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3. Die Rechtsnatur von Verkehrszeichen

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Rechtsprechung und Literatur hat jahrzehntelang die Lösung des Problems beschäftigt, welche Rechtsnatur Verkehrszeichen besitzen: entweder VA oder Rechtsverordnung[116]. Der Streit betraf nicht die Handzeichen der Polizisten oder Verkehrsregelungen durch Ampeln. Bei den Handzeichen der Polizisten – zB der Aufforderung, zwecks Durchführung der Verkehrskontrolle am Straßenrand zu halten – handelt es sich unzweideutig um Einzelfallregelungen: es sind bestimmte Verkehrsteilnehmer von der Aufforderung betroffen. Das Gleiche gilt für die sich einer Ampel nähernden Verkehrsteilnehmer: in der konkreten Situation sind sie bestimmbar.

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Ob von einer Bestimmbarkeit der Verkehrsteilnehmer auch bei Verkehrszeichen in Form der Verkehrsschilder, §§ 41, 43 StVO, gesprochen werden darf, ist hingegen fraglich: Es ist sachlich nur schwer vorstellbar, die Anzahl der Autofahrer zu bestimmen, die sich einem Verkehrszeichen nähern, welches dauerhaft zB die Fahrgeschwindigkeit regelt. Da zugleich eine unbestimmte Anzahl von Fällen erfasst wird (den jeweiligen Verkehrssituationen), handelt es sich der Sache nach eigentlich um abstrakt-generelle Regelungen und damit um Rechtsverordnungen.

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Die Einordnung als Rechtsverordnung würde jedoch zu großen Schwierigkeiten führen: Rechtsverordnungen ergehen in einem förmlichen Rechtssetzungsverfahren, woran es bei der Aufstellung von Verkehrsschildern in jedem Fall fehlt: Ihren Inhalt und ihren Aufstellungsort legt die Straßenverkehrsbehörde fest, ihre Aufstellung erfolgt durch den Träger der Straßenbaulast. Sind Verkehrszeichen sachlich eine Rechtsverordnung, so sind sie rechtswidrig als Folge eines Verfahrensfehlers: Es fehlt an der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt. Rechtswidrige Normen sind aber in der Regel nichtig und somit unbeachtlich. Damit würde nahezu die gesamte Verkehrsregelung in der Bundesrepublik hinfällig.

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Im Hinblick auf diese höchst problematischen Konsequenzen hat die Rechtsprechung bereits vor Erlass des VwVfG Verkehrszeichen als Allgemeinverfügungen und damit als VAe qualifiziert[117]. Dies hat zur Folge, dass die vereinfachten Bekanntmachungsanforderungen für VAe eingreifen (s.u. Rn 436 ff)[118] und dass Verkehrszeichen auch bei Rechtswidrigkeit grundsätzlich wirksam sind (s.u. Rn 542). Bekräftigt wird die Einordnung der Verkehrszeichen als VA durch die Entstehungsgeschichte des VwVfG[119]. Trotz der dargelegten dogmatischen Bedenken sollte daher aus pragmatischen Gründen der Rechtsprechung, die sich bis in jüngere Zeit bestätigt hat[120], gefolgt werden. Allerdings ist die zeitlich vorgeschaltete Anordnung der Anbringung eines Verkehrszeichens mangels Regelung kein VA[121].

Ausbildungsliteratur zu I.-III.:

Beaucamp, Verwaltungsrechtliche Fragen rund um das Verkehrszeichen, JA 2008, 612; Fehling, Der Verwaltungsakt – Begriff und Bedeutung, JA 1997, 482; Jakel, Der Verwaltungsakt im Sinne des § 42 I VwGO, JuS 2016, 410; Kahl, Der Verwaltungsakt – Begriff und Bedeutung, JURA 2001, 505; Kingler/Krebs, Die Zusicherung, JuS 2010, 1059; Marquardsen/Gerlach, Die Corona-Pandemie in der verwaltungsrechtlichen Prüfung, JA 2020, 721 (Teil I) und 801 (Teil II); Schaks/Friedrich, Verwaltungsaktbezogener Rechtsschutz: Die Zulässigkeitsprüfung, JuS 2018, 860; dies., Verwaltungsaktbezogener Rechtsschutz, Die Begründetheitsprüfung, JuS 2018, 954; Schoch, Die Allgemeinverfügung, JURA 2012, 26; Voßkuhle/Kaufhold, Der Verwaltungsakt, JuS 2011, 34; Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht: Rechtsschein eines Verwaltungsakts, JuS 2017, 805; Weidemann/Barthel, Rechtsschutz gegen Verkehrszeichen, JA 2014, 115.

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