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2. Freie Heilberufe: Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Tierärzte, Psychotherapeuten

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Der Begriff des Heilberufs ist gesetzlich nicht definiert. Bei der Auslegung des Kompetenztitels in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zieht das BVerfG das Heilpraktikergesetz mit seiner Begriffsbestimmung der „Heilkunde“ aus dem Jahr 1939 heran, verweist im Übrigen jedoch auch auf den historischen Zusammenhang in der deutschen Gesetzgebung, wobei den Merkmalen des „Traditionellen“ und „Herkömmlichen“ besondere Bedeutung zukomme.[25] Im Rückblick führt der Weg zur eigenen Profession über die nichtärztlichen Heilpersonen des Mittelalters mit Beginn des 19. Jahrhunderts zu den Heilberufen der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Tierärzte und mit Ende des 20. Jahrhunderts zu den (Psychologischen) Psychotherapeuten (und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit akademischer Ausbildung). Dabei bezeichnete sich der gelehrte Mediziner im 15. Jahrhundert als Doktor. Seit dem 16. Jahrhundert kennen wir die Berufsbezeichnung Arzt.[26]

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Berufsbezeichnungen setzen im Bereich der Gesundheitsberufe staatlich geprüfte Berufsqualifikation voraus.[27] Bereits die Konstitutionen Friedrich II. für das Königreich Sizilien enthielten Verbote, unter der Berufsbezeichnung „Arzt“ den Heilberuf ohne schriftliche Zeugnisse auszuüben.[28] Selbst als 1869 die Kurierfreiheit in der Heilkunde (mit Ausnahme der Apotheker) eingeführt wurde, verlangte § 29 der Preußischen Gewerbeordnung – ab 1872 auch im Deutschen Reich – für „diejenigen Personen, welche sich als Ärzte (Wundärzte, Augenärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Tierärzte) oder mit gleichbedeutenden Titeln bezeichnen oder seitens des Staates oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden sollen“, einen Befähigungsnachweis für die Approbation.[29] Dennoch wurden z.B. Zahnbehandlungen sowohl von approbierten Ärzten und Zahnärzten wie auch von nicht approbierten Zahntechnikern und Zahnkünstlern, auch von Badern und Barbieren ausgeführt.

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Die Reichsärzteordnung vom 13.12.1935[30] setzte die „Bestallung als Arzt“ für die Ausübung der ärztlichen Heilkunde voraus;[31] damit wurde die Herauslösung der Ärzte aus der Gewerbeordnung vollzogen.[32] Gleiches regelte die Reichstierärzteordnung (3.4.1936). Der Parlamentarische Rat hat bei der Verabschiedung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland die Befugnis zum Führen einer Berufsbezeichnung zumindest unter bestimmten Voraussetzungen als Zulassungsregelungen verstanden.[33] Dem folgend nannte die Bundesärzteordnung[34] vom 2.10.1961 wieder die Approbation als Voraussetzung für die ärztliche Berufsausübung. Dies ist auch als Ausdruck staatlichen Bemühens um Qualitätssicherung zu verstehen.[35]

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Wichtig

Arzt, Zahnarzt, Apotheker, Tierarzt und Psychotherapeut sind Berufsbezeichnungen; wer diese Berufe ausübt, bedarf grundsätzlich einer staatlichen Approbation.[36]

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Voraussetzung für die Erteilung der Approbation ist ein akademisches Studium, das mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen wird. Die berufsrechtlichen Zulassungsregelungen werden ergänzt und erweitert durch die europäische Richtlinie zur Berufsanerkennung.[37] Sie regelt auch die Ausbildungsanforderungen für den Arztberuf. Die Europäische Kommission hat bei der Änderung dieser Richtlinie im Jahr 2013 bekräftigt, die Anforderungen an das Niveau der ärztlichen Grundausbildung nicht senken zu wollen.[38]

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Der Facharzt ist kein eigenständiger Beruf; die Regelung der ärztlichen Weiterbildung nach Erteilung der Approbation und damit die gesamte Regelung des Facharztwesens gehört in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder,[39] die dabei das europäische Gemeinschaftsrecht zu beachten haben.[40]

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Der ärztliche Beruf ist in seinen Grundzügen ein freier Beruf.[41] Dennoch wird die Frage gestellt, ob und inwieweit die konkrete Ausübung eines Heilberufs noch den Definitionsmerkmalen des Freien Berufs entspricht.[42] Dies gilt bezogen auf einzelne Berufsgruppen, so z.B. für den Apotheker, der als Selbstständiger zugleich Gewerbetreibender wie Kaufmann ist. Hier überwiegen nach herrschender Meinung „Züge eines freien Berufes“;[43] er wird in seiner Berufsausübung sowohl durch freiberuflich-wissenschaftliche wie durch kaufmännische Merkmale geprägt.[44] Dabei ist zwischen der traditionell dem Wirtschaftsbereich zugerechneten, dem Arzneimittelverkehr dienenden Betriebsstätte, der Apotheke, und dem in ihr nicht ausschließlich kaufmännisch, sondern eigenverantwortlich und qualifiziert tätigen Apotheker zu unterscheiden. Ebenso wird beim Vertrags(zahn)arzt die Diskussion über abgängige und verbliebene Attribute der Freiberuflichkeit geführt, hier insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden „Überlappung“ des Berufsrechts durch das Sozialversicherungsrecht.[45] Er übt nach überwiegender Ansicht (noch) einen Freien Beruf aus.[46] Nach der Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 29.3.2012 zur Strafbarkeit von Ärzten bei Korruptionsdelikten ist auch geklärt, dass Vertragsärzte und -zahnärzte weder Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB noch Beauftragte der Krankenkassen im Sinne von § 299 StGB sind.[47] Zu erkennen ist jedoch, dass die Kriterien der Freiberuflichkeit bei Leistungsträgern im System der gesetzlichen Krankenversicherung, hier auch durch die Rechtsprechung der Sozialgerichte,[48] zunehmend in Frage gestellt werden.[49]

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„Von Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit kann bei Vertragsärzten dagegen zwar noch im haftungsrechtlichen Sinne, kaum mehr jedoch im Kernbereich ihrer Tätigkeit, der freien Therapiewahl, gesprochen werden“ (Günter Hirsch). Einschränkungen bei der Zulassung oder etwa Honorarkürzungen werden durch den Gemeinwohlbelang der Finanzierbarkeit des Sozialversicherungssystems legitimiert,[50] „von dem sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Systems und bei der damit verbundenen Steuerung des Verhaltens der Leistungserbringer leiten lassen darf.“[51] Legitime Gemeinwohlgründe von überragender Bedeutung stehen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber auch bei der Ausgestaltung des Berufsrechts der ärztlichen Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zur Seite.

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Dabei hat das Merkmal der wirtschaftlichen Selbstständigkeit gegenüber Begriffen wie „Eigenständigkeit“ und „Therapiefreiheit“ als Definitionskriterium des freien Heilberufs an Bedeutung verloren;[52] problematisch wird dies dort, wo das „Definitionsmonopol“ (Hörnemann) der Heilberufe für ihr Handlungsgebiet durch den Gesetzgeber und die von ihm geschaffenen Institutionen immer stärker eingeschränkt wird.

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