sich in diesen Ländern religiöse, fanatische und politische Gärstoffe zu einem hochexplosiven Gemisch, das alles in die Luft jagen kann. Geheime Organisationen und Untergrundbewegungen haben sich noch vermehrt. Es könnte auch hier bald wieder so aussehen, wie vor Jahren der augenblicklichen Stabilität.«

»Darin bin ich nicht bewandert, Professor. Politik ist nicht direkt mein Interessengebiet.«

»Was haben Sie denn an der Universität gemacht, Jack?«

»Neben dem Studium Sport, wie die meisten meiner Kommilitonen«, entgegnete Jack, und Verärgerung lag in seiner Stimme.

»Natürlich Sport. Selbstverständlich!«, echote Professor Atkins spöttisch. »Nun, zu meiner Zeit haben wir uns auch mit den politischen Geschehnissen der Länder beschäftigt, in denen wir einmal arbeiten wollten. Dann hören Sie mir mal gut zu, junger Mann: Hier war schon immer die Hölle los, und sie kann jederzeit wieder losbrechen. All die verfeindeten Stämme und Religionsgruppen. Wir befinden uns hier auf einem Pulverfass!«

Atkins folgte Jack, der den Lichtkabeln nachging und in einer Nische eine Dieselgenerator fand, der die Glühbirnen speiste. Hier schienen die Waffenschmuggler ihren Aufenthaltsraum eingerichtet zu haben. Auch Essensvorräte fanden sie, und in einer schmalen, länglichen Kiste lagen zwei Maschinengewehre und zahlreiche aufgefüllte Munitionsbänder. Atkins zeigte auf die beiden Waffen.

»Mein Gott!«, entfuhr es ihm. »Ich muss gerade daran denken, welche Massaker damit angerichtet werden können. Vor neun Jahren erst schickten wir mit solchen Waffen fünfzig Infanteristen ins Königreich ›Matabele‹23. Das war 1893. Sie dürften es altersgemäß nicht bewusst mitbekommen haben, aber nicht weit von ›Bulawayo‹24, der Hauptstadt, kam es zur Entscheidungsschlacht. Über fünftausend Krieger warfen sich immer und immer wieder auf unsere Stellungen. Die Maschinengewehre schossen die Angreifer mit ihren unablässigen Feuerstößen Angriffswelle um Angriffswelle nieder. Mehr als dreitausend ›Matabeler‹ fielen ohne jede Chance, und die Überlebenden flüchteten voller Entsetzen. Ich erinnere mich an einen meiner ehemaligen Expeditionsteilnehmer, George Rattray25, der als Soldat dabei war und mir davon erzählt hat: Sie wurden niedergemäht wie mit einer Sense!«

Jack warf Atkins einen skeptischen Blick zu.

»Das ist ja alles sehr bedauerlich, aber …« Er verschluckte, was er sagen wollte. Stattdessen fuhr er fort: »Hier ist unsere Waffenkammer, Professor. Wir tun gut daran, uns mit einem Maschinengewehr und genügend Munitionsbändern zu versorgen. Die Bande ist verdammt ungemütlich, und ich lege keinen Wert darauf, zum dritten Mal k.o. geschlagen zu werden!«

»Ich weiß nicht einmal, wie ich eine solche Waffen bedienen soll, Jack!«

»Nehmen Sie, Professor!« Jack drückte ihm eine der beiden Gewehre in die Hand. »Wenn Sie schießen müssen legen Sie vorher diese Sicherung herum. Dann brauchen Sie nur noch den Abzug durchzuziehen und richtig zu zielen. Ist das Munitionsband leer, oben die Klappe öffnen, ein neues einlegen und Klappe schließen. Die rastet dann einfach ein.« Jack machte es dem Professor vor. »Damit sind wir zumindest einigermaßen geschützt, wenn wir hier weitersuchen wollen.«

In Atkins Augen leuchtete es auf.

