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4. Vollzug von Unionsrecht
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Von zunehmender Bedeutung ist der Vollzug unmittelbar geltenden oder umgesetzten Unionsrechts. Dabei gelten Verordnungen gemäß Art. 288 UAbs. 2 S. 2 AEUV unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Im Gegensatz dazu müssen Richtlinien gemäß Art. 288 UAbs. 3 AEUV grundsätzlich zunächst in innerstaatliches Recht umgesetzt werden (s.o. Rn 82). Im Regelfall wird das Unionsrecht ebenso wie das innerstaatliche Recht durch die Mitgliedstaaten vollzogen. Dieser indirekte Vollzug ist nicht nur der praktische Regelfall, sondern wegen der Grundsätze des Art. 5 EUV (s.o. Rn 52) auch rechtlich vorrangig gegenüber dem Direktvollzug durch die Stellen der Europäischen Union[65]. Aufgrund der innerstaatlichen Kompetenzverteilung (s.o. Rn 157) führt dies im Regelfall zur Zuständigkeit der Länder. Beim indirekten Vollzug des Unionsrechts haben die Stellen der Mitgliedstaaten den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber innerstaatlichem Recht, das Äquivalenzgebot und das Effektivitätsgebot sowie das Gebot unionsrechtskonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechts zu beachten (s.o. Rn 53)[66].
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Demgegenüber bildet der Direktvollzug durch die Stellen der Europäischen Union den praktischen und rechtlichen Ausnahmefall. Organe dieses Direktvollzugs sind neben der Kommission und den rechtlich ihr zugeordneten Stellen insbes. die Agenturen (s.o. Rn 155). In einigen Materien des Besonderen Verwaltungsrechts ist die Entscheidungsfindung derart komplex, dass am Vollzug sowohl Stellen der EU als auch innerstaatliche Stellen beteiligt sind. Der funktionell geeinte Vollzug des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche und unionale Stellen wird auch als Europäischer Verwaltungsverbund bezeichnet[67]. Dabei geht es – anders als beim grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung (s.o. Rn 156) – aber typischerweise um gestufte Verwaltungsentscheidungen. Anzutreffen sind solche Konstellationen regelmäßig noch nicht in den Standardvorlesungen des Allgemeinen und Besonderen Verwaltungsrechts, sondern erst in den späteren Schwerpunktbereichen insbes. des Umweltrechts und des öffentlichen Wirtschaftsrechts. Daher soll an dieser Stelle auf eine eingehendere Behandlung verzichtet werden.