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II. Idee der Selbstverwaltung

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Ideengeschichtlich wird der Selbstverwaltungsgedanke der Korporationslehre zugeordnet.[8] Friedrich Hegel (1770–1831) spricht von „Korporationen . . . der Gemeinden und sonstiger Gewerbe und Stände“[9] als Quelle der Loyalität, Identifikationsbereitschaft und Solidarität gegenüber dem staatlichen Gemeinwesen. Der Gedanke beratender Berufsvertretungen findet sich auch in der katholischen Sozialphilosophie (Franz von Baader, Peter Reichensperger, Simonde de Sismondi).[10]

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Andere sehen im germanisch-mittelalterlichen Gedanken der Herrschaft des Rechts die Grundlage ständischer Verfassungen[11] und in der aufklärerischen Theorie des Gesellschaftsvertrags (Jean Jacques Rousseau – „du contrat social ou principes du droit politique“, 1762) eine Fortsetzung der Linie des ständischen Rechtsstaates.[12] Lorenz von Stein (1815–1890) entwickelte diesen durch bisweilen „artifizielle Begriffs- und Systembildung“[13] geprägten Gedanken weiter und forderte die Teilhabe des Volkes auch an der (monarchischen) Verwaltung als vollziehende Gewalt.[14] Dabei bezog sich vom Stein nicht allein auf die staatliche Verwaltung; sein Begriff der „freien Verwaltung“ bezieht Selbstverwaltung und Vereinswesen mit ein, soweit darin allgemeine Belange und nicht Einzelinteressen verfolgt werden.[15] Diese Selbstverwaltung repräsentiert die Interessen der von ihr Vertretenen personell durch „Räthe“, aber auch durch Sachverständigen-Gutachten und Anhörung von Experten und Betroffenen.

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Rudolf von Gneist (1816–1895) dachte aufgrund unterschiedlicher Verteilung des Besitzes nicht an Selbstregulierung zur Überwindung von Interessengegensätzen in der Gesellschaft, wohl aber – stark geprägt vom Gedanken des selfgovernments – an eine den politischen Rechten folgende öffentliche Pflicht zum „Mitthun in der Ausführung der Gesetze“.[16] Die Übernahme dieser Dienstpflicht gegenüber dem Staat[17] sollte auch der Charakterbildung dienen.[18] Die Auffassung von Gneists fand Kritik, insoweit sie nur die „unteren Stufen des öffentlichen Lebens in Gemeinde, Kreis, Provinz“ betreffen sollte und damit zur „praktisch recht bescheidenen Ergänzung des Obrigkeitsstaates, zur politisch ziemlich harmlosen Abfindung des liberalen Freiheitsstrebens“ mutierte.[19]

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Otto von Gierke (1841–1921) diente der Genossenschaftsgedanke als organisatorisches Grundprinzip[20], die Teilnahme des Einzelnen bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben in Gemeinden, Kirchen und freien, z.B. kaufmännischen Korporationen und Aktiengesellschaften einzufordern. Für ihn war Selbstverwaltung „thätige bürgerliche Freiheit“.[21] Die rechtsdogmatische Konstruktion der Selbstverwaltungslehre[22] übernahmen Paul Laband (1838–1918) und Heinrich Rosin (1855–1927); letzterer vollzog die Trennung zwischen der Selbstverwaltung im juristischen und der Selbstverwaltung im politischen Sinne, wobei das partizipatorische Element nur vom politischen Selbstverwaltungsbegriff erfasst wurde.[23]

6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der SelbstverwaltungC. Selbstverwaltung › III. Staatsrechtlicher Begriff der Selbstverwaltung

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