»Soll das bedeuten, Sie nehmen meinen Vorschlag an, Jack?«

»Einer muss doch wohl auf Sie aufpassen, Professor. Außerdem möchte ich diesen Burschen die beiden Kopfnüsse zurückgeben. Ich lasse mir nur sehr ungern etwas von Leuten schenken, die ich nicht einmal kenne!«

»Danke, Jack!« Atkins streckte seine Hand aus und umspannte Jacks Rechte mit einem kräftigen Druck. »Wie ist das mit Ihrer Schwester?«

»Mit Sally?« Jack lächelte. »Sie ist noch nie einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen.«

Der Professor lächelte.

»Was machen wir nun als erstes, Professor?«

»Am Südeingang der Burg habe ich meinen Wagen stehen. Dort warten auch die Helfer auf mich. Ich schlage also vor, dass wir zurückgehen und mit den Männern heimfahren.«

»Hm …! Die sollen also sehen, dass wir abhauen. Und ich schätze, dass wir bei Nacht und Nebel zurückkommen und hier graben, wie?«

»Ganz genau, Jack!«

»Und wenn die Bande auch die Schatzkammer schon gefunden hat, Professor?«

»Das kann nicht sein. Mein erster Weg führte sofort dorthin, wo sich die Ausgangsbasis für unsere Arbeit befindet. Die Kammer ist noch nicht entdeckt worden … Es sei denn, sie hätten sie wieder verschlossen.«

»Wie haben die Banditen Sie eigentlich in die Finger bekommen?«

»Als ich aus der betreffenden Nische zurückkam und eine der Kisten öffnete, wurde ich plötzlich niedergeschlagen. Dann schienen Sie zu kommen, denn sie schleiften mich tiefer in die Nische hinein und bereiteten alles für Ihren Empfang vor. Als ich erwachte, hörte ich die Schüsse … Nein, es muss heißen: Ich erwachte durch die Schüsse. Doch die Banditen bemerkten, dass ich mich fortschleichen wollte. Alles Übrige wissen Sie … Und wie erging es Ihnen?«

In kurzen Worten berichtete Jack seine Erlebnisse, nachdem er sich vom Professor getrennt hatte.

Sie stellten das Dieselaggregat ab, und die Maschinengewehre schussbereit im Anschlag, gingen sie den Weg zurück, den Jack vor über einer halben Stunde gekommen war. Jack hielt sich während der ganzen Zeit gut zehn Schritte vor dem Professor. Er war fest entschlossen, beim geringsten Geräusch von seiner Schusswaffe Gebrauch zu machen. Diese Kerle waren zu allem entschlossen. Sie würden nicht davor zurückschrecken, sie auf der Stelle umzubringen. Auf keinen Fall würden sie ihnen gestatten, ungehindert Mossul zu erreichen, um diesen Aufsehen erregenden Fund melden zu können. Und dazu standen ihnen wahrscheinlich genügend Mittel zur Verfügung.


Ungehindert erreichten sie nach einer Stunde den großen Hof der ›Sargonsburg‹.

Als die Sonne in breiten Lichtschwaden in den Hof fiel, atmete Jack erleichtert auf. Er spähte in die Runde, ob er nicht seine Schwester und Abu Mubarak entdecken konnte.

Eine weißgekleidete Gestalt erschien oben auf der Treppe und schwenkte die Arme. Hinter ihr tauchte Sally auf. Dann kamen die beiden auch schon die Stufen hinabgelaufen.

»Gott sei Dank, da bist du ja wieder, Jack!«, rief Sally ihnen entgegen.

»Und da ist ja auch der Professor!«, stimmte Abu ein. »›Allahu akbar‹!26 Sie sind gerettet!«

»Sie sind ein alter Angsthase!«, spottete Jack, seine Schwester in den Arm nehmend. »Habt ihr die Männer gesehen, die hier herauskamen?«

»Wir hörten sie durch den Gang rennen und versteckten uns hier oben in den Schuttbergen«, antwortete Abu. »Sie schleppten zwei Männer mit sich.«

»Das werden die beiden gewesen sein, die Sie überwältigt haben, Jack!«, nickte Atkins.

»Wohin haben die sich gewandt?«, wollte Jack wissen.

»Sie verschwanden nach Nordwesten«, erwiderte Sally mit einer entsprechenden Handbewegung.

