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Domestizierung und Zuchtauswahl beginnen

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Nun setzen wir den einstündigen Spaziergang als die Zeit fest, die der moderne Mensch schon existiert, also auf knapp 200.000 Jahre. Bezüglich des Beginns der Domestizierung nehmen wir einen Mittelwert von vor 20.000 Jahren an. Das sind dann ganze zehn Prozent dieser Zeit, somit die letzten sechs Minuten unseres Spazierganges.

Jetzt ändern wir den Bezug. Der einstündige Spaziergang steht nun für die 20.000 Jahre der Domestizierung des Hundes. Wie lange schon manipulieren wir aktiv die Zucht? Der amerikanische Hundezuchtverband AKC wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Es wird reichlich darüber debattiert, was eine Rasse ausmacht, was jedoch an dieser Stelle noch keine Rolle spielt. Wir wissen, dass der Mensch bereits seit einigen tausend Jahren Hunde aktiv und selektiv nach ihrem Einsatzgebiet züchtet und dabei nach Hüten, Bewachen und weiteren Arbeitsaufgaben selektiert hat, ohne darüber allzuviel nachzudenken. Lassen Sie uns dafür 3.000 Jahre annehmen. Wenn unser einstündiger Spaziergang nun für die Dauer von 20.000 Jahren steht, dann züchten wir seit neun Minuten Hunde – mit offiziellen Zuchtverbänden sogar erst seit 27 Sekunden. Da sehen Sie mal, was man in weniger als einer Minute alles tun kann! Entscheidend ist, dass das alles, biologisch gesehen, ziemlich schnell passiert, und nach geologischem Maßstab in astronomischer Geschwindigkeit.

Züchtungen, Rassen, Unterarten, Arten: Es ist schwierig, gute Definitionen zu bekommen. Evolutionsökologen denken Genpool-technisch. Was an dieser Stelle nicht besonders hilfreich ist. Wir kommen etwas später noch einmal darauf zurück. Lassen Sie uns Gene als Familiengeheimnisse sehen, die von den Eltern an ihre Kinder weiter gegeben werden und weiter an die Kinder der Kinder. Und nun lassen wir die Realität mal außer Betracht und behaupten, dass diese Familien ein Geheimnis innerhalb der Familie bewahren können. Nehmen wir mal an, dass das Geheimnis sich darum dreht, wie man etwas Bestimmtes tut, etwa wie man nahrhaftere und kalorienreichere Nahrung anbauen könnte. Einige Familien haben dazu gute Ideen, andere weniger gute. Wenn diese Idee dazu beiträgt, dass die Kinder wachsen und gedeihen, dann würden sich die Familienzweige mit dem guten Ideengut besser entwickeln. Sie würden mehr Kinder haben, was wiederum zu mehr Kindern und mehr Abkömmlingen führen würde. Recht bald wäre das schlechte Ideengut verschwunden – genauso die Familien, die das Nötige nicht mitgebracht haben. Falls das Ideengut wie Gene funktionieren würde, dann wären wir alle ganz schön clever!

Warum würde das schlechte Ideengut ausgemerzt werden? Nun ja, Ressourcen wie Zeit und Nahrung und adäquate Behausungen sind nur begrenzt vorhanden. Das würde zu einiger Konkurrenz führen, stimmts? Sofern es keine Konkurrenz gibt, dann gedeihen alle Ideen, egal ob gut oder schlecht, und die Familien genauso mit diesen Ideen. Das geht genau so lange, bis genug Zeit vergangen und deren Welt recht voll ist – dann entwickelt sich ein Wettbewerb. Früher oder später beginnen alle, dieselben begrenzt vorhandenen Dinge zu wollen und entwickeln ein Verlangen danach. In dieser Metapher steht die Idee für den Anbau besserer Nahrung. Falls Ackerland unbegrenzt vorhanden ist, wird es Farmen geben, die gute Nahrung anbauen, mit einer Menge gesunder Kinder, und Farmen mit kleineren, weniger gesunden Familien, weil diese weniger nahrhaftes Essen hätten und nicht so viel zu essen. Mit der Zeit haben die besser genährten Familien mehr Nachkommen als die weniger gut genährten Familien. Raten Sie mal, wer bei Verknappung von Eigentum dieses am Ende besitzen wird, sofern das Geheimnis der besseren Nahrung nicht miteinander geteilt wird?

Bedenken Sie – eine Menge Zeit ist dabei vergangen. Falls die Ideen voneinander abweichen und manche hilfreich für das Überleben der Familien wären und einige der nützlichen Ideen von Eltern zu Kind und Enkel weitergegeben würden, würden mehr der guten Ideen an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Mit der Zeit gedeihen die guten Ideen und die schlechten werden ausgemerzt. Alle Modifikationen an guten Ideen, die diese besser funktionieren lassen, werden im bestehenden Wettkampf noch bessere Ergebnisse haben. Schlechte Modifikationen der guten Ideen gedeihen nicht, also verschwinden diese auch. In seinem Buch „Die eigennützigen Gene“ nannte Richard Dawkins (1976) diese Ideen „memes“. Dieses Wort wird allerdings inzwischen für lustige Bilder im Internet verwendet. In ihrem Kern jedoch immer noch Memes. Gute werden kopiert, schlechte verschwinden.

