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Eine Pause mit Blick auf die Zeit

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Mit der „Zeit“ ist es so eine komische Sache. Wir wissen ja, Zeit gab es schon vor Milliarden von Jahren. Wenn man in einer dunklen Nacht in den Himmel schaut und weiß, wo der Andromedanebel zu sehen ist, dann kann man 2,6 Millionen Jahre in der Zeit zurückblicken. Denn so alt ist das Licht von Andromeda – es wurde etwa zur selben Zeit abgestrahlt, als menschliche Primaten sich im Gebiet des Afrikanischen Grabenbruchs herumgetrieben haben. Für uns ist Zeit etwas Relatives, nichts Absolutes. Ein Tag voller Spaß mit Freunden und Hunden kann im Nu vorbei sein, während sich für einen Schüler die letzten Minuten vor Unterrichtsende gefühlt so lange hinziehen können wie eine Stunde. Für meine Hunde erscheint die Zeit zwischen dem Moment, wenn die Futterschüssel auf den Boden gestellt wird und dem Moment, wenn sie das Freigabekommando bekommen, wie eine Ewigkeit. Und es dauert nur eine Nanosekunde, bis das Fressen verschwunden ist. Physiker wie Stephen Hawking behaupten, dass die Zeit umkehrbar sei und sie vielleicht nicht einmal real wäre, sondern nur ein biologisches Produkt unserer Erfahrung. Das mag interessant sein, hilft uns aber hier nicht weiter. Über die Vergangenheit können wir eine ganze Menge lernen durch die Geologie, Molekularuhren, alte Knochen und vergrabene Schätze, so wie Hunde. Die Geschichte reicht über Milliarden von Jahren zurück, die leicht zu beobachten sind. Doch in die Zukunft können wir überhaupt nicht blicken. Wir stellen sie uns vor, wir sagen sie vorher, wir planen sie. Doch wir sehen die Zukunft nicht. Tatsächlich werden wir später herausfinden, dass wir noch nicht einmal das Hier und Jetzt sehen können. Wenn wir zurückblicken, was sehen wir da, und wie können wir uns so etwas Veränderliches wie die Zeit vorstellen?

Stellen Sie sich einmal einen angenehmen Spaziergang mit Ihrem Hund vor. Oder eine Lieblingsstrecke mit Ihrem Freund oder eine nette Ausfahrt von etwa einer Stunde Dauer. Oder die einstündige Folge einer Serie auf Netflix. Vielleicht auch, wie eine Lasagne eine Stunde lang im Ofen ist. Es ist egal, wie lange, solange Sie sich dies vorstellen und mit einer Stunde in Verbindung bringen können. Ich stelle mir einen Spaziergang durch den Naturpark vor, von meinem Haus aus auf einem Weg entlang, der mich zu einer hübschen Anhöhe bringt, dann einen Hügel hinunter führt und in einen Pinienwald in eine Gegend, die wir Schneeschuhhügel nennen, weil wir sie auf einer Winterwanderung entdeckt haben. Ich kann mir jeden einzelnen Schritt vorstellen, weil wir da so oft entlangwandern, sommers wie winters. Einmal hin und zurück auf diesem Weg dauert eine Stunde.

Eine Stunde kann man sich leicht vorstellen. Jeden Tag unseres Lebens erleben wir zwei Dutzend davon. Wenn also der einstündige Spaziergang für das Alter des Universums (13,6 Milliarden Jahre) stehen würde, dann wäre unser wunderschöner Planet etwa während der letzten 20 Minuten dieses Spazierganges erst vorhanden (4,54 Milliarden Jahre). Ein neuer Vergleich: Wenn die Spazierstunde das Alter der Erde repräsentiert, dann existieren Säugetiere erst seit der letzten drei Minuten und die Spezies Mensch etwa in den letzten zwei Zehntelsekunden. Sie lesen ganz richtig, wir sind buchstäblich ein Augenblick bezogen auf das Alter der Erde. Mein Spaziergang zum Schneeschuhhügel steht für das Alter der Erde und Säugetiere sind erst etwa ab dann da, wenn ich den Naturpark auf dem Heimweg verlasse, in meine Wälder hineingehe und mein Haus gegenüber des Teiches sehen kann. Menschen als Spezies existieren erst dann, wenn ich meinen Fuß über die Schwelle meines Vorraums setze. Einen Augenblick. Rein technisch gesehen die Hälfte eines Augenblicks, denn der dauert drei oder vier Zehntelsekunden. Aber deswegen habe ich kein schlechtes Gewissen, denn es ist unser einziger Augenblick, und das ist alles, was für uns zählt.

Die Biologie der Hunde

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