Читать книгу Nassbert, der Wannenwichtel - Thorsten Meier - Страница 6
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Kaperfahrt auf dem Nonnenbach
„Das ist aber ein kleines Boot“, sagte Tim, während er die Badewanne skeptisch musterte.
„Na ja, eigentlich badet meine Mutter meinen kleinen Bruder darin“, antwortete Tomte. „Aber sie ist gut geeignet. Du wirst schon sehen. Die Ränder sind so hoch, dass garantiert kein Wasser rüberkommt. Paddel habe ich uns auch mitgebracht.“ Stolz wies er auf zwei Zaunlatten.
Die Freunde hatten letztens zusammen einen Piratenfilm angeschaut und wollten jetzt eine Kaperfahrt auf dem Nonnenbach, einem kleinen und seichten Gewässer am Dorfrand, unternehmen. Dazu hatte Tomte sich die Badewanne seines kleinen Bruders ausgeliehen.
„Wir können es ja mal probieren. Wenn wir uns beide hinstellen, dann passen wir bestimmt rein“, stellte Tim fest.
So ließen die Jungen ihre Piratenwanne zu Wasser, wobei sie feststellten, dass der Stöpsel fehlte. Schnell zogen sie die Wanne wieder an Land.
„Das macht nichts. Ich setzte mich einfach auf das Loch, dann bin ich der Stöpsel und halte das Wasser ab“, wusste Tomte sich zu helfen, setzte sich kurzerhand hin und hielt die Zaunlatten griffbereit. „Du musst das Boot jetzt nur noch in den Bach schieben und schnell reinspringen.“
„Meinst du?“, fragte Tim und kratzte sich den Kopf. „Was ist, wenn du nicht dichthältst? Oder wenn ich nicht schnell genug springe?“
„Jetzt komm schon, wir sind Piraten und gehen auf große Kaperfahrt“, munterte Tomte seinen Freund auf. „Und unser Boot ist garantiert unkaputtbar.“ Also nahm Tim Anlauf und gab der Wanne einen beherzten Schubs. Die machte einen gewaltigen Hopser und landete ein Stück weit im Bach. Wieder kratzte sich Tim den Kopf. Wie sollte er jetzt in das Boot kommen, ohne nasse Füße zu bekommen? Das Wasser war bestimmt so tief, dass es ihm in die Gummistiefel laufen würde, wenn er zum Boot hinaus watete. Hilflos schaute er zu seinem Freund hinüber, der damit beschäftigt war, das schwankende Schiff auf Kurs zu bekommen.
„Warte, ich hole dich. Du kannst mir ja schon entgegenkommen.“ Tomte paddelte eifrig mit einer Zaunlatte. Mit einiger Mühe gelang es ihm tatsächlich, das Boot etwas näher ans Ufer zu manövrieren.
Tim, der vorsichtig ins Wasser gestiefelt war, bekam es zu packen und hielt sich am Rand fest. Jetzt musste er nur noch ins Boot hineingelangen. Er hob das Bein und versuchte, es über den Rand zu bekommen, was den Kahn gefährlich ins Schlingern brachte.
„Vorsicht, sonst kentern wir“, schrie Tomte, dann hatte er eine Idee. „Mann über Bord! Es wimmelt von Haien, wir müssen ihn retten, bevor er aufgefressen wird. Werft ihm den Rettungsring zu.“ Mit diesen Worten hielt er seinem Freund eine Zaunlatte hin, die Tim mit beiden Händen ergriff. Er schaute um sich. Tatsächlich schäumte das Wasser um ihn herum verdächtig weiß. Es schien von Haifischen nur so zu wimmeln.
„Hilfe, sie kreisen mich ein und Piranhas sind auch dabei“, rief er. „Schnell, zieh mich aufs Boot.“ Wieder versuchte er über den Rand zu gelangen, was das Boot gewaltig schlingern ließ. „Vorsicht, sie greifen uns an. Sie wollen unser Schiff versenken und uns alle fressen.“
„Ja genau, wir müssen sie verjagen.“ Tomte schlug mit einem Zaunlattenpaddel aufs Wasser. Tim ergriff mutig das andere Paddel uns tat es ihm gleich. Damit schienen die schrecklichen Ungeheuer nicht gerechnet zu haben, denn nach einiger Zeit war kein einziges mehr zu sehen.
