Читать книгу WorldRunner (2). Die Gejagten - Thomas Thiemeyer - Страница 8

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Die Lichter Kölns huschten wie Sternschnuppen an Tims Augen vorbei. Farben, helle Flächen und Muster verschwammen zu einem fiebrigen Regenbogen.

Tim presste die Nase ans Fenster der Luxuslimousine und wünschte sich weit weg. Irgendwohin, wo ihn niemand finden konnte, wo ihn niemand kannte. In ein Strandhaus vielleicht, ans Meer. Von ihm aus auch in die Berge. Nur fort von dieser Stadt, diesem Event. Diesem Abend.

Dabei hatte er ihn sich so herbeigesehnt.

Zehn Wochen war es her, seitdem sie sich für die Global-Games-Weltmeisterschaft qualifiziert hatten. Zehn Wochen, in denen kaum ein Tag vergangen war, an dem Tim und Annika nicht irgendwelche Interviews geben mussten, Fanpost beantworteten oder auf Social-Media-Kanälen unterwegs waren. Für das Spiel selbst blieb da kaum noch Zeit. Inzwischen war es Ende September und die Schule ging normal weiter. Wobei normal vielleicht das falsche Wort war, denn für die Gewinner des Vorentscheids herrschte noch immer Ausnahmezustand. Tim war an seinem Gymnasium der Star und wurde von Schülern wie Lehrern gleichermaßen bewundert. Sein Sonderstatus ermöglichte es ihm, während der kommenden zwei Wochen dem Unterricht fernzubleiben und sich ganz auf die Spiele zu konzentrieren. Manchmal kam ihm das alles so unwirklich vor, dass er glaubte, er würde das alles nur träumen.

»Lampenfieber?« Emily sah ihn mit leuchtenden Augen an. Sie schien direkt in ihn hineinzusehen. »Ich könnte es verstehen, ich bin auch ganz schön aufgeregt.«

»Bis runter in meine Unterhose«, murmelte Tim.

Seine kleine Schwester verzog das Gesicht. »So genau wollte ich jetzt es auch nicht wissen.«

»Du hast gefragt.«

Zwei Monate lagen die Ereignisse nun zurück, doch noch immer geisterten Erinnerungsbruchstücke durch sein Gehirn. Es kam ihm vor, als wäre all das erst gestern geschehen. Ob die Bilder jemals verblassen würden?

Dad wuschelte ihm über den Kopf. »Mach dir keine Gedanken. Ist doch ganz normal, wenn man vor so etwas aufgeregt ist. Wer kann schon behaupten, jemals in einer Samstagabendshow aufgetreten zu sein? Und dann noch als Gast von Carmen Silber. Mom wäre stolz auf dich. Vielleicht ist sie jetzt irgendwo dort oben und sieht dir zu.« Er bemühte sich, fröhlich zu erschienen, doch Tim sah die Traurigkeit hinter dem Lächeln.

Mom war vor über einem Jahr gestorben. Leukämie. Es war ziemlich schnell gegangen. An sie zu denken, fiel Tim immer noch schwer. Es gab Wunden, die brauchte man nur anzusehen, dann taten sie wieder weh. Dass Dad jetzt ausgerechnet damit anfangen musste, war wirklich nicht hilfreich. Tim strich sich die Haare aus dem Gesicht.

Es gab Menschen, die glaubten an ein Leben nach dem Tod. Viele sogar. Emily beispielsweise hatte sich eine Welt zurechtgezimmert, in der niemand starb. Weder Mom noch Muckel, das Meerschweinchen. Ja, nicht einmal der kleine Vogel, der neulich gegen ihre Scheibe geflogen war und sich dabei das Genick gebrochen hatte. Sie alle lebten weiter in einer zuckersüßen Welt aus Gummidrops und Kinderliedern.

Wenn Tim an Mom dachte, war da nur Traurigkeit. Und das Gefühl, ihr etwas schuldig zu sein. Hol dir die Sterne vom Himmel, hatte sie ihm zum Abschied gesagt und verdammt noch mal, das würde er tun.

»Mein Bruder, der Promi«, summte Emily hinter dem Chauffeur, den Rücken in Fahrtrichtung. »Wer hätte das gedacht? Ich habe allen in meiner Schule gesagt, dass sie heute Abend einschalten sollen. Das wird ein Riesending.«

»Könntest du bitte mal aufhören«, murmelte Tim genervt. Seine Hände waren schweißnass. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

»Du hast nur Schiss, das ist alles«, fuhr Emily fort. »Dabei gibt es überhaupt keinen Grund. Du bist schließlich nicht allein. Annika wird auch dort sein.« Sie zwinkerte ihm zu.

