Читать книгу Roter Herbst in Chortitza - Tim Tichatzki - Страница 13
Nestor Machno Jekaterinoslaw 1920
ОглавлениеKalinin und seine Männer fuhren zurück nach Jekaterinoslaw. Die ukrainischen Dörfer hatten aus ihrer Abneigung gegenüber den Tschekisten keinerlei Hehl gemacht – und so war ihm die Verhandlung mit den Deutschen zum Schluss ihrer Reise in unerwartet guter Erinnerung geblieben. Er war froh, diese anstrengende Woche hinter sich gebracht zu haben. Morgen würde er einer nachrückenden Brigade die Papiere mit den Abgabezahlen übergeben, dann lagen erst mal zwei freie Tage vor ihm. Anschließend wollte er weitere Dörfer im Gouvernement Jekaterinoslaw aufsuchen und den Bewohnern ihre Abgabequoten diktieren.
Je näher sie der Stadt kamen, umso verwunderter stellten sie fest, auf keine Kontrollposten zu stoßen. Weder Geschützfeuer noch MG-Salven waren zu hören, und es schien, als seien alle Kampfhandlungen eingestellt worden. Auf den Gebäuden wehten die Fahnen der Roten Armee, ein untrügliches Zeichen, dass die Weißen endlich geschlagen waren. Erleichterung machte sich unter Kalinins Männern breit. Erst als sie auf das Gelände der Kaserne einbogen, wurden sie am Kontrollpunkt von zwei Männern in Frauenkleidern angehalten. Sie trugen wallende Ballonkleider über den schmutzigen Uniformen und ihre Gesichter schillerten in allen erdenklichen Rottönen.
Kalinin konnte sich keinen Reim auf diese grotesken Gestalten machen. Sie verströmten eine penetrante Duftmischung aus Rosenöl und Alkohol. Ohne ihre Gewehre hätte man sie glatt für geistesgestört gehalten. Doch die Männer besaßen die Dreistigkeit, die Tschekisten nach ihren Papieren zu fragen. Kalinin wollte gerade ansetzen, ihnen den Marsch zu blasen, als er merkte, dass sie nur leise in sich hineinkicherten. Sie konnten sich kaum noch auf den Beinen halten, geschweige denn, ihrem Kommando weiteren Nachdruck verleihen.
Ohne sich weiter um sie zu kümmern, fuhren die Tschekisten auf den Kasernenhof, der übersät war von mehreren Hundert schlafenden und betrunkenen Männern. Sie lagerten an unzähligen Feuerstellen, die sich über das gesamte Areal verteilten. In diesem Chaos gab es kein Durchkommen, ohne Gefahr zu laufen, etliche der dort liegenden Männer zu zerquetschen.
Kalinin stieg aus, um sich einen Überblick zu verschaffen. Wer waren diese Vagabunden und wie hatten sie sich Zutritt zur Kaserne verschaffen können? Wo war General Fjodrov? Niemand schien seine Anwesenheit zu registrieren, als er langsam den Kasernenhof überquerte. Die, die nicht schliefen, zogen sich unter lautem Gegröle ihrer Kameraden Frauenkleider an, trugen Puder und Schminke auf und ließen ohne Pause die Wodkaflaschen kreisen. Hier und da flogen die leeren Flaschen in hohem Bogen davon, zerschellten achtlos zwischen den lagernden Männern. Kalinin trat mehrmals auf Glasscherben, die knirschend unter seinen Sohlen zerbrachen.
„Wer bist du und was willst du hier?“ Kalinin war überrascht, eine klare und deutliche Stimme zu vernehmen, die dennoch so gar nicht zu dem kleinen Mann passte, der sich ihm unvermittelt in den Weg gestellt hatte.
„Major Kalinin. Ich will zu General Fjodrov.“
Der kleine Mann sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, als ob ihn die Sonne blendete. So sieht wohl Diensteifer aus, dachte Kalinin schmunzelnd, weil der Mann trotz seines großspurigen Gehabes keinerlei Autorität ausstrahlte. Er sprach wahrscheinlich nur deshalb mit Kalinin, weil er als Einziger noch nüchtern war.