»Das ist die Richtung ihres Geheimausganges«, warf Professor Atkins ein, um gleich fortzufahren: »Fließt dort nicht ein Bach?«

»Es ist ›Der kleine Fluss der Schlangen‹, Professor«, erklärte Abu, während Sally unwissend die Achseln zuckte. »Das Wasser mündet direkt in den Tigris.«

»Wir müssen sofort zum Südhang!«, erklärte Atkins.

»Wo sind die Kamele, Abu?« Jack sah sich suchend um.

»Abu und ich haben sie dort hinten, hinter dem Abraum versteckt«, sagte Sally und machte sich mit Abu auf den Weg.

Jack und der Professor sicherten die beiden und sich selbst mit den erbeuteten Maschinengewehren der Banditen nach allen Seiten ab.

Als Jack seiner Schwester auf den Sattel half, prallte sie zurück. Die Hitze der seit Stunden auf den Sattel niederknallenden Sonne hatte ihn in einen Bratrost verwandelt.

»Verdammt!«, entfuhr es ihr wenig damenhaft. »Das ist eine Hitze!«

Abu überließ sein Reittier dem Professor und lief zu Fuß nebenher. Als sie hinter der lang gestreckten Abraumhalde hervorkamen, blitzte es auf der Höhe, gut einhundertfünfzig Yards halblinks, grell auf. Unmittelbar vor Abus Füßen, der die Gruppe anführte, spritzten Erdfontänen hoch.

»Maschinengewehre!«, schrie Jack. »Schneller. Wir müssen hier weg!«

Sofort leitete Abu sie von der Piste weg, über einen Erdhügel – und sie verschwanden dahinter, noch ehe die Gegner ihre Waffe nachgerichtet hatten.

Jack spähte nach vorn.

»Da vorn ist eine Lücke im Schutt, Abu!«, rief er dem Araber zu. »Da müssen wir durch! Hier haben wir im Augenblick zwar Schutz, aber keine Möglichkeit den Banditen zu entkommen.«

»Mein Bruder hat recht«, stimmte Sally mit ein. »Wenn wir hierbleiben, werden sie uns einkreisen. Dann ist es zu spät! Die sind zu allem fähig!«

So schnell es ging machten sie sich daran durch die Lücke zu verschwinden. Von der Höhe, jenseits des schützenden Schuttwalls, vernahmen sie abermals das Hämmern des Maschinengewehrs. Von der Spitze des Haufens, der jetzt etwa achtzig Yards hinter ihnen lag, folgen Erdspritzer herunter.

Als sie hindurch waren, stellte Jack aufatmend fest, dass sie jetzt in Sicherheit waren.

»›Allah! Wallah! Tallah!‹27« Abu Mubarak war unter der dunklen Bräune seines Gesichtes blass geworden. »Ich bin ein Führer der Fremden, aber keine Zielscheibe für Verbrecher. Ich werde diese Banditen dem Kommissar melden! … Und in unserem mündlichen Vertrag war davon auch keine Rede!«

»Schon gut, Abu«, wehrte Professor Atkins ab, der seinen Pappenheimer kannte. »Diesen Zungenschlag kenne ich … Also, zwei Pfund Gefahrenzulage und fünf Pfund zusätzlich, wenn du dieses Intermezzo schnell aus deinem Gedächtnis streichst! Verstanden?!«

»›Allah yusallmak‹28, ›Sidi‹! Ich leide seit Jahren an chronischem Gedächtnisschwund. Schon mein Großvater, der ehrwürdige Hadschi Abdol Buda el Gandarah, sagte einmal zum Bruder meines Vaters …«

Was dieser ehrwürdige Mekkapilger gesagt haben sollte, erfuhren Sally, Jack und Professor Atkins nicht mehr, denn von rechts hallte ein Hupkonzert zu ihnen herüber, das alles andere übertönte.

»Wir müssen über den Weg dort nach rechts, Jack!«, rief Atkins.

»Wir müssen die Maschinengewehre verschwinden lassen, Professor!«, gab Jack zurück.

Er zog seine Tropenjacke aus und wickelte es darin ein. Atkins tat es ihm gleich. Unmittelbar darauf brachten sie die Kamele vor dem Wagen des Professors, einem schwarzen Packard, zum Stehen.


Der Alte vom Berge

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