Tomte ließ das Paddel sinken. „Wir haben sie besiegt“, strahlte er.
Tim nickte. „Dann kann ich jetzt in Ruhe einsteigen. Ich ziehe es nur noch etwas näher ans Ufer, damit das leichter geht.“ Er machte sich gleich daran und hatte das Boot bald ganz nah am Ufer. Von hier aus war alles einfach. Er brauchte nur einen großen Schritt zu machen und schon stand er mitten im Boot. „Das ist aber wackelig“, stellte er fest, während er versuchte, das Gleichgewicht zu halten.
„Stimmt“, bekräftigte sein Freund diese Feststellung. „Und übrigens bin ich untenrum ganz nass. Ich tauge wohl doch nicht so gut als Stöpsel.“ Er wies auf seine nasse Hose.
„Macht nix, obenrum bist du auch nass, weil du die Monsterfische bekämpft hast“, stellte Tim fest. „Vielleicht sollten wir die Plätze tauschen. Ich setzte mich auf das Loch und du stellst dich hin und hältst Ausschau nach feindlichen Schiffen, die wir kapern können.“
Tomte nickte zustimmen. „Oder nach noch anderen Monstern. Es gibt auch noch Seeschlangen. Die sind riesengroß. Das habe ich neulich in einem Buch gesehen.“ Er versuchte vorsichtig, sich hochzustemmen, ließ sich aber schnell wieder auf den Allerwertesten plumpsen, denn das Boot geriet gefährlich ins Schwanken, was Tim um ein Haar über Bord gehen ließ.
„Ich habe eine Idee“, schlug Tim vor. „Ich setzte mich erst mal hin, dann stehst du auf. Kannst du deine Beine noch mehr einziehen? Sonst habe ich keinen Platz.“ Er setzte seinen Gedanken gleich in die Tat um, fasste rechts und links fest an den Rand des Bootes und ließ sich vorsichtig in die Hocke sinken. Tomte zog die Beine an, so gut es ging.
„Mehr kann ich nicht“, japste er. „Setz dich jetzt hin. Auf drei stehe ich auf und du rutscht ganz schnell auf das Loch.“
Er holte tief Atem. „Fertig? Eins – zwei – drei ...“ Nun geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Tomte stand mit einem Ruck auf, Tim versuchte gleichzeitig, auf das Loch zu rutschen. Das Boot geriet in Schieflage und kippte um. Mit einem gewaltigen Platsch landeten die beiden Jungen im Wasser. Sie prusteten. Zum Glück war der Nonnenbach nicht breit und sie sowieso nicht weit vom Ufer entfernt. So waren sie ruck, zuck auf allen vieren aus dem Wasser gekrabbelt.
„Mist, jetzt ist unser Boot wohl gekentert“, stellte Tomte fest.
„Ich hab es dir ja gleich gesagt, es ist zu klein für uns beide“, sagte Tim, zog sich die Gummistiefel aus und kippte sie um, damit das Wasser aus ihnen herauslief. „Ich glaube wir sollten jetzt lieber nach Hause gehen, wir sind ganz schön nass geworden.“
„Stimmt.“ Tomte stiefelte noch einmal in den Nonnenbach und rettete das Badewannenboot. „Ich glaube wir gehen erst einmal in unsere Garage. Da können wir die Heizung anmachen und unsere Sachen trocknen. Die Wanne müssen wir auch noch sauber machen.“
Tim nickte ihm aufmunternd zu. „Klar, das machen wir. Nachher kriegst du noch Ärger, wenn deine Mutter deinen kleine Bruder baden will. Das nächste Mal probieren wir es mit einem größeren Boot, einem ohne Loch.“
„Ja, ein größeres Boot muss es schon sein“, stimmte ihm Tomte nachdenklich zu. „Aber wenn das doch ein Loch haben sollte, dann bringe ich meinen kleinen Bruder mit, damit er sich draufsetzt. Ich glaube, der ist als Stöpsel besser geeignet als ich.“
Angie Pfeiffer wurde in Gelsenkirchen geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann, vier Söhnen, zwei Dackeln und einer Katze im Münsterland.
Bisher hat sie vier Romane, ein Kinderbuch, achtzehn eBooks und zahlreiche Kurzgeschichten in Anthologien und Literaturzeitschriften sowie der Tagespresse veröffentlicht.