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Können Sie sich damit identifizieren?

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Ich glaube, viele von Ihnen werden sich mit meinem eigenen Verhältnis zu meinem Hund identifizieren können. Wenn ich in die Augen meiner Hündin blicke, dann sehe ich darin mein Spiegelbild. Sie schaut mich sehnsüchtig an, hungrig. Es ist erst vier Uhr, aber ihre Frühstückszeit ist erst um fünf. Vermutlich denkt sie, ich würde es vergessen und dass es eine Stunde dauern würde, um mich dazu zu bringen, mich zu bewegen. Normalerweise weise ich sie ab und sage ihr, dass sie warten soll. Hat sie ein Zeitgefühl? Doch an diesem Nachmittag nehme ich ihren Kopf in meine Hände und erwidere ihren Blick. Ein Teil von mir hegt liebevolle Gedanken, denn als zweijährige aus dem Tierheim Gerettete hat sich diese mittlerweile elfjährige Border Collie Hündin schon mit genau demselben durchdringenden Blick in unser Leben geschlängelt. Ein anderer Teil von mir sieht ein warmherziges, fürsorgliches, beinahe menschliches Tier, das sich seine Gedanken über das sich ausbreitende Universum und dem, was hinterm Horizont des Ozeans liegen mag, machen muss. Wie gesagt, ich sehe mein Spiegelbild – sie ist der Spiegel der Menschlichkeit. Wir vermenschlichen ganz aktiv und machen Dinge menschlich, die es nicht sind. Wie auch immer, die Wissenschaft zeigt andauernd auf, dass es da nicht viel zu unterscheiden gibt bezüglich der Biologie des Menschen und anderer Säugetiere. Ein weiterer Teil von mir sieht, dass das Spiegelbild entsteht, weil das Licht von hinten einfällt und dass ich tatsächlich von ihrer Hornhaut reflektiert werde. Das Licht wird von ihrem Tapetum zurückgestrahlt, der Schicht im Augenhintergrund, die in der Dämmerung zu leuchten scheint. Ich weiß, dass die Hornhaut in der embryonalen Entwicklung aus Haut entsteht, die Netzhaut dagegen aus Hirngewebe. Ich kann also buchstäblich ihr Gehirn sehen. Was geht darin vor? Bin ich mehr für sie als nur der Futterspender? Liebt sie mich genauso wie ich sie? Wie kamen wir vom gefürchteten Wolf, der mich, hätte ich so dicht vor ihm gesessen, bei nächster Gelegenheit gefressen hätte, auf den manipulativen Hund, der in meinem Bett schläft, mein Gesicht ableckt und den ich für all das noch belohne? In meiner Border Collie Hündin steckt eine Menge Biologie. Sie ist klug, penetrant und wird schon ein bisschen grau. Wie gesagt, ein Spiegelbild meiner selbst. Warum altert sie so schnell und wird keine achtzig Jahre alt? Wenn sie mich anschaut, was sieht sie da? Nicht per se mich – doch was für Farben? Wie stark ist ihre Sehkraft? Wie steht es mit ihrem Gesichtsfeld? Um es auf den Punkt zu bringen: Was überhaupt macht einen Hund aus?

In unserer Gesellschaft haben Hunde so viele Aufgaben und es ist nur schwer vorstellbar, wie es gewesen ist, ehe Hund und Mensch eine Beziehung zueinander gehabt haben. Wenn ich traurig bin, therapieren mich meine Hunde. Meine Vorlesungen hören sie sich mehrmals an, ehe ich diese vor Studenten halte. Gemeinsam sind wir Rennen gelaufen, haben Schlitten über schneebedeckte Landstraßen gezogen und sind durch unzählige Wälder gestreift. Ich habe gelernt, wie man Schafe mit ihnen hütet. Wir spielen beinahe täglich Frisbeewerfen. Im Sommer schwimme ich jeden Tag mit ihnen. Meine Hunde haben dank der Fähigkeiten und Anstrengungen meiner Frau schon Preise in Agility und sogar Agility-Landesmeisterschaften gewonnen, bei denen sie durch einen Hindernisparcours laufen mussten: Sie sind durch Tunnel gekrochen, über Sprünge gehüpft und um eng zusammenstehende Stangen herumgewedelt. Diese Hunde haben Titel im Dogdance, einem gemeinschaftlichen Tanz von Hund und Mensch, der auf ein Lied einstudiert wird. Unsere Hunde mischen bei der Nasenarbeit mit und erschnüffeln verborgene Geruchsspuren. Haben Sie den Wechsel bei der Verwendung des Pronomens mitbekommen? „Meine Hunde“ und „unsere Hunde“ sind besitzergreifende Ausdrücke. Wir sind deren Menschen. Das stellt die Besitzverhältnisse schon eher korrekt dar, glaube ich.

Auf jeden Fall haben meine Hunde Kanutouren durch die Wildnis mitgemacht und mir durch unwegsames Gelände in Utah und am Nordufer des Lake Superior bei der Suche nach Achatsteinen geholfen. Mit ausgebildeten Hundeteams habe ich mehrtägige Schlittenreisen unternommen. Unsere Hunde fahren mit uns im Auto querfeldein und sind bisher noch nie geflogen. Ich möchte annehmen, dass wir ihnen ein reichhaltiges Leben schenken. Mit Sicherheit jedenfalls haben sie das unsere bereichert. Ich nehme mit den Hunden Verbindung zu Studenten in den Vorlesungen auf und setze sie im Labor als Demonstrationsobjekte zum Thema Strukturen, Zähne und Verhalten ein. Einige von ihnen habe ich unter großem Kummer und Leid in den Armen gehalten, als sie starben – nach plötzlichen Krebserkrankungen oder fortgeschrittener Arthritis –, umgeben von den anderen Hunden, meiner Frau und dem bereitstehenden Tierarzt. Wir haben uns für den Kauf unseres Eigenheims entschieden, weil es reichlich Platz zum Spielen für unsere Hunde bietet und einen angrenzenden Naturpark zum Wandern. Unsere Autos haben wir auf Basis dessen ausgesucht, ob man darin unfallsichere Hundeboxen transportieren kann und ob sie leicht zu reinigende Oberflächen haben, an denen sich keine Hundehaare festsetzen können. Nicht, dass wir unsere Autos sonderlich oft putzen würden, aber wissen Sie, wir könnten es tun! Unser Wochenrhythmus dreht sich um die Hundetrainingsstunden, die meine Frau abhält und um die, die sie selbst nimmt; unsere Tage sind danach ausgerichtet, wann wir unsere Hunde füttern und mit ihnen Gassi gehen. Unser soziales Leben beschränkt sich so auf diejenigen Menschen, die ebenfalls von ihren Hunden besessen werden. Man kann mich ebenso wenig von meinen Hunden trennen wie man ganze Tomaten aus einer Tomatensuppe extrahieren könnte. Es verhält sich so ähnlich, wie sich Pferdemenschen mit ihren Begleitern fühlen, außer dass man sich einen Hund nicht zwischen die Beine klemmt und darauf reitet und dass ein Pferd typischerweise nicht mit einem ins Bett krabbelt. Doch wie kommt es zu solch einer Intimität zwischen verschiedenen Spezies?

Die Biologie der Hunde

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