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Alle Arbeit ist kulturschaffend

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Der Präsident des Fuller Seminary, Richard Mouw, sprach einmal vor einer Versammlung von Bankern in New York City. Er führte sie in das 1. Buch Mose und zeigte ihnen, dass Gott ein Schöpfer bzw. Investor ist, der die Welt als Bühne für alle möglichen Formen der Kreativität geschaffen hat. Mouw forderte seine Zuhörer auf, sich Gott als Investmentbanker vorzustellen, der unter Einsatz all seiner Mittel eine ganze neue Welt erschuf. Wenn wir im Geschäftsleben sehen, dass irgendwo ein Bedarf besteht, erkennen, mit was für Mitteln oder Fähigkeiten man ihn decken könnte, und dann entsprechend unsere Ressourcen investieren (auf unser eigenes Risiko), sodass der Bedarf gedeckt wird, und das Ergebnis sind neue Arbeitsplätze, neue Produkte und eine bessere Lebensqualität – dann handeln wir, so Mouw, eigentlich ähnlich wie Gott.

Nach dem Vortrag sagten viele der Zuhörer: „Könnten Sie das, was Sie heute Abend gesagt haben, auch einmal meinem Pastor sagen? Der glaubt, dass ich nur Geld machen will.“ Nun dienen in der Tat nicht alle Geschäftsaktivitäten dem Gemeinwohl. Wir handeln dann ähnlich wie Gott, wenn – und dies ist ein großes „wenn“ – unser Projekt das Leben der Menschen verbessert und nicht nur unseren Kontostand. Die offensichtlichsten Negativbeispiele sind hier der illegale Drogenhandel und die Pornografie. Doch es gibt noch viele andere Projekte (viele brachte die jüngste Wirtschafts- und Bankenkrise ans Licht), die einigen der Beteiligten kurzfristig hohe Profite brachten, obwohl klar war, dass sie nicht gut für die beteiligten Firmen und Institutionen, für viele Kunden und Aktionäre oder für die Gesellschaft allgemein waren. Aber auf der anderen Seite wird gerade in vielen Kirchen zu Unrecht das Vorurteil gepflegt, dass Investoren und Unternehmer alle nur „Heuschrecken“ seien, die immer nur das schnelle Geld wollen und das Gemeinwohl nicht sehen. Ein Pastor, der das Wirtschaftsleben nicht als mögliche Methode sieht, Kultur zu schaffen und die Schöpfung zu pflegen, wird vielen seiner Gemeindeglieder nicht die Hilfe, Wertschätzung und Führung geben können, die sie brauchen.

Dieser Aspekt des biblischen Verständnisses der Arbeit gibt nicht nur den großen Projekten Vision und Bedeutung, sondern auch den kleinsten und alltäglichsten, denn im Klein-Klein des Alltags ist es genauso wichtig, die Schöpfung zu kultivieren. In seinem Buch Culture-Making: Recovering Our Creative Calling erinnert Andy Crouch uns daran, dass unsere Arbeit immer wichtig ist, egal, wie groß oder bescheiden sie ist. Andy schreibt über die Arbeit seiner Frau Catherine, die Physikprofessorin ist:

In ihrer Tätigkeit als Physikprofessorin kann Catherine viel tun, um die Kultur ihrer Kurse und ihres Forschungslabors zu prägen. In der etwas sterilen, „technischen“ Umgebung eines Labors kann sie durch das Abspielen klassischer Musik eine Atmosphäre der Kreativität und Schönheit schaffen. Sie kann die Art, wie ihre Studierenden auf tolle oder enttäuschende Ergebnisse reagieren, beeinflussen, und sie kann ihnen vorleben, wie man beides – das Arbeiten und das Ausruhen – richtig macht. Indem sie gelegentlich ihre Kinder mit zur Arbeit bringt, schafft sie eine Kultur, in der die Familie kein Störfaktor bei der Arbeit ist und wo Forschung und Lehre wie selbstverständlich zum Leben einer Mutter dazugehören. Dadurch, dass sie ihre Studierenden in unser Haus einlädt, zeigt sie ihnen, dass sie sie als Menschen schätzt, und nicht nur als Produktivitätsfaktoren in der Forschung. In dem kleinen Rahmen ihres Labors und ihres Seminarraums kann sie wirklich die Welt ein Stück weit umprägen.54

Keine noch so alltägliche Arbeit entbehrt der Würde, ein Abbild der Arbeit Gottes zu sein, und kein Megadeal in der Wirtschaft und keine Initiative im politischen Leben können so groß sein, dass sie größer sind als Gottes Strukturen und Grenzen für die Arbeit. Aber mehr noch: Gott lässt uns nicht allein bei dem Versuch, herauszufinden, wie oder warum wir seine Schöpfung kultivieren sollen; er hat uns ein klares Ziel für unsere Arbeit vorgegeben und wird nicht müde, uns zu rufen.

Berufung

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