»Deine Schwester hat recht«, sagte Dad. »Ich wette, die anderen sind genauso aufgeregt wie du. Kopf hoch. Das wird schon.«

»Ja, vermutlich …« Tim versuchte, sich zusammenzureißen.

In nicht mal einer Stunde würde er auf der Bühne stehen. Sichtbar für Millionen von Menschen, die live die große Carmen-Silber-Show verfolgten. Dass seine Mitstreiter ebenfalls Lampenfieber haben könnten, tröstete ihn nur bedingt.

»Ich habe übrigens vorhin noch mit Annikas Eltern telefoniert«, sagte Dad. »War ein sehr interessantes Gespräch.«

»Ach ja …?«

»Sie haben den Vertrag ihrem Anwalt gegeben und der hat sich das mal genauer angesehen. Juristischer Alptraum waren, glaube ich, die Worte, die er benutzt hat. Er erzählte etwas von Ausschlussklauseln, Haftungsbeschränkungen und anderen Risiken. Sein Ratschlag lautete: auf keinen Fall unterschreiben. Und ich bin geneigt, ihm zuzustimmen …«

»Laaangweilig!«, rief Emily von gegenüber. »Tim wird das Spiel gewinnen und niemand kann ihn davon abhalten. Ist es nicht so, Tim?«

»Wenn du das so siehst …«

»Klar sehe ich das so. Du wirst dir den Preis holen, du hast es mir versprochen. Du und ich auf den Mond, das wird sooo cool …«

»Ich habe dir versprochen, dass ich mich bemühen werde. Nicht mehr und nicht weniger.«

»Das reicht schon. Du bist der Beste, das weiß doch jeder.«

Tim musste grinsen. Emily schaffte es immer wieder, ihn aus einem Stimmungstief herauszuholen. Eben noch hatte er sich gewünscht, weit weg zu sein und die ganze Sache zu vergessen, jetzt freute er sich schon wieder auf den Abend. Tapfere, kleine Schwester. In diesem Moment drehte sich der Fahrer zu ihnen um. »Wenn ich kurz unterbrechen dürfte? Ich wollte Sie informieren, dass wir bald da sind. Die Festhalle ist gleich dort drüben.«

Alle reckten ihre Hälse.

Tim bemerkte, dass vor ihnen eine weitere Limousine fuhr. Ebenfalls schwarz und ebenfalls mit dunkel getönten Scheiben. Wer wohl dadrin sitzen mochte? Vielleicht Annika. Er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen.

Sie hatten ganz bewusst den Kontakt gemieden, um den Medien kein Futter zu liefern. Tratsch und Klatsch gab es schon genug, da musste man nicht zusätzlich Öl ins Feuer kippen. Abgesehen davon hatte Jeremy Tims Vorschlag, sie könnten sich ja mal treffen und als Team zusammen trainieren, schlichtweg abgebügelt. Nicht nötig, hatte die Antwort auf Tims E-Mails gelautet. Wir kriegen das schon gerockt, wenn ihr nur tut, was ich sage. Na prima. Da Annika ebenfalls keinen Wert auf Teamplay zu legen schien, hatte er weiter mit Farid trainiert. Der stand wenigstens an seiner Seite, auf ihn war Verlass.

Heute würden endlich wieder alle zusammentreffen. Der Gedanke an Jeremy und Darius, diese beiden Ekelpakete, trübte Tims Stimmung. Wie sollte das mit denen funktionieren? Er bezweifelte, dass sie auch nur die erste Runde überstehen würden. Aber momentan war selbst das egal. Es gab genug anderes, um das er sich Gedanken machen musste.

Die Lanxess-Arena war prachtvoll angestrahlt. Scheinwerfer erhellten den Himmel mit Säulen aus purem Licht. Wenn er aus dem Rückfenster blickte, sah er den Kölner Dom, der heute ebenfalls heller zu strahlen schien. Vielleicht lag es ja an dem Mond, der wie ein dicker Silbertaler über den zwei Kirchturmspitzen prangte.

Vor dem Haupteingang der Festhalle waren Palmen aufgestellt worden. Ein roter Teppich wies ihnen den Weg ins Innere. Eine riesige Menschenmenge drängelte sich auf dem Vorplatz und erwartete die Ankunft der Stars.

