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Sex

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Also, jetzt lassen Sie uns mal offen über Sex reden. Schließlich sind wir ja alle erwachsen, oder? Es wird ein Gespräch so in der Art, dass ich sage, setzen Sie sich mal hin – dann schaue ich Ihnen in die Augen und erzähle Ihnen das am wenigsten Romantische, was mir einfallen will. Reden wir mal Klartext über Sex. Biologisch gesehen ist Sex nur dazu da, den gleichen Satz der Buchseiten von den Mama- und Papa-Büchern untereinander auszutauschen, damit sich die Kinder von den Eltern unterscheiden. Durch Sex werden DNA-Segmente aus dem Instruktionssatz ausgetauscht. Dabei werden zum Beispiel die Seiten neunundzwanzig bis einhundertunddreiundfünfzig von Band vier aus dem blauen Buch von Papa genommen und diese gegen dieselben Seiten in Band vier von Mamas rosa Buch getauscht. Ganze Kapitel dabei auszutauschen ist nicht nötig, große Seitenbereiche tun es bereits. So etwas geschieht nur in Spermien oder Eizellen. Die restlichen Zellen behelligen das blaue und rosa Buch von Papa und Mama gar nicht. Beim Sex werden also Segmente der DNA zwischen den Instruktionssätzen von Mama und Papa ausgetauscht, um ein völlig neues Buch aus demjenigen zu machen, welches das Sperma oder die Eizelle ausmacht. Jetzt sind Sie doch bestimmt auch froh, dass wir diese kleine Unterhaltung über Sex hatten, habe ich Recht?

Dabei sollten Ihnen jetzt zwei Fragen in den Sinn gekommen sein. Wozu die ganze Mühe? Ich meine natürlich den Tausch von Buchseiten, nicht all das Zeug über Sex. Wenn nun ein Spermium achtundsiebzig Chromosomen hat und wenn die Eizelle genauso achtundsiebzig Chromosomen hat, hat das Kind dann nicht einhundertsechsundfünfzig? Die Zelle ist sowieso schon ziemlich voll, also was macht das denn noch aus?

Genau wie bei jede andere Zelle starten diese kleinen, sexy Geschlechtszellen des Hundes, nämlich die Spermien und die Eizellen, mit achtundsiebzig Bänden, die zur Hälfte von Mama und zur Hälfte von Papa stammen. Wir erinnern uns, in den blauen Büchern sind alle Seiten beinhaltet, die es für einen Hund braucht. Und genauso verhält es sich mit den rosa Büchern. Nach dem Austausch befinden sich in jedem der Bände ganze Abschnitte aus dem Büchersatz des anderen Elternteils. Dann sortieren wir alle achtundsiebzig Bücher nach Bandnummern in neununddreißig Stapeln. Stapel Nummer eins besteht aus dem blauen Band eins und dem rosa Band eins mit den untereinander ausgetauschten Seiten. Nun gehen wir zu jedem der Stapel und entscheiden mit einem Münzwurf, welchen Band wir in eine Kiste werfen. In Analogie dazu gibt es zwei Kisten, wobei eine Starterzelle mit achtundsiebzig Büchern die Chromosomen in zwei Geschlechtszellen mit jeweils der halben Anzahl an Büchern sortiert. Jede Starterzelle, also Spermium oder Eizelle, wird in zwei finale Spermien oder zwei finale Eizellen aufgeteilt. Bei den Spermien vollzieht sich das in einem Hoden, bei den Eizellen in einem Eierstock, und zwar noch vor der Empfängnis. Im Falle der Spermien geschieht dies grade mal ein paar Tage, ehe sie, ähm, ihre Reise außerhalb des Körpers antreten. Ich denke, interessanter ist die Tatsache, dass dies im Ei geschieht, noch bevor der Eierstock, der das Ei enthält, geboren wird. Das Ei, aus dem meine Mama meine Wenigkeit gemacht hat, hat diesen Prozess bereits durchlaufen, bevor sie selbst geboren wurde. Man nennt diesen Vorgang Meiose. Wenn dies ein Katzenbuch wäre, müsste ich „Miause“ sagen – aber das mach‘ ich jetzt nicht.

