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b) Die Positivliste nach § 44 Abs. 2 VwVfG

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Die absoluten Nichtigkeitsgründe sind in der Positivliste des § 44 Abs. 2 aufgeführt. Dieser Katalog ist abschließend. Eine denkbare analoge Anwendung eines Tatbestands scheidet aus, weil für nicht ausdrücklich erfasste Fälle die Generalklausel des § 44 Abs. 1 eingreift. Dieses gilt insbes. für die rechtliche Unmöglichkeit; der in diesem Falle notwendige Rückgriff auf die Generalklausel wird zu Recht als problematisch empfunden, weil deren Erfülltsein selten zu bejahen sein wird[4].

Beispiel:

Die Genehmigung unwirksamer Satzungen durch die Aufsichtsbehörde; die Genehmigung ist VA, dieser ist freilich „substratlos“[5].

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Fehlt bei einem schriftlichen oder elektronischen VA die erlassende Behörde, liegt gemäß § 44 Abs. 2 Nr 1 ein Fall absoluter Unbestimmtheit des VA nach § 37 Abs. 3 vor; der Adressat weiß nicht, zu welcher Behörde eine Rechtsbeziehung besteht und bei welcher Behörde er Rechtsmittel einlegen kann.

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Fehlt die gesetzlich vorgesehene Aushändigung einer Urkunde, ist der entsprechende VA gemäß § 44 Abs. 2 Nr 2 nichtig.

Beispiel:

§ 10 Abs. 2 S. 1 BBG; die Ernennung zum Beamten erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde.

Allerdings muss die Aushändigung der Urkunde nach der betreffenden Vorschrift konstitutiv sein. Daran fehlt es, wenn die Urkunde lediglich zu Beweis- oder Legitimationszwecken dient[6]. Die Nichtigkeit des VA entfällt ebenfalls, wenn in der Ernennungsurkunde der gesetzlich vorgeschriebene Wortlaut nicht eingehalten ist[7] oder wenn in einer Ernennungsurkunde eine abgeschaffte Amtsbezeichnung verwendet wird;

Beispiel:

„Ordentlicher Professor“ an Stelle von „Universitätsprofessor“.

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Handelt eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr 1 begründeten örtlichen Zuständigkeit (s.o. Rn 475 f), ist der VA gemäß § 44 Abs. 2 Nr 3 nichtig. Weitere Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit fallen hingegen unter die Negativliste nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 (s.u. Rn 556). Nicht von § 44 Abs. 2 Nr. 3 erfasst wird eine Verletzung der sachlichen Zuständigkeit; diese richtet sich nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1[8].

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Nichtig ist gemäß § 44 Abs. 2 Nr 4 ein VA, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Der Anwendungsbereich ist jedoch beschränkt auf die tatsächliche Unmöglichkeit. Dabei bildet die technische Unmöglichkeit einen Unterfall der tatsächlichen Unmöglichkeit[9].

Beispiele:

Abrissanordnung für ein nicht existentes Haus;
Baugenehmigung bei falsch bezeichneter Grundstückslage[10];
Verpflichtung zur Abgasreinigung in einer technisch nicht erreichbaren Qualität.

Erfasst wird aber lediglich die objektive Unmöglichkeit („niemand“). Subjektives Unvermögen des Adressaten führt demgegenüber nicht zur Nichtigkeit des VA[11]. Auch die Ausführung eines VA mit einem vollkommen unverhältnismäßigen Aufwand führt nicht zur Nichtigkeit des VA; die Nichtigkeit kann sich hier aber aus § 44 Abs. 1 ergeben[12]. Auch die rechtliche Unmöglichkeit wird nicht erfasst; deren Fehlerfolgen richten sich nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1[13].

Beispiele:

der aus Geldmangel nicht durchführbare Abriss eines Hauses (subjektive Unmöglichkeit);
Verpflichtung eines Bürgers zu behördlichen Maßnahmen (rechtliche Unmöglichkeit).

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Auch ein VA, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, ist nach § 44 Abs. 2 Nr 5 nichtig.

Beispiel:

Behandlung, Lagerung oder Ablagerung von Abfällen außerhalb zugelassener Abfallbeseitigungsanlagen (§ 69 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 KrWG);
erhebliche Störung wild lebender Tiere (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG).

Die Erlaubnis für ein Tun, welches Dritte zu Straftätern macht, etwa die Erlaubnis für strafbares Glücksspiel, erfasst der Wortlaut der Nr 5 nicht. Der Tatbestand erfasst deshalb nur einen Teilbereich des § 134 BGB. VAe, die gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB verstoßen, können jedoch nach § 44 Abs. 1 nichtig sein.

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Schließlich ist auch ein VA, der gegen die guten Sitten verstößt, nach § 44 Abs. 2 Nr 6 nichtig. Der Begriff der „guten Sitten“ ist wie in § 138 BGB zu verstehen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist anzunehmen, wenn eine erhebliche Abweichung von der herrschenden Moral festzustellen ist und diese Abweichung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Nr 6 fordert, dass der VA selbst gegen die guten Sitten verstößt. Der Tatbestand ist aber auch erfüllt, wenn ein VA ein sittenwidriges Verhalten ermöglicht oder fördert und auf diese Weise an dem Sittenverstoß des Adressaten mitwirkt[14].

Beispiele:

baurechtlicher Vorbescheid, der von einer kostenlosen Grundstücksabtretung abhängig gemacht wird[15];
Machtmissbrauch[16].
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