Beim Anblick der vielen Schaulustigen rutschte Tim das Herz in die Hose. Der Sender hatte sich das Event etwas kosten lassen. Während der letzten Wochen war überall Werbung zu sehen gewesen. In allen Kanälen und auf allen Plakatwänden. Welcome to the Greatest Show on Earth, stand dort zu lesen – der offizielle Slogan der GlobalGames-Weltmeisterschaft.

Glaubte man Medienberichten, dann waren Tim und seine Mitstreiter Teil von etwas, das es in dieser Form noch nicht gegeben hatte. Etwas Großem. Größer als die Ernennung des Papstes. Größer sogar als die letzte Fußballweltmeisterschaft und Olympiade zusammen.

Tim versuchte, die Gedanken daran auszublenden. In wenigen Momenten musste er das schützende Wageninnere verlassen und hinaustreten in die Öffentlichkeit. Dann gab es kein Zurück mehr.

Er zupfte an sich herum. Irgendetwas zwickte ihn unterm Arm. Er war es nicht gewohnt, ein weißes Hemd und ein Jackett zu tragen. Die Hose hatte eine Bügelfalte und die glänzenden Lederschuhe mit dem glatten Profil waren so rutschig, dass er glaubte, über einen zugefrorenen Teich zu laufen.

Die Limousine vor ihnen bremste ab und hielt dann am roten Teppich. Türen gingen auf, Menschen stiegen aus. Im Blitzlichtgewitter war nicht zu erkennen, um wen es sich handelte. Schien ein Mädchen zu sein. Annika? Tim hätte es beim besten Willen nicht sagen können. Sicherheitsleute umringten sie, versperrten ihm die Sicht. Er sah noch, wie sie den Arm hob und in Richtung Presse winkte, dann verschwand sie im Inneren des Gebäudes. Die Limousine fuhr weiter.

Dann waren sie dran.

Der Fahrer rollte im Schritttempo auf den roten Teppich zu, bremste und stieg aus. Mit einem Lächeln öffnete er ihnen die Türen. Dad und Emily auf der Rückseite, Tim auf der Vorderseite. »Ich drücke dir die Daumen, Junge«, sagte der Fahrer und half ihm. »Du wirst das schon hinbekommen. Showtime.«

Das Blitzlichtgewitter blendete Tim, ließ ihn für einen kurzen Moment orientierungslos auf dem roten Teppich stehen. Überall waren Reporter. Er hörte Stimmen auf sich einprasseln:

»Sieh mal hier rüber, Tim.«

»Wie fühlst du dich? Bist du stolz, dein Land zu vertreten?«

»Dein Vater und deine Schwester müssen bestimmt mächtig stolz auf dich sein.«

»Wie bist du Runner geworden?«

»Bist du schon mal unerlaubt irgendwo reingeklettert?«

»Seid du und Annika ein Paar?«

Zu viele Fragen, zu viele Blitzlichter. Tim war so verwirrt, dass er nicht mal eine Frage beantworten konnte. Schon wurde er von einer Gruppe von Sicherheitsleuten umringt, die ihn, Emily und Dad Richtung Eingang trieben. Es blieb nur die Zeit, den Kameraleuten kurz zuzuwinken, dann waren sie auch schon drin.

Durch weiß gestrichene Gänge ging es im Eiltempo in den hinteren Teil des Gebäudes, wo Tim zwei Angestellte des Senders sah, die sie empfingen.

»Hallo, ich bin Randolph, persönlicher Assistent von Carmen Silber.« Der junge Mann schleuderte ihnen ein Zahnpastalächeln entgegen. »Das hier ist meine Kollegin Corinna. Wir haben die große Ehre, euch willkommen zu heißen. Geht es euch gut, hattet ihr eine schöne Fahrt?«

»Das Auto war so cool«, grätschte Emily rein, ehe Tim etwas erwidern konnte. »Bin noch nie mit so einer Riesenkiste gefahren. Da gab’s sogar kalte Getränke und einen Fernseher.«

»Freut mich, dass es dir gefallen hat«, erwiderte Corinna.

»Carmen Silber lässt es sich nicht nehmen, jeden ihrer Gäste mit einer Luxuslimousine abholen zu lassen. Es soll euch an nichts fehlen.«

»Wie viele Zuschauer erwarten Sie denn heute Abend?« Dad hatte vor Aufregung ganz rote Ohren.

