Читать книгу Berufung - Timothy Keller - Страница 23

„Füllt die Erde und macht sie euch untertan“

Оглавление

Wir sind als arbeitende Wesen geschaffen, und diese Aufgabe gibt uns unsere Würde. Sie ist auch eine Methode, Gott durch Kreativität zu dienen, vor allem, indem wir Kultur schaffen.

Gott setzte die Menschen in einen Garten. Der Alttestamentler Derek Kidner führt aus, dass unter den Freuden in diesem Garten die Arbeit eine der größten war. „Das irdische Paradies … ist ein Modell der elterlichen Fürsorge. Der junge Mensch wird behütet, aber nicht erdrückt: Von allen Seiten erwarten ihn Entdeckungen und Begegnungen, die seinen Verstand und seine Entscheidungsfähigkeit schärfen, und es gibt reichlich Nahrung für seinen ästhetischen, physischen und geistlichen Hunger, ja, vor ihm liegt ein Menschenwerk an Arbeit für Körper und Geist (V. 15.19).“49 Für unser geistliches Wachstum gab es ein Wort Gottes, dem es zu gehorchen galt (V. 16-17). Für unsere kulturelle und schöpferische Entwicklung gab es die körperliche Arbeit der Sorge für den Garten (V. 15), und Geist und Erkenntnis wurden durch das Benennen der Tiere (V. 19) geschult. Und schließlich legt Gott mit der Erschaffung Evas und der Stiftung der Ehe den Grund für die Herausbildung einer ganzen Gesellschaft (V. 19-24). Und all dies war eine Präzisierung der allgemeinen „Arbeitsanweisung“ in 1. Mose 1,28-29: „Füllt die Erde und macht sie auch untertan.“ Man hat dieses Gebot Gottes auch das „Kulturmandat“ genannt. Was bedeutet das?

Erstens sollen wir die Erde „füllen“, also uns vermehren. Während das Vermehren auch für die Pflanzen und Tiere gilt (vgl. 1. Mose 1,11.20.22.24), erhalten die Menschen nicht nur ausdrücklich den Befehl zum aktiven Sichvermehren (V. 28a), sondern danach einen detaillierten Arbeitsauftrag (V. 28b-29). Mit anderen Worten: Nur für die Menschen ist das Sichvermehren ein Auftrag, der ganz bewusst erfüllt werden will. Aber warum ein Auftrag? Ist Fortpflanzung nicht etwas ganz Natürliches, das quasi von alleine geht? Nicht ganz. Wenn die Menschen „die Erde füllen“, ist dies etwas anderes, als wenn die Pflanzen und Tiere dies tun. Es bedeutet nicht nur Fortpflanzung, sondern auch Kultur. Gott will nicht bloß mehr Individuen der menschlichen Spezies haben, er möchte eine menschliche Gesellschaft. Er hätte mit einem Wort auf der Stelle Millionen von Menschen in Tausenden von Siedlungen erschaffen können, aber das tat er nicht, sondern er erklärte den Bau dieser Gesellschaft zu unserer Sache.

Zweitens ruft Gott uns auf, über den Rest der Schöpfung zu „herrschen“, ja sie uns „untertan“ zu machen. Was bedeutet das? Der Ausdruck „untertan machen“(andere Übersetzungen: „in Besitz nehmen“, „unterwerfen“) könnte zu dem Schluss verleiten, dass die Naturkräfte Feinde sind, die es zu besiegen gilt. Manche Ausleger sehen in diesem Text eine Lizenz zur rücksichtlosen Ausbeutung der Natur, aber das sagt der Text nicht.50 Man bedenke, dass dieses Mandat dem Menschen vor dem Sündenfall gegeben wird, also bevor die Natur der Vergänglichkeit unterworfen wurde (Römer 8,17-27) und neben Früchten auch Dornen trug (1. Mose 3,17-19). Es besteht noch eine Ur-Harmonie in der Schöpfung, die nach dem Sündenfall so nicht mehr existiert. Wenn der Mensch sich die Erde „untertan machen“ soll, dann hat das nichts „Gewalttätiges“ an sich, sondern wenn er als Gottes Ebenbild über die Erde herrscht, übt er das Amt eines Verwalters oder Treuhänders aus. Der Eigentümer der Welt ist Gott, aber er hat sie uns anvertraut, um sie zu pflegen und zu kultivieren. Es handelt sich definitiv nicht um ein Mandat, die Welt und ihre Ressourcen als unser persönliches Eigentum zu betrachten und nach Belieben zu nutzen, auszubeuten und wegzuwerfen.

Doch das mit „untertan machen“ übersetzte hebräische Wort ist ein starkes Wort, das einen echten Willensakt meint. So verhält sich auch Gott gegenüber seiner Schöpfung. Als er die materielle Welt erschafft, ist sie nicht sofort „fertig“, sondern „wüst und leer“ (1. Mose 1,2 LU), und im weiteren Verlauf verändert Gott diesen Zustand – durch sein Arbeiten und Wirken. Er gibt der Welt Form. Wo sie formlos und undifferenziert ist, gibt er Gestalt und Vielfalt. Er nimmt das Allgemeine und strukturiert es, indem er z. B. den Himmel vom Meer „trennt“ (1,7) und das Licht von der Dunkelheit (1,4). Wir sehen diese Liebe an der Vielfalt auch bei der Erschaffung Evas. Gott hätte ohne Weiteres nur eine Art von Menschen erschaffen können; stattdessen erschuf er uns in zwei voneinander verschiedenen, sich ergänzenden und doch gleichwertigen Geschlechtern. Die Erschaffung Adams und Evas als geschlechtlicher Wesen führt zur biologischen Fortpflanzung – noch eine Variante, wie wir als Gottes Ebenbilder das Werk, das er am Anfang tat, fortführen. Und wo etwas leer ist, füllt Gott es. An den ersten drei Schöpfungstagen schafft er verschiedene Bereiche (Firmament; Himmel und Wasser; Erde), die er in den zweiten drei Tagen mit „Bewohnern“ füllt (Sonne, Mond und Sterne; Vögel und Fische; Landtiere und Menschen).

Das Wort „untertan machen“ deutet also an, dass Gott die Welt in ihrer ursprünglichen Gestalt, vor dem Sündenfall, auf Arbeit angelegt hat. Er hat die Welt so geschaffen, dass selbst er arbeiten musste, damit sie so würde, wie er es geplant hatte, und all ihren Reichtum und ihr Potenzial entfaltete. Es ist kein Zufall, dass in 1. Mose 1,28 Gott uns auffordert, das zu tun, was er selber tut – zu füllen und untertan zu machen.

Berufung

Подняться наверх