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G. Kapitalausfallderivate

I. Merkmale und Arten

Die hier so genannten Kapitalausfallderivate sind Finanzinstrumente, über die der Sicherungsnehmer Risiken aus einer Eigentums- oder Inhaberposition auf den Sicherungsgeber übertragen kann. Sie sind nicht mit den in Einzelfällen ähnlich bezeichneten Wertpapierderivaten (z.B. Equity-Swaps) oder gar mit Schuldumwandlungen (Debt-Equity Swaps – DES) zu verwechseln.354 Die hier relevanten Instrumente werden typischerweise als Sicherungsmittel gegen den Kursverfall einer Aktie eingesetzt. Am Markt werden sie nur von Spezialanbietern und deren Zweckgesellschaften angeboten.355

Kapitalausfallderivate bilden auf Eigenkapitalseite gewissermaßen das Gegenstück zu den Kreditderivaten auf Fremdkapitalseite. Sie sind den Kreditderivaten auch strukturell nachempfunden.356 Die Grundform bildet der Kapitalausfallswap (Equity Default Swap – EDS), bei dem der Sicherungsnehmer über eine Putoption das Recht erhält, den Referenzwert (z.B. Aktien) an den Sicherungsgeber zu den vertraglich definierten Bedingungen zu veräußern.357 Als Nebenbedingungen können beim Transfer von Unternehmensanteilen auch Managementpflichten übertragen werden. Damit ermöglicht es ein EDS letztlich, das gesamte Risiko aus der unternehmerischen Tätigkeit zu übertragen.358 Abgesehen von der zugunsten des Sicherungsnehmers bestehenden Putoption kann auch dem Sicherungsgeber eine Calloption auf Erwerb des Referenzwertes eingeräumt werden (doppelte Option).359 Als zusätzliche Erweiterung kann z.B. vereinbart werden, dass der Referenzwert gegen einen anderen Referenzwert oder eine Option auf den Erwerb eines anderen Rechts ausgetauscht wird (dreifache Option). Ebenso kann vereinbart werden, dass der Sicherungsnehmer den Referenzwert zurückkaufen kann (Repo-Option).360

Die Berechtigung zur Ausübung der Option wird durch einen Kursverfall im vertraglich definierten Umfang ausgelöst, typischerweise durch einen Verfall bis auf 30–40 % des Kurses bei Abschluss der Transaktion (trigger oder equity event).361 Ein Vorteil ergibt sich daraus, dass das auslösende Ereignis im Fall eines EDS marktbasiert und daher transparenter definiert ist als das Kreditereignis im Fall eines CDS. Dies ist allerdings auch notwendig, da anders als bei einem Kreditereignis kein Totalausfall erforderlich ist, um den Schutz über das Finanzinstrument auszulösen.362 Die zugunsten des jeweiligen Transaktionspartners vereinbarten Optionen verfallen, wenn sie nicht während ihrer Laufzeit (typischerweise fünf Jahre) ausgeübt werden oder wenn der Referenzwert untergeht.

In ähnlicher Weise wie CDS können auch EDS mit Anleihen verbunden werden (sog. Equity-Linked Notes – ELN). Sie können dann auch übertragbar sein. Die Option ist in diesem Fall aber nicht notwendig an einen starken Kursverfall geknüpft.363 Schließlich können auch EDS für Tranchierungsverbriefungen verwendet werden. Wenn hierfür ausschließlich EDS eingesetzt werden, spricht man von Equity Collateralized Obligations (ECO).

II. Wirtschaftliche Funktionen

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Funktionen, zu denen Kapitalausfallderivate dienen können, ist zwischen EDS und ELN zu unterscheiden. Die abzugrenzenden Equity-Swaps sind im Wesentlichen Anlageinstrumente. EDS haben dagegen, ebenso wie CDS, die Funktion, den Sicherungsnehmer gegen Ausfallrisiken zu schützen. Der Sicherungsnehmer ist bei EDS der Emittent des Referenzwerts (z.B. von Aktien). Damit ermöglichen EDS den Schutz des Unternehmensinhabers und – anders als CDS – nicht nur den Schutz seiner Gläubiger. Der Sicherungsnehmer bei EDS ist allerdings ein Kapitalnehmer (Aktienemittent) und nicht – wie bei CDS – ein Kapitalgeber (Kreditgeber). Andererseits dürfte der spekulative Abschluss von EDS-Kontrakten ohne ein tatsächlich zugrunde liegendes Unternehmensrisiko grundsätzlich ausscheiden, weil die Option zugunsten des Sicherungsnehmers von einem objektiv feststellbaren Marktwertverfall beim Referenzwert abhängt.

