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Die Grenzen der Arbeit

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Doch bedenken wir auch, dass Gott nach seiner Arbeit ruhte (1. Mose 2,2). Viele Menschen machen den Fehler, zu denken, dass Arbeit ein Fluch ist und man den Sinn im Leben folglich nur in anderen Dingen (Freizeit, Familie oder auch „Religion“) finden kann. Die Bibel straft diese Vorstellung Lügen. Aber sie bewahrt uns auch vor dem entgegengesetzten Fehler, nämlich der Vorstellung, dass die Arbeit das einzig Wichtige im Leben ist und der Rest ein notwendiges Übel, das man nur tut, um „die Batterien wieder aufzuladen“, damit man weiter arbeiten kann. Wie ist das mit Gott selber? Er brauchte keine Ruhepause, um neue Kraft zu bekommen, und doch ruhte er am siebten Tag (1. Mose 2,1-3). Wenn das so ist, dann können wir als nach seinem Bild erschaffene Wesen davon ausgehen, dass Ruhepausen und die Dinge, die man in ihnen tut, nicht nur als Mittel zur Pflege der Arbeitskraft, sondern in sich selber etwas Gutes sind. Arbeit ist nicht alles im Leben. Ohne Arbeit kein sinnvolles Leben – aber Arbeit ist nicht der große Sinn meines Lebens. Wo wir irgendeine Arbeit (und sei es die in der Kirche!) zum Sinn unseres Lebens machen, basteln wir uns einen Götzen, der Gott Konkurrenz macht. Meine Beziehung mit Gott ist das wichtigste Fundament meines Lebens und der Garant dafür, dass all die anderen Dinge – Arbeit, Freundschaft, Familie, Freizeit und Vergnügen – nicht so wichtig werden, dass wir von ihnen abhängig und sie damit pervertiert werden.

Josef Pieper, ein katholischer Philosoph des 20. Jahrhunderts, schrieb 1947 eine berühmt gewordene Abhandlung über „Muße und Kult“. Pieper führt aus, dass Muße nicht einfach die Abwesenheit von Arbeit ist, sondern eine innere Einstellung, die uns in den Stand setzt, die Dinge so zu genießen und zu betrachten, wie sie in sich selber sind, ohne auf ihre Nützlichkeit zu schielen. Das typische Workaholic-Denken unserer westlichen Kultur neigt dazu, alles durch die Brille der Effizienz, der Verwertbarkeit und der Geschwindigkeit zu betrachten. Aber der Mensch muss auch fähig sein, die ganz einfachen Dinge des Lebens zu genießen, einschließlich derer, die nicht „nützlich“, sondern „nur“ schön sind. Interessanterweise sieht der oft als Griesgram verschriene Reformator Calvin dies genauso. In seiner Institutio (Unterricht in der christlichen Religion) warnt er davor, die Dinge nur nach ihrem Gebrauchswert zu beurteilen:

Wenn wir nun also bedenken, zu welchem Zweck er [Gott] die Nahrungsmittel geschaffen hat, so werden wir finden, dass er damit nicht bloß für unsere Notdurft sorgen wollte, sondern auch für unser Ergötzen und unsere Freude! So hatte er bei unseren Kleidern außer der Notdurft auch anmutiges Aussehen und Anständigkeit als Zweck im Auge. Kräuter, Bäume und Früchte sollen uns nicht nur mancherlei Nutzen bringen, sondern sie sollen auch freundlich anzusehen sein und seinen Wohlgeruch haben … Hat er nicht überhaupt viele Dinge über den notwendigen Gebrauch hinaus kostbar für uns gemacht?33

Mit anderen Worten: Wenn wir die Welt betrachten, sollten uns Worte in den Sinn kommen wie:

Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn;

drum dankt ihm, dankt,

drum dankt ihm, dankt

und hofft auf ihn!34

Wenn wir nicht regelmäßig unsere Arbeit ruhen lassen und uns Zeit zur Anbetung Gottes nehmen (die für Pieper eine der Hauptaktivitäten der „Muße“ ist) und einfach über die Welt (einschließlich der Früchte unserer Arbeit) nachsinnen und sie genießen, erleben wir keinen wirklichen Sinn in unserem Leben. Pieper wörtlich:

Gegen die Ausschließlichkeit des Richtbildes der Arbeit als Mühe … steht die Muße als die Haltung feiernder Betrachtung … Muße lebt aus der Bejahung. Muße ist nicht einfach dasselbe wie Nicht-Aktivität … Sie ist wie die Stille im Gespräch der Liebenden, das aus der Übereinstimmung sich nährt … Und wie es in der Schrift heißt, Gott habe, indem er „feierte von dem Werke, das er gemacht“, gesehen, dass alles sehr gut war (Gen. 1,31), so auch schließt des Menschen Muße ein feiernd-zustimmendes Verweilen des inneren Blickes auf der Schöpfungswirklichkeit in sich.35

Kurz: Arbeit (und sogar viel Arbeit!) ist ein unverzichtbarer Bestandteil eines erfüllten Lebens. Sie ist eines der größten Gottesgeschenke und mit das Wichtigste, das unserem Leben Sinn gibt. Doch sie muss ihren richtigen Platz haben, sie muss Gott dienstbar sein und regelmäßig unterbrochen werden von Freizeit und Muße – nicht nur zur körperlichen Regenerierung, sondern auch zum freudigen Genießen der Welt und der kleinen Dinge im Leben.

Kommt Ihnen das selbstverständlich vor? Sagen Sie: „Natürlich ist Arbeit wichtig, und natürlich ist sie nicht das Einzige im Leben“? Aber es ist so wichtig, diese beiden Wahrheiten richtig zu verstehen. Denn in einer gefallenen Welt ist Arbeit frustrierend und anstrengend, und nur zu leicht kommt man zu dem Schluss, dass man ihr aus dem Weg gehen oder sie halt über sich ergehen lassen muss. Und weil unsere ruhelosen Herzen nach Bejahung und Bestätigung schreien, ist es genauso verführerisch, in das andere Extrem zu fallen und Arbeit und Karriere zum Mittelpunkt des Lebens zu machen. Nicht selten ist Arbeitssucht sogar ein perverser Versuch, unser Lebensarbeitspensum frühzeitig hinter uns gebracht zu haben, damit wir das Kapitel „Arbeit“ abhaken können. Mit dergleichen Einstellungen machen wir unsere Arbeit nur noch lähmender und unbefriedigender.

Wenn wir denken: „Ich hasse Arbeit!“, sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, dass Arbeit uns zwar manchmal wie kaum etwas anderes an den Fluch der Sünde über alle Dinge erinnern kann, aber dass sie nicht selber ein Fluch ist. Wir sind für sie geschaffen, und sie macht uns frei. Aber wenn unser Leben sich nur noch um die Arbeit zu drehen scheint, sollten wir auch an ihre Grenzen denken. Es gibt kein besseres Fundament für ein sinnvolles Arbeitsleben als ein solides Verständnis der Balance zwischen Arbeit und Muße, die wir in der Bibel finden.

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