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Unsere Arbeit ist etwas Gutes

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Was wir im biblischen Schöpfungsbericht lesen, ist wahrlich erstaunlich: Zum Paradies gehörte die Arbeit. Der Theologe Ben Witherington resümiert in seinem Buch über die Arbeit: „Es ist vollkommen klar, dass es zu Gottes gutem Plan von Anfang an gehörte, dass die Menschen arbeiten – oder, genauer, in dem ständigen Kreislauf von Arbeit und Ruhe leben.“29 Wieder könnte der Gegensatz zu anderen Religionen und Kulturen nicht größer sein. Die Arbeit kam nicht nach einem goldenen Zeitalter des Müßiggangs in die Welt hinein, sondern sie gehörte zu Gottes vollkommenem Plan für die Menschen, denn wir sind nach Gottes Bild erschaffen, und zu seiner Herrlichkeit und Seligkeit gehört es, dass er arbeitet, wie auch sein Sohn, der gesagt hat: „Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch“ (Johannes 5,17 LU).

Dass zum Paradies die Arbeit gehörte, erstaunt uns, weil wir das Arbeiten so oft als notwendiges Übel, ja als Strafe betrachten. Doch Tatsache ist, dass die Arbeit nicht erst nach dem Sündenfall in die Welt kam, als Teil des Fluches und Zerbruchs, sondern sie gehört zum Segen des Gartens Gottes. Arbeit ist genauso ein menschliches Grundbedürfnis wie Essen, Schönheit, Schlafen, Freundschaft, Beten oder Sexualität. Sie ist Medizin für unsere Seele, ja ihr tägliches Brot. Ohne sinnvolle Arbeit fühlen wir uns innerlich leer und unausgefüllt. Menschen, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht arbeiten können, entdecken rasch, wie sehr sie die Arbeit brauchen, um sich körperlich, seelisch und geistlich wohlzufühlen.

Zwei Freunde von uns, Jay und Barbara Belding, Unternehmer in einem Vorort von Philadelphia, erkannten dieses Grundbedürfnis unter lernbehinderten jungen Erwachsenen. Jay, der Sonderschullehrer war, stellte fest, dass die Berufsaussichten für die Schulabgänger schlecht waren. Die herkömmlichen Berufsausbildungs- und Beschäftigungsprogramme boten oft schlicht zu wenig Arbeit, mit entsprechend langen Beschäftigungspausen ohne Entlohnung. 1977 gründeten Jay und Barbara daher Associated Production Services, eine Firma, die diesen Menschen Qualitätsausbildungen und Beschäftigung bietet. Heute bildet sie 480 Personen aus, die an vier Standorten mit arbeitsintensiven Verpackungs- und Montagearbeiten für verschiedene Konsumgüter beschäftigt sind. Jay wollte Arbeitsmittel und Systeme zur Verfügung stellen, die die Qualität und Produktivität erhöhen und die helfen, eine Kultur des Erfolges für das Unternehmen und die Menschen, denen es dient, zu schaffen. Die Beldings sind dankbar, Mittel und Wege gefunden zu haben, das Grundbedürfnis ihrer Angestellten nach einem produktiven Leben zu stillen: „Unsere Leute wollen teilhaben an der Welt der Arbeit. Sie möchten ein positives Selbstbild haben und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.“ Ihre Angestellten können ihre von Gott gegebene Rolle als Arbeiter und Schöpfer endlich voll ausfüllen.

Arbeit ist ein so fundamentaler Aspekt unseres Menschseins, dass sie eines der wenigen Dinge ist, die wir in hohen Dosierungen vertragen, ohne Schaden zu nehmen. Die Bibel sagt nicht, dass wir einen Tag arbeiten und dann sechs ruhen sollen, sondern genau umgekehrt! Freizeit und Muße sind hohe Güter, aber sie wollen in Maßen genossen werden. Wenn Sie Patienten in Pflegeheimen oder Krankenhäusern fragen, wie es ihnen geht, werden Sie oft hören, dass das, was sie am meisten vermissen, eine sinnvolle Tätigkeit ist, bei der sie sich nützlich machen können. Sie haben zu viel Muße und zu wenig Arbeit. Der Verlust der Arbeit stürzt uns in eine Krise, weil wir zum Arbeiten erschaffen sind. Diese Erkenntnis führt uns hinaus über die gängige Ansicht, dass man halt arbeitet, um leben zu können. Laut Bibel brauchen wir nicht nur das Geld, das wir mit unserer Arbeit verdienen, um zu leben; wir brauchen die Arbeit selber, um wirklich leben zu können und im vollsten Sinne Menschen zu sein.

Die Gründe dafür werden wir in späteren Kapiteln genauer beleuchten, aber so viel schon jetzt: Arbeit ist eine der Möglichkeiten, wie wir uns für andere Menschen nützlich machen und nicht nur für uns selber leben. Sie ist auch eines der Mittel, uns selber zu entdecken, denn durch sie lernen wir unsere Fähigkeiten und Gaben kennen – ein zentraler Teil unserer Identität.30 Und so kann Dorothy Sayers schreiben: „Wie sieht das christliche Verständnis von Arbeit aus? … Arbeit [ist] nicht in erster Linie etwas …, was man tut, um zu leben, sondern etwas, wofür man lebt. Sie ist der volle Ausdruck der Fähigkeiten des Arbeiters oder sollte das zumindest sein … und das Medium, durch das er sich Gott darbringt.“31

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