»Die Arena ist für zwanzigtausend Menschen ausgelegt. Wir sind bis auf den letzten Platz ausgebucht«, sagte Randolph mit stolzgeschwellter Brust. »Leider haben wir einen sehr engen Zeitplan. Corinna wird Sie und Ihre Tochter jetzt in die Festhalle begleiten, Tim kommt mit mir. Ich führe dich in die Garderobe und in die Maske. Dort bekommst du dann dein Mikrofon.«

»Wann ist Tim dran?«, fragte Emily.

Randolph blickte auf die Uhr. »Die Show fängt in einer Viertelstunde an. Tim und die anderen werden aber erst in einer Stunde zu sehen sein. Sie sind ja der Höhepunkt. Danach gibt es noch eine große After-Show-Party. Alles klar so weit?«

»Ja …«

»Prima, dann los. Viel Spaß bei der Show.«

Tim folgte Randolph in einen großen Raum mit lauter Spiegeln und Lichtern. Hier sah es aus wie bei einem Edelfriseur. »Das ist unsere Maske«, erläuterte ihm der Assistent. »Hier werdet ihr abgepudert, frisiert und gestylt. Du willst doch nicht glänzen wie eine Speckschwarte, oder?« Er grinste. »Du bist übrigens nicht der Erste. Da drüben sind bereits ein paar deiner Mitstreiter. Geh ruhig zu ihnen rüber und begrüße sie. Wir holen euch dann nachher ab.«

Tim hatte darauf gehofft, Annika und Malte zu sehen, wurde aber enttäuscht.

Es waren Jeremy, Darius und Vanessa. Ausgerechnet!

Vanessa steckte in einem knallengen neongrünen Kleid, das kaum Luft zum Atmen bot. Jeremy trug einen pechschwarzen Anzug mit Fliege und Einstecktuch. Darius hingegen machte einen auf Edelrapper. Der Trainingsanzug glänzte, als wäre er mit Lack überzogen. Um seinen Hals trug er eine schwere Goldkette und die mit Pailletten besetzte Baseballkappe war einfach nur peinlich.

Während Vanessa noch stand, fläzten sich die zwei Jungs breitbeinig in den roten Plüschsesseln und blickend grinsend zu Tim herüber. »Na, wenn das nicht der Feldmann ist.« Jeremy grinste breit. »Welcome to the show, Runner.«

»Hallo.« Tim hielt Ausschau nach einer Sitzgelegenheit, die möglichst weit von den dreien entfernt war. Doch es gab nichts. Der einzige freie Sessel stand direkt zwischen ihnen. Jeremy klopfte darauf. »Komm, hock dich hin. Wir beißen schon nicht. Was für ein Abend, he? Haben sie dir auch so eine Luxuskarosse geschickt? Nicht schlecht, oder? Also, gemessen an deutschen Standards, meine ich. In den USA wäre das natürlich alles noch mal eine Nummer größer.« Er griff in die Schale mit Erdnüssen und ließ eine davon genüsslich zwischen den Zähnen zerknacken.

»Stimmt«, grunzte Darius. »Die hatten nicht mal eine Playstation an Bord.«

»Und keine Models«, ergänzte Jeremy. »Eine Stretchlimo ohne Models, das ist doch wie Nike ohne Air.«

»Aha …« Tim blickte zu Vanessa hinüber. »Willst du dich nicht setzen?«

Sie zog ihr Kleid glatt. »Liebend gerne, ich habe bloß Angst, dass eine Naht reißt. Ich trage das Kleid heute zum ersten Mal.« Sie nahm dann aber doch zögernd Platz und sah ihn erwartungsvoll an. Tim musste gestehen, dass sie fantastisch aussah, doch er hatte sich fest vorgenommen, dass die drei ihn nicht aus der Reserve locken würden.

