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1. Zweck und Reichweite des § 45 VwVfG
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Die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, die den VA nicht nichtig macht, ist nach § 45 Abs. 1 in fünf Fällen heilbar[50]. Die größte praktische Bedeutung liegt in der Heilung eines Anhörungsfehlers nach § 45 Abs. 1 Nr 3. Entspricht das Nachholen den Anforderungen, entfällt der Fehler des VA. § 45 Abs. 1 basiert auf dem Gedanken, dass VAe, die ausschließlich in ihrer Entstehung Mängel aufweisen, in der Sache rechtmäßig sein können. Sanktionslose Vorschriften fördern allerdings die Neigung, ihre Anwendung aus vermeintlichen Gründen der Verwaltungseffizienz wie der Praktikabilität, Flexibilität, Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens zu vernachlässigen[51]. Die Existenz sanktionsloser Verfahrensvorschriften wird mit dem Hinweis gerechtfertigt, das Verfahrensrecht habe gegenüber dem materiellen Recht nur eine dienende Funktion[52]. Das Verwaltungsverfahren unterliegt jedoch einem Bedeutungswandel. Immer stärker setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Verfahren zwar keinen Selbstzweck, aber doch einen gewissen Eigenwert aufweist (s.o. Rn 170)[53]. Nochmals verstärkt wird diese Entwicklung durch die Einflüsse des Unionsrechts, das ebenfalls eine Aufwertung des Verfahrensgedankens fordert[54].
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All dies steht einer allzu großzügigen Auslegung der Heilungsmöglichkeiten entgegen. Bereits nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 1 ist eine Heilung ausgeschlossen, wenn ein Verfahrensfehler zur Nichtigkeit führt (s.o. Rn 548 ff). Zudem gilt das Gebot der realen Fehlerheilung: Der Betroffene ist durch die Heilung so zu stellen, wie er bei einem korrekten Ausgangsverfahren gestanden hätte. Dies bedeutet für die praktisch besonders bedeutsame Heilung eines Anhörungsfehlers, dass die Behörde das Vorbringen erkennbar zum Anlass nehmen muss, ihre Entscheidung kritisch zu überdenken[55].