Читать книгу Die Biologie der Hunde - Tim Lewis - Страница 35
Inzucht — Gut und Böse
ОглавлениеInzucht bringt jedoch einen klaren Vorteil. Wenn eine zufällige Mutation Merkmale hervorbringt, die uns zusagen, wie zum Beispiel eine neue Fellfarbe oder eine bestimmte Textur des Fells, dann können wir diese rasch weiter züchten. Durch die abnehmende genetische Vielfalt lässt sich einfacher vorhersagen, wie die Nachkommen aussehen werden, weil man sich so schon per se unerwünschter, störender Optionen entledigen kann. Inzucht ist, wie so vieles, eine Medaille mit zwei Seiten. Man kann nur mit diesem kleinen Teil herumexperimentieren, den 0,1 %, die den einen Hund vom anderen genetisch gesehen unterscheidet. Bei Hunderassen beobachten wir eine Verringerung der Vielfalt, was zu Problemen bei starkem Inzest in den Untergruppen oder Rassen führt. Es gibt eine Datenerhebung (Dreger et al., 2016), die einen guten Überblick bietet. Für eine bessere grafische Darstellung verweise ich auf Beuchats Blog von 2016 unter https://www.instituteofcaninebiology.org/blog/inbreeding-of-purebred-dogs-determined-from-dna. Man fand heraus, dass Norwegische Lundehunde die höchste Inzuchtrate (über 80 %) der vom AKC (American Kennel Club / Amerikanischer Zuchthundeverband) anerkannten Rassen aufwiesen. Bullterrier waren mit 60% ebenfalls weit oben. Möpse, Irische Wolfshunde und Bloodhounds lagen bei 50 %. Golden Retriever waren bei 30 %, Border Collies bei 25 %.
Und bei welchen Rassen ist die Inzuchtrate am niedrigsten? Das sind Jack Russell Terrier und Chihuahuas, beide mit einer Rate von 10 %. Zum Vergleich: In freier Wildbahn muss man zwei Vollgeschwister derselben beiden Eltern kreuzen, um eine Inzucht von bis zu 25% zu erreichen. Aber wieviel an Inzucht ist zu viel? In freier Wildbahn führt jede Inzucht auf lange Sicht im Allgemeinen zu einem unterdrückten Erfolg. Bei einer domestizierten Rasse hängt es allerdings wirklich davon ab, inwiefern die negativen Auswirkungen der Inzucht tolerabel sind, bei gleichzeitigen positiven Auswirkungen bestimmter körperlicher und erblicher Verhaltensmerkmale. Erwähnenswert ist, dass viele dieser Mutationen bei Wildhunden auftauchen und durch Selektion mangels Nützlichkeit rasch wieder verschwinden. Was beim Wildtyp tödlich wäre, wie zum Beispiel wirklich kurze Beine von einem Wolfsgen, das irgendwann in der Vergangenheit wieder in den heimischen Bestand eingefügt wurde, kann bei einem einheimischen, geschützten Typ wie einem Corgi sehr nützlich sein. Abgesehen davon, dass ihn viele niedlich finden, so gab die niedrige Schulterhöhe dem Corgi eine einzigartige Fähigkeit beim Vieh-Hüten. Er schob dabei seinen Körper unter die Tiere, die getrieben werden mussten. Hingegen ein wilder Wolf mit Corgi-Beinen? Der wäre tot.
Jetzt ist Sex nur eine Art und Weise, die Seiten durcheinanderzubringen, damit kein Welpe genau wie sein Vater- oder Muttertier ist. Aber lassen Sie uns darüber einmal nachdenken. All diese Sortiererei findet mit achtundsiebzig DNA-Teilen statt. Jeder der insgesamt achtundsiebzig Sätze in jeder Zelle (DNA) ist insgesamt zwei Meter lang, ohne sich zu verheddern und ohne einen Buchband zu verlieren oder zu verlegen. Falls Fehler passieren – und das tun sie! –, so ist die versendete Box mit Büchern unvollständig oder sonst irgendwie durcheinander und das Ganze stirbt. Wenn die Grundlagen schon in der DNA falsch sind, stirbt das Spermium oder die Eizelle. Sind die Chromosomen falsch sortiert, stirbt die neu befruchtete Zelle ab. Fehler haben oftmals zur Folge, dass der sich entwickelnde Embryo nicht überlebt oder der Welpe bei der Geburt stirbt, sobald er abgenabelt ist.