„Da hinten.“ Er zeigte mit seinem Arm, der von einer viel zu kurzen, schmutzigen Uniformjacke bedeckt wurde, auf ein Ziegelsteingebäude am Ende des Kasernenhofs. „Da hinten sitzen die Roten.“
Als Kalinin und seine Männer das Gebäude erreichten, wurde ihnen sofort geöffnet. Hier verfehlte die Uniform der Tschekisten nicht ihre Wirkung. Keiner der anwesenden Rotarmisten wäre auf die Idee gekommen, Kalinin nach seinem Ausweis zu fragen.
„Wo ist General Fjodrov?“, herrschte Kalinin die Soldaten an.
„General Fjodrov und die 32. Division der Roten Armee sind weiter nach Süden gezogen, um den Weißen den Todesstoß zu versetzen, Major Kalinin. Ich freue mich, Sie hier in Jekaterinoslaw wiederzusehen.“ Der Mann, der ihn so begrüßte, war Major Poljakow. „Kommen Sie bitte mit in mein Büro, dann erkläre ich Ihnen, was sich hier während Ihrer Abwesenheit ereignet hat.“
Kalinin folgte dem Mann, setzte sich auf einen Stuhl und wartete auf den Bericht.
„Jekaterinoslaw wurde vor drei Tagen dem Befehl Nestor Machnos unterstellt. Seine Männer haben den Auftrag, die Stadt zu sichern, während unsere Truppen den Weißen hinterherjagen.“
Kalinin musste lachen: „Sichern? Diese Männer sollen Jekaterinoslaw sichern? Das sind betrunkene Bauern, denen man eine Waffe in die Hand gedrückt hat. Und die sollen jetzt eine ganze Stadt sichern?“
Poljakow zuckte mit den Schultern. „Wir sind im Krieg. Und im Krieg kann man sich seine Verbündeten nicht immer aussuchen. Außerdem haben sie sich als äußerst nützlich bei der Eroberung dieser Stadt erwiesen. Ohne ihre Hilfe hätten wir die Weißen nicht so schnell vertrieben.“ Er entzündete eine Zigarette und bot sie – ohne einen Zug zu nehmen – Kalinin an.
Kalinin lehnte ab. „Was soll dieser Aufzug? Warum die Frauenkleider und die ganze Schminke?“
„Sie greifen sich alles, was sie in die Finger bekommen. Egal was es ist. Sie rauben die Bevölkerung aus, haben selbst aber eine Heidenangst davor, bestohlen zu werden. Deshalb ziehen sie die Kleider an. Lächerlich, nicht wahr?“ Poljakow blies den Rauch seiner Zigarette an die Decke. Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich.
Kalinin konnte es nicht fassen. „Und wieso gebieten Sie diesem Treiben keinen Einhalt?“, fragte er den Major.
„Einhalt? Wir sollen diesem Mob Einhalt gebieten? Wie stellen Sie sich das vor, Major Kalinin? Unsere Einheit besteht nur noch aus zwanzig Mann. Als wir gestern einen Trupp losschickten, um die Lage in der Stadt zu sondieren, kamen die Männer völlig verstört zurück. Sie mussten tatenlos mit ansehen, wie sich diese Banditen auf einen Mann stürzten, ihn mit ihren Säbeln buchstäblich in Stücke hackten. Und heute …“ Der Major stockte kurz. „Heute haben sie hier auf dem Kasernenhof zwei Frauen vergewaltigt. Sie haben sie irgendwo aufgegriffen, hierher gezerrt und wie Beutestücke ihren geifernden Kameraden vorgeworfen. Erst wollten wir eingreifen, doch uns wurde unmissverständlich klargemacht, dass wir uns aus ihren Angelegenheiten raushalten sollen. So blieb uns nichts anderes übrig, als tatenlos abzuwarten. Vermutlich sind die beiden Frauen längst tot. Was hätten Sie in einer solchen Situation getan, Major Kalinin? Wie hätten Sie dieser Horde Einhalt geboten, ohne sich selbst von ihnen aufschlitzen zu lassen? Das da draußen sind keine Menschen, denen man mit zwanzig Mann Einhalt gebieten könnte. Das sind Bestien, denen man besser nicht in die Quere kommt.“
Major Poljakow schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und schaute Kalinin fest in die Augen. Seine selbstsichere Fassade bröckelte. Man sah ihm deutlich an, dass er kurz davor stand, unter dem Druck zusammenzubrechen. Seine Mundwinkel zuckten, als er sich mit einer nervösen Geste die Haare aus dem Gesicht strich.
