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Meine Lieblingstheorie: Wie und warum hat die Domestizierung begonnen?
ОглавлениеDie Erklärung für Domestizierung, die mir am besten gefällt, nennt man „Verringerung der Fluchtdistanz“. Es ist ähnlich wie die Fuchsstudie, die ich vorhin erwähnt habe, bei der eine schnelle Auswahl der weniger ungebärdigen in jeder Generation zu einer gefügigen Gruppe in nur zwanzig Generationen führte. Für Wölfe konnte dieser Prozess über eine einzige Generation hinweg gelingen. Bei den Menschen gab es Nahrung und Müll, sodass Siedlungen attraktive Anziehungspunkte für die wilden Hunde boten.
Alle Wölfe, die weniger Angst vor Menschen hatten als die anderen im Rudel, konnten dieser Zusatzquelle an Nahrung näherrücken und länger bleiben sowie einen gewissen zusätzlichen Schutz erlangen. Im Laufe der Zeit verringerte sich die Fluchtdistanz, was heißt, dass die wilden Hunde den Menschen immer näher kommen konnten, ehe sie davongelaufen sind. Es fand auch eine Selektion bezüglich derjenigen Hunde statt, die sich besonders gut im Menschenverstehen gezeigt haben. Selektion setzt hierbei voraus, dass diese Verhaltensweisen einer genetischen Kontrolle unterlegen haben mussten. Dass dies der Fall ist, zeigt die Domestizierungsstudie bei den Füchsen ziemlich deutlich, glaube ich. Es wäre einigermaßen wertvoll, wenn man einen hilfreichen Menschen, der einem einen Brocken Fleisch hinwirft, von einem solchen unterscheiden kann, der einen Stein nach einem wirft. Dasselbe gilt für die Fähigkeit, menschliche Absichten erkennen zu können. Wie zum Beispiel, dieser Mensch ist verrückt und will mich töten; der da drüben ist freundlich und will mich füttern. Welchen von beiden kann ich mich nähern? Diese Hunde fokussierten sich auf den Menschen und haben seine grundlegenden Eigenschaften erkannt, wodurch sich mit der Zeit ein Hund entwickelte, der sich in der Umgebung des Menschen aufhalten und den Menschen genauso gut „lesen“ konnte wie ihn andere Menschen „lesen“ konnten. Die Hunde entwickelten sich ohne jeglichen beabsichtigten Eingriff durch den Menschen dahin. Dies nennt man daher „Selbst-Domestizierung“.
Für den frühen Menschen waren Hunde recht nützliche Werkzeuge. Man kann sich leicht vorstellen, dass man die Intelligenz der Hunde testen konnte, sobald es Hunde mit geringer Fluchtdistanz gab, die dabei noch auf den Menschen fokussiert waren.
Konnte man ihnen denn beibringen, wenn sie eine bestimmte Aufgabe erledigten, dass sie dann Futter erhalten würden? Das stellte sich als zu bejahen heraus. Nun konnte man die Hunde also ausbilden. Kurz danach brachte sie der Mensch in Teams zusammen, um Schlitten zu ziehen und Baumstämme zu rücken. Möglicherweise war damit ein Lernprozess verbunden, der dem beim Einreiten oder Einfahren eines Pferdes ganz ähnlich ist. Man gewöhnte die Hunde an Halsband oder Seil. Dann an eine Art Geschirr. Man beachte dabei, dass die Fluchtdistanz eine vererbbare Eigenschaft ist, genau wie in der Fuchsstudie aufgezeigt. Ebenso als vererbbar haben sich das „Lesen“ der Menschen und ein sich zu ihnen Hinwenden gezeigt. Ein Halsband zu tragen und Sachen zu ziehen ist eine erlernte Eigenschaft und man muss diese jedem Hund einzeln wieder von Neuem lehren.