Aus Sicht des Sicherungsgebers haben EDS den Vorteil, dass sie eine Bündelung von Unternehmensrisiken und der Risiken, die mit dem Management von Unternehmenskrisen verbunden sind, erlauben. Allerdings handelt es sich dabei um relativ schwierig zu strukturierende Instrumente, da auszuschließen ist, dass der Sicherungsnehmer einen Marktwertverfall beim Referenzwert gezielt herbeiführt.

Die wirtschaftliche Funktion von ELN ist dagegen ähnlich wie bei CLN. Es handelt sich auch in diesem Fall um eine vom Sicherungsnehmer selbst emittierte Anleihe mit hineinstrukturiertem Ausfallschutz. Der Schutz bezieht sich bei ELN lediglich auf ein anderes – wenngleich ein am Markt objektiv feststellbares – Risiko (Kursverfall einer Aktie). ECO dürften ähnliche Funktionen wie SCDO erfüllen.364

III. Risiken beim Einsatz

Bei der Beurteilung der Risikostruktur von Transaktionen mit EDS und ELN ist ebenso wie bei CDS zwischen den Risiken im bilateralen Verhältnis und dem Beitrag der Transaktion zu potenziell makroökonomisch relevanten Risiken zu unterscheiden.

1. Risiken im bilateralen Verhältnis und Risikoexternalisierung

Im bilateralen Verhältnis ist es für die Risikoeinschätzung insbesondere von Bedeutung, inwiefern es zu einer Risikoabwälzung kommen kann, die bei Veränderungen gegenüber den bei Abschluss der Transaktion getroffenen Annahmen offengelegt wird. Insofern ist – ebenso wie bei Kreditderivaten (insb. CDS)365 – zwischen der Veränderung der Risiken aus dem Referenzwert (Basisrisiken) und den Risiken aus dem Derivatkontrakt als solchem (Strukturrisiken) zu unterscheiden.

Wenn der Referenzwert eine Aktie ist, besteht ein Basisrisiko bis zur Höhe des Aktienkurses. Mit dem Derivatkontrakt sind Strukturrisiken in Form von Ausfallrisiken verbunden, wobei erneut zwischen der Situation für den Sicherungsnehmer und der für den Sicherungsgeber zu unterscheiden ist. Für den Sicherungsnehmer ist mit dem Kontrakt ein Strukturrisiko dahingehend verbunden, dass der Sicherungsgeber den Referenzwert bei Ausübung der Option nicht gegen die vereinbarte Zahlung übernehmen kann (Ausfallrisiko). Dieses Risiko ist üblicherweise durch die Höhe des Aktienkurses bei Abschluss der Transaktion begrenzt. Ebenso wie bei anderen Derivaten kann dieses Risiko jedoch durch Hebelung erhöht werden, abhängig davon, wie die Zahlungspflicht des Sicherungsgebers ausgestaltet wird.366 Auf Seiten des Sicherungsgebers besteht ein Ausfallrisiko derart, dass der Sicherungsgeber möglicherweise die vereinbarte Optionsprämie nicht leistet. Bei ELN besteht wie bei CLN ein doppeltes Ausfallrisiko, nämlich aus der Anleihe sowie aus dem EDS. Hinzu tritt ein Marktrisiko bei am Markt gehandelten ELN.

Die Verknüpfung von Kapitalausfallderivaten mit börsengehandelten Finanzinstrumenten wie Aktien macht die Einschätzung der Strukturrisiken besonders komplex. Denn die Wahrscheinlichkeit, ob der mit dem Derivat verbundene Schutz ausgelöst wird, hängt zwar „nur“ von den Kursschwankungen der Aktie ab, die den Referenzwert bildet. Diese Kursschwankungen können aber von den Kursbewegungen anderer Aktien beeinflusst werden (Korrelationsrisiko).367 Zu weiteren Risikoverknüpfungen kann es etwa kommen, wenn EDS und CDS in derselben Transaktion nebeneinander eingesetzt werden, so z.B. wenn ein Kreditnehmer ELN und CLN parallel emittiert.368

Aufgrund der vorab schwer einschätzbaren Risikostruktur von Kapitalausfallderivaten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Risiken zum Nachteil des Sicherungsgebers externalisiert werden. So ist es insbesondere denkbar, dass der Sicherungsnehmer über einen EDS die Folgen späterer unternehmerischer Fehlentscheidungen abwälzt oder möglicherweise sogar einen Kursverfall bewusst herbeiführt (moralische Risiken). Derartige Risiken sind tendenziell bei ECO um so höher.