„Wo ist Machno?“, fragte Kalinin nach einer langen Pause.
Als man Anton Kalinin und seine Männer am nächsten Morgen in die große Messe führte, verschlug es ihnen fast den Atem. Die Fenster waren verschlossen und mit schwarzer Farbe überstrichen, sodass kein Tageslicht hereinfiel. Es stank nach Schweiß, Alkohol, Exkrementen und Verwesung. Kalinin zog sich instinktiv den Kragen seines Pullovers über die Nase. Er hörte vereinzelte Schreie, aber seine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, sodass er nichts erkannte. Er wollte schon umdrehen, weil er zweifelte, dass man sie tatsächlich zu Nestor Machno führte. Doch da Major Poljakow persönlich um diesen Termin gebeten hatte, blieb ihm keine Wahl, als den Wachen zu folgen.
Langsam begriff Kalinin, dass sie sich in einem riesigen Lazarett befanden. Auf dem Boden wanden sich blutüberströmte Menschen in ihren Ausscheidungen. Die, die sich nicht mehr bewegten, waren offensichtlich schon tot. Weder Ärzte noch Pfleger kümmerten sich um die Männer, woraus Kalinin schloss, dass man die Verwundeten sich selbst überließ. Er wusste aus eigener Fronterfahrung, dass nur die wenigsten Soldaten direkt auf dem Schlachtfeld starben. Die meisten kamen mit lebensgefährlichen Verletzungen in irgendein überfülltes Lazarett, nur um dort Tage später qualvoll zu verenden. Manchmal gab es fähige Sanitäter, die das Leiden ein wenig lindern konnten, doch viel zu oft mangelte es auch ihnen an Medikamenten und Ausrüstung. Hier in diesem provisorischen Lazarett gab es nichts von alledem.
Machnos Männer führten sie in ein höher gelegenes Stockwerk, wo sich ein weiterer großer Saal vor ihnen öffnete. Diesmal ohne abgedunkelte Fenster. In dem Raum befanden sich an die hundert Soldaten, teils stehend, teils an den Wänden sitzend. Sie trugen keine einheitlichen Uniformen, aber die Art und Weise, wie sie ihre Waffen hielten, ihr klarer Blick und ihre aufrechte Haltung wiesen sie als Soldaten mit Kampferfahrung aus. Vielleicht Offiziere, dachte Kalinin, der sich fragte, ob diese Männer auch jedes Mal durch das Lazarett laufen mussten, um hierher zu gelangen. Er verbuchte diesen Umweg als erste Schikane seines Gastgebers.
Man wies sie an, auf einer Bank Platz zu nehmen und zu warten, bis man sie aufrief. Kalinin versuchte zu erkennen, was sich am anderen Ende des Raumes abspielte, wohin die Blicke aller Anwesenden gerichtet waren. Niemand hatte ihr Eintreten bis jetzt zur Kenntnis genommen, denn dort saß Nestor Machno an einem großen massiven Schreibtisch und hörte sich den Bericht des vor ihm sitzenden Mannes an. Leider sprach der so leise, dass Kalinin ihn nicht verstehen konnte, aber er sah, wie Machno ihn fixierte. Starren Blickes, ohne mit den Wimpern zu zucken, saß er regungslos auf seinem Stuhl, leicht nach vorne gebeugt und aufs Äußerste angespannt. Sein auffällig langes Haar hing ihm lose bis auf die Schultern herab und war in einem Scheitel aus dem Gesicht gekämmt. Es sah fast aus, als trüge er einen Turban. Kalinin musste an einen Vulkan denken, der kurz vor dem Ausbruch stand.