»Und, was hast du so getrieben?« Jeremy musterte ihn unter seinen perfekt gezupften Augenbrauen. »Fleißig fürs Event gelernt?«

»Was denn gelernt?«

»Na Rätsel lösen, Codes knacken, Symbole entschlüsseln, das ganze Zeug. Alter, wir müssen bei diesem Event fit sein. Nicht nur körperlich, sondern vor allem hier.« Er tippte an seine Schläfe. »Grips ist das eine, Muskeln das andere. Darius und ich haben beides.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Mein Vater hat eigens ein Büro angemietet, in dem Leute arbeiten, die nichts weiter tun, als Rätsel zu lösen. Brainstorming von morgens bis abends. Ein echter Thinktank. Inzwischen dürfte es kaum noch ein Rätsel geben, das ich nicht kenne. Wie gesagt: Vorbereitung ist alles.«

Tim bezweifelte, dass es mit Auswendiglernen getan war. Er bezweifelte auch, dass die Spieleveranstalter die üblichen Rätsel einsetzen würden. Er verließ sich da lieber auf sein Gespür und seine Erfahrung. Die hatten ihm in der Vergangenheit gute Dienste geleistet.

Zum Glück kamen in diesem Augenblick Malte und Annika und erlösten Tim aus dem peinlichen Gespräch. Gut sahen die beiden aus. Malte hatte, wie Tim, ein Jackett angezogen. Es war ungewohnt, ihn in so einem edlen Outfit zu sehen. Annika trug eine einfache Jeans, ein Bandshirt mit der Aufschrift Stormbringer und eine Lederjacke. Beim Betrachten ihres Outfit ärgerte sich Tim, dass er den Anweisungen seines Vaters entsprochen hatte. Viel lieber wäre er auch so locker und cool dahergekommen und nicht in diesen Anzug gepresst, der ihn wie einen dressierten Affen aussehen ließ. Doch Annika schien er zu gefallen.

»Schick «, sagte sie und umarmte ihn mit geröteten Wangen. »Siehst aus wie James Bond«, flüsterte sie, als sie sich wieder trennten.

Jetzt fühlte er, wie ihm ebenfalls die Röte ins Gesicht stieg. »Du aber auch«, sagte er und fügte hastig hinzu: »Also, schick, meine ich. Nicht wie James Bond. Du weißt schon, äh …« Er räusperte sich. »Gute Fahrt gehabt?«

»Ja, es war der Wahnsinn. Die halbe Stadt hat sich nach uns umgedreht. Am Rudolfplatz habe ich kurz die Scheibe runtergekurbelt und prompt kamen ein paar Mädchen herbeigelaufen und wollten Autogramme. Das war total irre.«

Er wollte etwas Schlagfertiges erwidern, doch in diesem Moment ging die Tür auf. Carmen Silber, umschwärmt von einem Stab von Beratern und Assistenten, betrat den Raum. Sie war eine beeindruckende Erscheinung. Groß, glamourös und strahlend. Sie überragte Tim um beinahe einen halben Kopf. Manche behaupteten, sie wäre früher mal ein Mann gewesen, doch das hatte nie bestätigt werden können. Es blieb ein Gerücht und letztlich war es auch völlig egal. Tim konnte sich jedenfalls nicht erinnern, jemals einer so überwältigenden Persönlichkeit begegnet zu sein. Die Luft um diese Frau war mit Energie aufgeladen. Ihr Kleid schien aus Abertausenden von Fischschuppen zu bestehen, die das Licht mit jedem Schritt auf eine andere Weise reflektierten.

»Da sind ja meine Helden!«, rief sie mit weit ausgebreiteten Armen. »Wie schön, euch endlich persönlich zu begegnen. Ich wollte meine Show nicht beginnen, ohne euch vorher Hallo gesagt zu haben.« Sie reichte jedem von ihnen die Hand. Als Tim in ihre Augen blickte, hatte er den Eindruck, in zwei klare Bergseen einzutauchen. Waren das Kontaktlinsen?

»Wunderbar, wunderbar«, fuhr sie fort, nachdem sie alle begrüßt hatte. »Ich freue mich darauf, euch nachher auf der Bühne zu sehen. Zusammen werden wir den Zuschauern eine tolle Show bieten, meint ihr nicht? Lasst euch noch ein bisschen aufhübschen, Kinder, und dann sehen wir uns gleich. Ciao!« Mit diesen Worten rauschte sie ab, ihre Berater und Assistenten wie einen Schwarm Clownsfische hinter sich herziehend.

Friseure und Visagisten betraten den Raum und führten jeden von ihnen an seinen Platz vor dem Schminkspiegel. Puderquasten wurden ausgepackt, Nagelfeilen und Kämme, dann ging es los mit den letzten Vorbereitungen.

Tim atmete tief durch. Er musste seinen Puls unter Kontrolle bringen, ansonsten würde er den Abend nicht überleben.

WorldRunner (2). Die Gejagten

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