2. Hebelung und Risikoverkettung

Auch Kapitalausfallderivate (EDS ebenso wie ELN) sind Hebelprodukte. Das bedeutet, dass durch diese Produkte während ihrer Laufzeit bis zur vollständigen Abwicklung Risiken zum Nachteil von Investoren verkettet werden. Anders als CDS sind EDS-Kontrakte allerdings isoliert grundsätzlich nicht handelbar. Daher ist kaum zu erwarten, dass die vermittels EDS übertragenen Risiken im Rahmen einer Risikokette im Markt weitergereicht werden. Anders kann die Situation hingegen bei Anleihen mit hineinstrukturiertem EDS (ELN) sein; insofern dürfte ähnliches gelten wie bei CLN.369 Bei ECO gilt dasselbe hinsichtlich der von der Zweckgesellschaft emittierten und dann gehandelten synthetischen Anleihen.370

3. Auswirkungen auf das Gesamtrisiko

Die Auswirkungen des Geschäfts mit EDS-Produkten auf das Gesamtrisiko im Markt dürften gering sein. Bei EDS steht das Absicherungsinteresse des Sicherungsnehmers – anders als bei den handelbaren CDS – im Vordergrund. Zwar können einzelne Gegenparteien beim Abschluss von EDS-Kontrakten theoretisch auch spekulative Zwecke verfolgen. Allerdings sind die Produkte wegen ihrer atypischen Risikostruktur praktisch kaum verbreitet. Hinsichtlich ELN und ECO dürfte, soweit diese Instrumente heutzutage überhaupt vorkommen, Entsprechendes wie bei CLN und SCDO gelten.

354 Equity-Swaps sind eine Variante herkömmlicher Swapverträge, bei der die Gegenparteien zwei gegenläufige Zahlungsströme vereinbaren, wodurch der „Käufer“ des Swaps sich die Kurssteigerungsgewinne einer Aktie oder eines Aktienindizes ohne die zugehörigen Stimmrechte sichern kann (= Finanzanlage); dazu z.B. Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 111ff., 117ff. Beim debt-equity swap wird die Forderung eines Gläubigers gegenüber dem Schuldnerunternehmen in eine Beteiligung an diesem umgewandelt, es handelt sich also um kein Finanzinstrument; siehe Gramlich u.a., Gabler Bank-Lexikon (Fn. 7), Eintrag: Debt-Equity-Swap. 355 Der wirtschaftliche Erfolg wird als „gemischt“ bezeichnet; dazu siehe Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 649; Skorecki, Equity default swaps shunned, Financial Times vom 25. November 2004. 356 Pastari/Untenberger, Neue Strukturen und weiteres Wachstum von Kreditderivaten im genossenschaftlichen Sektor, 1. Aufl. 2008, S. 21; Kothari, Credit Derivatives and Structured Credit Trading, 1. Aufl. 2009, S. 151ff.; Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 649f. 357 Die vereinbarte Option ist im Wesentlichen eine amerikanische digitale Putoption, bei der der Ausübungspreis erheblich über dem Marktpreis liegt (deep out-of-the-money); Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 504. Zu exotischen Optionen siehe näher sogleich Abschn. K.I.2 (S. 119). 358 Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018. 359 Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018. 360 Siehe jeweils Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018. 361 So Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 650; abweichend Pastari/Untenberger (Fn. 356), S. 21 (Verfall bis auf 30 % des Kurses bei Abschluss). 362 Kothari (Fn. 356), S. 152. 363 Siehe Chance/Brooks (Fn. 189), S. 504; Chisholm (Fn. 195), S. 193ff. 364 Dazu siehe oben Abschn. F.V.2 (S. 103). 365 Siehe oben Abschn. F.II.3.a) (S. 90). 366 Anders Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018 (nicht überzeugend). 367 Cluley, The Rise of Equity Default Swaps, 4. April 2004; abrufbar: https://www.globalcapital.com/article/k65j30fh8fxs/the-rise-of-equity-default-swaps. 368 Zur möglichen Kombination von EDS und CDS siehe allgemein Cluley (Fn. 367). 369 Zu CLN siehe oben Abschn. F.IV.3.b) (S. 101). 370 Insofern dürfte weitgehend dasselbe wie bei SCDO gelten; siehe oben Abschn. F.V.3 (S. 104).

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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