Über was sprachen die beiden? Er bekam keine Antwort auf seine Frage. Stattdessen erhob sich Machno von seinem Stuhl, ging mit ausladenden Schritten um den Tisch herum und packte den verängstigten Mann am Kragen. Ihre Gesichter berührten sich fast, als Machno den Mann anschrie: „Nie wieder! Hast du gehört? Nie wieder werde ich solche Inkompetenz dulden!“ Er drückte den Mann zurück in seinen Stuhl und stieß ihn dann mit einem kräftigen Fußtritt zu Boden. Der hob, nach Gleichgewicht suchend, die Arme, konnte aber nicht verhindern, dass er hintenüber kippte und laut krachend aufschlug. Trotz der Demütigung war er erkennbar erleichtert, auf allen vieren wieder zurück in die Reihe seiner Kameraden kriechen zu dürfen.
Kalinin beobachtete fasziniert dieses Schauspiel und übersah dabei, dass Machno ihn mit einer Handbewegung zu sich rief. Einer seiner Männer stieß ihn in die Seite. Kalinin erhob sich von der Bank, streckte sich und ging so selbstbewusst wie möglich auf Nestor Machno zu. Der war zwar einen Kopf kleiner als Kalinin, aber seine Aura ließ ihn deutlich größer wirken. Kalinin streckte die Hand zum Gruß aus, doch Machno ignorierte die Geste. Er kam direkt zur Sache.
„Major Kalinin, Sie sind zurück von ihrer Fahrt durch die ukrainische Provinz. Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier in unserem Land.“ Die Art und Weise, wie Machno von seinem Land sprach, gefiel Kalinin nicht, doch er ignorierte diese weitere Provokation.
„Danke, wir kommen gut zurecht. Die Bauern sind größtenteils kooperativ, auch wenn wir dem Ansinnen Moskaus manchmal etwas mehr Nachdruck verleihen mussten“, antwortete er.
Der Anflug eines Lächelns lag auf Machnos Lippen, als Kalinin diese diplomatische Umschreibung ihrer teils sehr gewalttätigen Mission wählte.
„Wir waren überrascht“, fuhr Kalinin fort, „dass Jekaterinoslaw so schnell in die Kontrolle der Machnowzi übertragen wurde.“
„So, so, überrascht waren Sie. Ich hoffe, dass Ihnen dieser Umstand nicht ungelegen kommt“, unterbrach ihn Machno.
„Ganz und gar nicht.“ Kalinin fand in Machno keinen gut gelaunten Gesprächspartner vor. Ganz im Gegenteil. Es schien ihm zuwider, sich mit dem Befehlshaber der Tschekisten unterhalten zu müssen. Doch lag das wahrscheinlich nicht so sehr an der Tscheka als vielmehr daran, dass Machno sich mit keiner Autorität außerhalb seiner selbst auseinandersetzen wollte. Wie war es der Roten Armee wohl gelungen, diesen Anarchisten für ihre Zwecke zu gewinnen?
„Wir fragen uns nur, welchem militärischen Zweck die Vergewaltigung und Zerstückelung unserer eigenen Zivilbevölkerung dient? Oder das Tragen von Frauenkleidern, die sicher nicht zum Armeebestand der Machnowzi gehören? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass General Fjodrov dies im Sinn hatte, als er Jekaterinoslaw unter Ihr Kommando stellte und Ihnen auftrug, die Stadt zu sichern.“
Kalinin spürte, dass ein Ruck durch die Männer im Raum ging. Auch Machno streckte sich, atmete einmal tief durch und blickte sein Gegenüber mit starren, kalten Augen an. Doch Kalinin ließ sich davon nicht beeindrucken. Schier endlose Sekunden vergingen, bevor Machno antwortete.
„Ich glaube kaum, dass ich einem niederrangigen Tschekisten Rechenschaft darüber schulde, wie ich meine Armee führe, geschweige denn …“
„Es ist völlig unerheblich“, unterbrach Kalinin, „ob Ihnen mein Rang ausreichend erscheint oder nicht. In Abwesenheit von General Fjodrov haben Sie in mir und Major Poljakow die höchsten Repräsentanten der Regierung, die es in Jekaterinoslaw zurzeit gibt. Und als solcher möchte ich gerne von unseren Verbündeten wissen, welchem militärischen Zweck Vergewaltigung, Mord und Plünderung der Zivilbevölkerung dient.“
Kalinin wusste, dass er seine Kompetenzen weit überschritt, und konnte nur hoffen, dass Machno diesen Bluff nicht bemerkte. Nach einem nicht enden wollenden Augenblick wandte sich Nestor Machno schließlich achselzuckend ab und trat hinter seinen Schreibtisch zurück.