Wenn sich dann später Spermium und Eizelle in einer dunklen Gasse treffen, wird die neue Zelle wieder aus den erforderlichen achtundsiebzig Büchern bestehen. Denn die beiden besitzen ja je die Hälfte der Chromosomen. Mit diesem Prozess wird verhindert, dass sich die DNA Menge bei jeder Empfängnis verdoppeln würde. Wir nehmen die beiden Bände in Stapel zwei (Chromosom zwei) und werfen zufällig je ein Buch in jede der beiden Boxen (Zellen). Und so weiter. Das Ganze machen wir achtundsiebzig Mal. Jede Box (Zelle) enthält eine vollständige Anleitung, aber nur eine Reihe von Bänden mit den Nummern eins bis neununddreißig. Jede Box (Zelle) enthält eine Mischung aus rosa und blauen Büchern (Chromosomen) und jedes Buch (Chromosom) enthält ein paar Seiten (DNA-Stränge) von jedem Elternteil. Das ergibt ein ziemlich gutes Scrambling. Und da wir die Anzahl der Chromosomen von achtundsiebzig auf neununddreißig halbieren, wird das Sperma oder die Eizelle nach der Vereinigung schließlich die richtige Chromosomenanzahl besitzen. Dem Deckel jedes Buches (Chromosom) in der Box (Zelle) geben wir nun wieder die Farbe desjenigen, der die Sortierung durchführt (Mutter oder Vater). Damit wird jedes Buch (Chromosom) jetzt rosa, wenn es im Körper eines weiblichen Elternteils und blau, wenn es im Körper eines männlichen Elternteils sortiert wird. Wir verpacken die Box mit Luftpolsterfolie (Ja, in diesem Fall bleibt die Luftpolsterfolie außerhalb der Box. Die Box ist ein Spermium oder eine Eizelle, die Luftpolsterfolie ist die klebrige Flüssigkeit, die um das Sperma oder die Eizellen herumgespült wird) und wir versenden diese Box über FedEx. Dies tun wir, damit sie sich mit einer Box von demjenigen vereinen möge, mit dem wir unsere kostbaren Boxen mit DNA-basierten Anweisungen teilen.

Wenn sich diese Boxen treffen und man Glück hat (oder Pech? Denn wer bin ich schon, das beurteilen zu können?), entsteht daraus ein neuer Hund, der auf der ganzen Welt einzigartig ist, mit einem vollständigen Satz der Bände von seiner Mama und einem vollständigen Satz von seinem Papa.

Also wozu macht man sich denn nun die ganze Mühe? Denn das ist ja schon eine Menge Arbeit, bei der man riskiert, all diese DNA zu verheddern oder falsch zu sortieren. Es braucht Zeit und man muss Energie aufwenden. Und, ganz ehrlich, dann ist man noch abgelenkt und muss dazu noch einem anderen Wesen nahe kommen, das einen vielleicht lieber für eine Mahlzeit um die Ecke bringen möchte als seine Gene mit einem zu teilen.

Die dürftige Erklärung dafür ist: Wenn es nicht so wichtig wäre, Gene durchzumischen, gäbe es auch keinen Sex. Und ohne Sex würden sich die Lebewesen einfach nur selbst klonen. Schnell, sicher, einfach, effizient. Was passiert aber bei Inzucht, wenn also zwei relativ eng Verwandte sich verpaaren? Bei meiner Hündin Wish war das der Fall, als sie sich mit ihrem Bruder Sonic gepaart hat. Das Ganze bringt zwei große Probleme mit sich. Erstens hat man keine Möglichkeit, schlechte, nicht hilfreiche Gene oder Fehler, die auftauchen, loszuwerden. Diese häufen sich sogar noch an. Daraus hervorgehende Nachkommen werden öfter krank oder sind deformiert oder schwach oder sind auf eine andere Art weniger fit als diejenigen, die aus zufälliger Paarung mit Nichtverwandten hervorgehen. Wir nennen das eine „Blutlinie“, wobei es sich in Wirklichkeit um einen Genpool handelt. Eine erfolgreiche Vermischung von Genen misst man an deren Vielfalt. Je größer die Vielfalt, desto besser können sich die Arten an sich ändernde Umweltbedingungen anpassen. In einer sich verändernden Umwelt setzt sich langfristig eben die genetische Vielfalt durch. Und in freier Wildbahn ändert sich die Umgebung so gut wie immer. An den wenigen Orten, an denen dies nicht der Fall ist, finden wir Arten, die sich selbst klonen und sich all den Bohei um Sex glatt durch die Lappen gehen lassen. Warum hat die Natur es wohl so eingerichtet, dass Sex sich so gut anfühlt? Nun, das Risiko, das man eingeht, um Krankheiten und Missbildungen zu verhindern, muss ja irgendwie belohnt werden. Sonst würde niemand seine Gene teilen wollen, eine Durchmischung fände nicht statt und in den Kriegen der Geklonten würden die Asexuellen obsiegen.

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