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Gegen Ende des 6. Jahrhunderts fanden Entwicklungen mit weitreichenderen Folgen als nur für Individuen oder Stämme statt. Die Byzantiner wie die Perser verzichteten nun auf die Dienste der Pufferkönigreiche der Ghassaniden und Lachmiden und begannen, ihre Grenzen mit regulären, aus ihren eigenen Leuten rekrutierten Armeen zu schützen.86 Die dadurch arbeitslos gewordenen arabischen Könige wurden weiterhin von Panegyrikern besungen, mit einem neuen Beiklang von trotzigem Widerstand und „National“-Gefühl. „Eure Herrschaft in Syrien“, so preist etwa Hasan ibn Thābit den Ghassanidenkönig Dschabala ibn al-Aiham, „bis zu den Grenzen von Byzanz ist der Stolz eines jeden Jemeniten.“87

Die Lachmiden schnitten weniger gut ab. Im Jahr 602 ließ der sassanidische Schah den Lachmidenkönig – denselben al Nuʿmān III., der dem Schah die Bitte um eine Heiratsverbindung verweigert hatte –, von Elefanten zu Tode trampeln. Es scheint dabei nicht um hochpolitische Dinge gegangen zu sein, sondern eher um persönliche Feindschaft, eine schmutzige Palastverschwörung und Denunziation.88 Dass die Perser jedoch ihrer dreihundertjährigen Verbindung mit den Lachmiden ein so jähes Ende setzten, erwies sich als Fehler. Zwei Jahre später erlitten sie mitsamt einigen verbliebenen arabischen Verbündeten im „Krieg des Kameleuters“ in Dhū Qār eine schmerzhafte Niederlage, und zwar durch eine Vereinigung arabischer Stämme unter der Führung des Stammes der Bakr. Dieser Ausbruch tribaler Einheit erscheint auf den ersten Blick als einer von vielen groß angelegten Überfällen, die in die üblichen Scharmützel mündete. Tatsächlich sah es auch zunächst so aus, als hätte die Niederlage die Sassaniden zur Vernunft gebracht und sogar in die Offensive gedrängt. Ab 610 gelang ihnen eine letzte Erweiterung ihres Reiches, wobei sie die Byzantiner vernichtend schlugen und bis nach Syrien und sogar nach Ägypten vordrangen. Dennoch gab es eine Vorahnung, dass sich mit der persischen Niederlage bei Dhū Qār das Blatt gewendet hatte. Mohammed, immer noch ein unscheinbarer Einwohner Mekkas, soll am Tag des weit entfernten Kampfes gesagt haben. „Heute haben die ʿarab Rache an den ʿadscham geübt und gewonnen.“89 Ob diese Aussage das Ergebnis telepathischer Weitsicht oder historischer „Nach“-Sicht ist, bleibt offen. Außer Frage steht jedoch, dass Araber noch viel größere Siege davontragen sollten, und nicht nur über die Perser.

Wenn wir auf das letzte vorislamische Jahrhundert zurückschauen, ist es, als hätte sich durch alle Wanderungen, Überfälle und Kampftage ein Druck aufgestaut, eine Energie, die freigesetzt werden musste, um eine Implosion zu verhindern. Diese Freisetzung kam, und die Energie wurde allmählich gebündelt. Die arabische Stimme und der arabische Wille waren im Begriff, geeint zu werden. Eine Zeitlang waren Araber bereit, denselben Traum zu träumen und ihn wahr zu machen. Der Dichter Hasan ibn Thābit besang bald einen neuen Herrn – keinen König, sondern jenen unscheinbaren, doch erkenntnisreichen Mekkaner, den arglosen Gründer eines Imperiums, das innerhalb einer Generation nach seinem Tod die stolzen ausgebürgerten Jemeniten des entfernten ghassanidischen Nordens, ihre weggezogenen Cousins im persisch kolonisierten Süden, ihre überlebenden lachmidischen Rivalen in al-Hīra und – überraschenderweise und kurzzeitig – alle ewig zankenden Stämme dazwischen umfasste. In Mohammed sollte sich nicht nur die Rhetorik des tribalen kāhin, chatīb, schāʿir und saiyid – Orakel, Redner, Barde und Herr – mit außergewöhnlicher Originalität und Charisma vereinigen; die rhetorischen Funktionen ergaben weitaus mehr als die Summe ihrer Teile: Prophetentum.

Ein Prophet ist jemand, der „für eine Gottheit spricht“. In Mohammeds Fall ging es um eine Gottheit, die wie jene der alten Südaraber als kollektiver Wille ihrer Anhänger fungierte und diesen leitete. Der Unterschied lag darin, dass diese Gottheit keine Teilhaber, keine Rivalen duldete: Sie stellte einen rücksichtslosen theologischen Unitarismus dar und ordnete für eine kurze, aber berauschende Zeitspanne eine weitere Einheit an – nicht nur von Sprache und Kultur, sondern auch von Doktrin und sogar Kriegsführung –, und nicht nur für ein sesshaftes Gemeinwesen, sondern für die Gesamtbevölkerung der Halbinsel, hadar und badw, und sie sandte alle diese Araber von ihrer „Insel“ aus fort. Die „Tage der Araber“ waren noch lange nicht vorüber. Doch Araber waren im Begriff, ihre Tage in der größeren Weltgeschichte zu erleben.

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