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II. Risikoexternalisierung 1. Einführung

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Zu einer „Risikoexternalisierung“ kommt es, wenn ein Transaktionspartner die ursprünglich von ihm zu tragenden Risiken auf den anderen abwälzt.61 Nach der ökonomischen Literatur ist auch insoweit ein weites Verständnis zugrunde zu legen. Deshalb wird hier nicht danach unterschieden, ob ein Transaktionspartner bei ihm entstandene Risiken auf den anderen überträgt oder ob er dafür sorgt, dass durch den Vertrag Risiken bei dem anderen Transaktionspartner unmittelbar begründet oder erhöht werden. In jedem Fall handelt es sich um eine unfreiwillige Übernahme von Risiken außerhalb des vertraglich vereinbarten Gegenseitigkeitsverhältnisses. Derartige Risiken können innerhalb von Transaktionsketten an andere Marktteilnehmer weitergegeben werden.

Im Grundsatz ist zu unterstellen, dass die Transaktionspartner auftretende Risiken in ihrer Vertragsbeziehung antizipieren und bei der Bemessung der vertraglichen Gegenleistung eine Prämie für die Übernahme solcher Risiken einkalkulieren werden. Allerdings werden die Parteien einer Finanztransaktion regelmäßig nur Vorsorge für solche Risiken treffen, die sie selbst betreffen und die für sie vorhersehbar sind. Die Parteien werden mithin nur die nach allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise zu erwartenden Ereignisse in ihre vertragliche Regelung einbeziehen. Demgegenüber dürfte eine nach diesem Maßstab planwidrige Entwicklung im Zweifel außerhalb der vertraglichen Regelung liegen.62 Zur Externalisierung von Risiken dürfte es also vor allem dann kommen, wenn die vertragliche Risikoverteilung zwar aus der subjektiven Sicht der Transaktionspartner vollständig ist (subjektive Äquivalenz), aber die Risiken der Transaktion objektiv nicht allein zwischen den Transaktionspartner verteilt sind, sondern – unvorhergesehen – auch Dritte treffen (d.h., keine objektive Äquivalenz).63

Davon abgesehen kann eine Abwälzung von Risiken aber von vornherein auch das nicht offen gelegte Ziel eines Transaktionspartners gegenüber dem anderen (z.B. in Fällen des Insiderhandels oder des „Anschleichens“ an Übernahmeziele) oder sogar ein Grund für das kollusive Zusammenwirken mehrerer Marktteilnehmer zum Nachteil ihrer Vertragspartner aus verbundenen Transaktionen sein (z.B. bei manipulativen Ringgeschäften zum Nachteil Dritter – sog. circular trading).64 Ebenso kann ein Transaktionspartner nach Abschluss der Transaktion feststellen, dass er gefahrlos weitere Risiken eingehen kann, weil diese sich aufgrund der Ausgestaltung der Transaktion nicht bei ihm, sondern bei seinem Transaktionspartner oder woanders realisieren werden. Es mag ihm auch schlicht egal sein, wenn er solche Risiken eingeht. In diesen Fällen findet die Risikoabwälzung bewusst oder – mit Blick z.B. auf etwaige vertragliche Nebenpflichten – sorgfaltswidrig statt.65

Im Folgenden kann zumindest grundsätzlich vom Normalfall ausgegangen werden, dass die Transaktionspartner sich an Recht und Gesetz halten wollen. Bei einer derartigen Interessenlage ist anzunehmen, dass es zu planwidrigen Entwicklungen oder Sorgfaltspflichtverstößen insbesondere im Fall von komplexen Vertragsverhältnissen kommen kann. Die Wahrscheinlichkeit solcher Entwicklungen bzw. Verstöße kann sich weiter erhöhen, wenn es sich außerdem um Dauerschuldverhältnisse handelt, bei denen sich die vertraglichen Pflichten im Zeitverlauf verändern. Eine solche Situation besteht nicht zuletzt bei unverbrieften und verbrieften Kreditbeziehungen, aber auch bei davon abgeleiteten Vertragsbeziehungen (z.B. im Fall von Kreditderivaten).66

Eine Risikoexternalisierung kann nach dem Gesagten stattfinden, bevor oder nachdem die relevante Transaktion zwischen den Transaktionspartnern begründet worden ist. Im ersten Fall kann es zu einer Negativauslese (adverse selection) von Risiken kommen, die von einem Transaktionspartner ohne Gegenleistung auf den anderen abgewälzt und von diesem und unter Umständen auf weitere Marktteilnehmer übertragen werden. Im zweiten Fall können sich auf Seiten des erstgenannten Transaktionspartners so genannte moralische Risiken (moral hazard) verwirklichen, indem dieser nach der Begründung der Transaktion weitere Risiken ansammelt. In beiden Fällen wird das Risiko endgültig abgewälzt, ohne dass es also darauf ankommt, wie die Transaktion weiter abgewickelt wird.

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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