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Der Hominid, der aus der Kälte kam

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Christian Bergmann und Joel Allen sind zwei Biologen des 19. Jahrhunderts (ein Deutscher und ein Amerikaner), die sich als Entdecker von zwei „Regeln“ verewigt haben, die etwas mit den Körperformen von Säugetieren zu tun haben. Die Bergmann’sche Regel besagt, dass bei Exemplaren derselben Spezies die Körpermasse mit dem Breitengrad zunimmt: Diejenigen, die in kalten Klimazonen angesiedelt sind, haben kompakte, massige Körper, und diejenigen in wärmeren Klimazonen weisen eine eher schlanke Körperform auf. Das ist ein ganz einfaches physikalisches Gesetz: Die ideale Form zum Zurückhalten von Wärme ist eine Kugel, denn sie hat die geringste Oberfläche im Vergleich zur Masse. Säugetiere sind endotherm, das bedeutet, sie erzeugen ihre eigene Körperwärme; daher können Personen, die einen eher kugelförmigen Körper haben, in kalten Klimazonen die Wärme besser speichern. Sie verbrauchen weniger Energie, um die Körpertemperatur zu halten, und in der Konsequenz ist ihre Reproduktionsrate höher. Und das ist mehr als Physik, das ist ganz einfach natürliche Selektion. Die Allen’sche Regel besagt, dass Säugetiere in kalten Klimazonen im Vergleich zur Torsolänge kürzere Gliedmaßen haben als solche, die in warmen Klimazonen leben. Weil Arme und Beine schmal und schlank sind, geben sie schneller Wärme ab als der Oberkörper, also verliert ein Körper mit kurzen Armen und Beinen weniger Wärme als einer mit langen Armen und Beinen. Der moderne Mensch entspricht beiden Regeln: Die Inuit im Norden Kanadas haben kurze, kompakte Körper mit relativ kurzen Armen, und die Einwohner des Sudan im tropischen Afrika sind groß und dünn mit relativ langen Armen und Beinen.

Auch für die Neandertaler galten diese Regeln. Sie entwickelten einen Körpertyp, der ideal ist zum Speichern von Wärme: relativ kurz und kompakt, mit kurzen Armen und Beinen. Diese Erklärung ist so überzeugend, dass Paläoanthropologen versucht haben, andere Eigenheiten der Neandertaler in sie zu integrieren – so hieß es, die Nase der Neandertaler hätte sich so entwickelt, weil sie dadurch besser kalte Luft erwärmen und befeuchten konnte. Neuere Untersuchungen jedoch weisen darauf hin, dass die ungewöhnlichen Gesichtszüge der Neandertaler wahrscheinlich eher auf das schwere Kauen zurückzuführen sind. Der aufmerksame Leser mag außerdem einwenden, dass gegen die Kälte-Theorie spricht, dass nur wenige moderne Europäer den Inuit ähneln. Tatsächlich weisen viele Nord- und Mitteleuropäer, z.B. die Niederländer, sogar einen eher tropischen Körpertyp auf. Noch wichtiger: In Europa ist es nicht besonders kalt, auf jeden Fall nicht so kalt wie in der Arktis. Warum also sollten die Neandertaler einen Körper gehabt haben, der dem der modernen Inuit ähnelte? Die Antwort ist ganz einfach: In Europa war es nicht immer so warm wie heute.

Denken wie ein Neandertaler

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