Zusammenfassend ist das übrigens der Evolutionsmechanismus namens Natürliche Auslese. Die Eigenschaften müssen nur vererbbar sein, nichts Erlerntes. Mit Eigenschaften wie großen Zähnen und Tarnzeichnungen ist es wie mit diesen Ideen. Es gibt einen Wettbewerb um Ressourcen, die für den relativen Wert unterschiedlicher Versionen von Bedeutung sind. Solche Eigenschaften wie die Größe der Zähne und die Fellqualität variieren bei jedem Individuum. Einige dieser Abweichungen helfen beim Überleben und der Vermehrung. Einige dieser Abweichungen sind vererbbar, während andere – wie z. B. ein abgebrochener Zahn – nicht vererbbar sind. Mit der Zeit sammelt man mehr der positiven Eigenschaften, die nicht so guten werden ausgemerzt und verschwinden. In der Natur geschieht das durch den unglücklichen Umstand des Sterbens derjenigen mit weniger Nachkommen als die anderen. Dieses Verständnis des Evolutionsmechanismus‘ geht zurück auf Charles Darwin, welcher die Idee der Evolution nicht erfunden hat, sondern erkannt hat, wie diese funktioniert. Er lieferte nur den ersten funktionierenden Mechanismus dafür. Inzwischen kennen wir fünf Mechanismen, aber die anderen vier nützen uns bis jetzt nicht sehr viel. Darwin ist historisch gesehen wichtig, deswegen habe im National History Museum in London erst letzte Woche ein Selfie von mir mit seiner Statue dort gemacht. Ich bin ein Geek, Sie erinnern sich? Und, ganz nebenbei bemerkt, da gab es noch einen mit dieser Idee, unabhängig von Darwin, basierend auf anderen Tatsachen: Alfred Russel Wallace. Mit seiner Statue habe ich auch gleich noch ein Selfie gemacht!

Wir Menschen machen gerne Erfindungen. Also wieso sollten wir nicht damit beginnen, die guten Eigenschaften verstärkt für unsere eigenen Zwecke auszuwählen, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Überleben eines Tieres dienlich sind? Wir könnten Hunde auswählen, die gerne mit Menschen zusammen sind oder die gut im Hüten oder großartige Beschützer unseres Heims sind. Wir könnten Außergewöhnliches auswählen, wie ein Punktemuster im Hundefell. Ja, ich meine euch, ihr Dalmatiner. Tatsächlich haben wir in dem einen biologischen Wimpernschlag genau das getan: Nämlich Eigenschaften ausgewählt, die unseren Bedürfnissen und Wünschen entsprochen haben, sei es nun Farbe oder Größe (oder den Hund auf das Aussehen einer runzligen Pflaume hin zu züchten. Das beruht auf einem Gendefekt in den Hautproteinen, den man sich entschieden hat, beibehalten zu wollen.). Und schon haben wir es geschafft. Natürliche Auslese dauert sehr lange. Menschliche Auslese funktioniert verflixt schnell. Durch Selektion haben Forscher über 20 Generationen hinweg aus einem ungebärdigen Fuchs eine sozial verträgliche Version hervorgebracht, der stark einem Border Collie ähnelte. Noch dazu einen freundlichen Fuchs.

Wenn man erst einmal begriffen hat, was einem zur Verfügung steht, dann versteht man schnell, wie man eine Linie von Hunden domestizieren kann. Sei es zum Hüten unserer Schafe, Bewachen unserer Gebäude, oder Kuscheln auf dem Sofa. Aber wie hat das angefangen? Ja, wer weiß das schon? Historische Aufzeichnungen gibt es erst seit etwa 10.000 Jahren, somit fehlt darin der Beginn dieser wunderbaren Beziehung. Aber einige ganz brauchbare Vermutungen können wir durchaus anstellen.

Ich stelle fest, dass Menschen gerne ein gutes Erklärungsmodell für etwas haben. Und gleich zwei davon, wenn Wochenende ist oder Ferien sind. Das Leben ist üblicherweise nicht so einfach. Bei der Erörterung, wie wir Hunde domestiziert haben, gibt es einige plausible Mechanismen und jeder davon spielte irgendwo eine Rolle dabei. Denn Hunde sind offensichtlich an verschiedenen Orten unabhängig voneinander domestiziert worden. Das Internet hatte so ziemlich seine Grenzen damals vor 15.000 Jahren und Postzustellungen haben so gut wie nicht existiert. Isolierte Gruppen von Menschen konnten nicht bereitwillig ihre Gedanken austauschen wie z. B. „Hey, diese Beziehung mit dem Hund ist echt eine gute Sache. Schau, wir haben uns einen Hund geholt, der all unsere Sachen befördern kann.“

Der Mensch war schon immer gut darin, Dinge zu erfinden und Werkzeuge zu benutzen. Und die Tatsache, dass dieses Werkzeug nun lebendig war, verursachte vermutlich keinerlei moralische Bedenken. Umfassende Rechte der Tiere sind eine viel jüngere Erfindung, die beim Einsatz von Lebendigem zwecks Sicherung unseres Überlebens nach Alternativen verlangte. Moral und ethische Vorstellungen sind wirklich etwas Großartiges und halten die Gesellschaft zusammen. In den Anfängen aber, als wir Hunde zu domestizierten begannen, wären alle Gruppen, die Moralvorstellungen gegen den Einsatz von Hunden entwickelt hätten, überstimmt worden von Gruppen, die Hunde als Werkzeuge benutzten.

Analog zu Wölfen, die intelligente und soziale Tiere mit einer Gruppenkommunikation sind, so hätten wir da eine Spezies, die besonders empfänglich für das Lesen eines anderen sozialen Tieres ist, nämlich des Menschen. Wenn die beiden beteiligten Spezies davon profitieren, geht es mit der Domestizierung ziemlich schnell.

Die Biologie der Hunde

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