„Major Kalinin, vielleicht haben Sie es bei Ihren Fahrten durch die Provinz nicht mitbekommen, aber wir befinden uns im Krieg. Und Krieg bedeutet Entbehrung. Verlust der Heimat. Hunger. Da gönne ich meinen Männern gerne eine kleine Pause, wann immer es möglich ist. Und Sie dürfen mir glauben, dass sich diese tapferen Männer ihre Pausen verdient haben. Da werde ich sicher nicht kontrollieren, was sie im Einzelnen tun. Solch hässliche Dinge passieren nun einfach mal. Nichts, worüber sich General Fjodrov den Kopf zerbrechen muss.“
„Wollen oder können Sie Ihre Leute nicht kontrollieren?“ Kalinin wollte die selbstgefällige Fassade dieses Mannes durchbrechen, wohl wissend, dass er sich damit auf ganz dünnes Eis begab.
Es kostete Nestor Machno allergrößte Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. Jeder seiner Gesichtsmuskeln schien aufs Äußerste angespannt. Plötzlich zog er seinen Revolver aus dem Gürtel und schoss dem Mann, den er eben noch gedemütigt hatte, in den Kopf. Der Mann brach tödlich getroffen zusammen, während Machno mit ausgestrecktem Arm hinter seinem Schreibtisch stand, den Blick zu keinem Zeitpunkt von Kalinin abgewandt. Er hielt es nicht einmal für nötig, sich zu vergewissern, dass die Kugel auch den Richtigen getroffen hatte.
„Sie zweifeln an meiner Kontrolle, Major Kalinin?“ Er schrie und seine Stimme überschlug sich, als er noch einmal fragte: „Sie zweifeln wirklich an meiner Kontrolle? Darf ich Ihnen versichern, dass ich volle Kontrolle über meine Männer habe? Und darf ich Ihnen auch versichern, dass es mir scheißegal ist, wen sie in ihrer Freizeit erschlagen und wen sie vergewaltigen? Solange sie für mich kämpfen, dürfen sie tun und lassen, was sie wollen. Und wenn ich sie rufe, dann gehorchen sie. Ich habe die vollständige Kontrolle über diese Männer, das dürfen Sie mir gerne glauben, Major Kalinin.“
Kalinin blickte ihn entsetzt an, wusste nicht, was er diesem Verrückten noch entgegnen konnte. Sinnlos, in Nestor Machno einen vernünftigen Verbündeten zu vermuten, mit dem man über das Verhalten seiner Armee hätte sprechen können. Was sollte man von einer Armee auch erwarten, die von einem offensichtlich schwer gestörten Mann angeführt wurde. Kalinin wandte sich wortlos zum Gehen.
„Eine Sache noch, Major Kalinin“, rief Machno ihm hinterher. „Wie haben die Deutschen auf Ihre Abgabequoten reagiert?“
Kalinin drehte sich um, verstand aber den Sinn der Frage nicht. Machno sah seine Verwirrung. „Gab es Widerstand in den deutschen Dörfern?“, fragte er mit ausladender Handbewegung, als müsse er einem Kind erklären, was er eigentlich meinte.
„Nein, sie waren äußerst kooperativ“, entgegnete Kalinin.
„So, so. Sie haben also keinen Dolmetscher benötigt?“
„Doch“, antwortete Kalinin zögerlich. Das aufkommende Gelächter in den Reihen der Machnowzi verunsicherte ihn. „Ihr Pastor hat für mich übersetzt.“
Nun stimmte Machno in das offene Gelächter seiner Männer mit ein. „Dann haben Sie sicher eine ganz großartige Quote eingefahren.“
Kalinin wandte sich endgültig zum Gehen, hörte Machno noch rufen: „Richten Sie den Deutschen aus, dass es nicht mehr lange dauert, bis der Teufel den Dnjepr überquert und sie holen kommt.“