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Wie soll ich dich empfangen? (EG 11)

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Wenn man im evangelischen Gesangbuch die Nummer 11 aufschlägt, findet man ein Adventslied in der kraftvollen und anschaulichen Sprache des Dichters Paul Gerhardt. Er stellt eine Frage an den Gott, der in Jesus zur Erde kommt: „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“

Schon 1653 erschien das Lied in einem Gesangbuch des Kantors Johann Crüger, der auch die Melodie dazu komponiert hat. Johann Sebastian Bach nahm es – allerdings mit einer anderen, älteren Melodie – in sein Weihnachtsoratorium auf. Und bis heute gibt es wohl kaum eine Kirchengemeinde, in der dieses Lied nicht mindestens einmal in der Adventszeit gesungen wird.

Dass dieses Lied immer noch berührt, hat damit zu tun, dass Paul Gerhardt selbst bewegt war von dem, was er dichtete. Zwar lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen, was er gedacht und assoziiert hat. Aber aus seinem Lebenslauf ist manches bekannt, das den Hintergrund ausleuchtet, vor dem seine Lieder entstanden sind.

Paul Gerhardt wurde 1607 geboren und ist 1676 gestorben. Fast 70 Jahre hat der Dichter auf der Erde gelebt, davon waren 30 Jahre geprägt vom Krieg und dem, was er mit sich brachte: Elend und Armut, Pest, Pocken und Ruhr. Im Alter von 12 Jahren verlor Paul Gerhardt seinen Vater, nur vier Jahre später starb auch seine Mutter.

1655 heiratete Paul Gerhardt Anna Maria Berthold. Vier der fünf Kinder, die das Paar bekam, starben im Kindesalter. Auch Anna Maria starb vor ihrem Mann, im Jahr 1667.

Es würde niemanden verwundern, wenn ein Mensch, der so viel Leid gesehen und Schweres erlebt hat, den Glauben an Gott verlöre. Umso erstaunlicher ist es, auf welche Weise Paul Gerhardt in seinem Adventslied von Gott spricht:

Nichts – so dichtet er – unterlässt Gott, um uns Menschen zu trösten, er beschenkt uns mit unvergänglichem Reichtum, und er umfängt uns zärtlich und fest in allem, was uns widerfährt.

Wenn ich das Lied singe oder lese, trage ich mich selbst ein mit meinen Gedanken und Gefühlen. Tiefgehend ist der Trost, den Paul Gerhardt über Jahrhunderte hinweg weiterreicht: Er berührt mich bis heute. Ich ahne, dass Gott uns Menschen nicht ins Elend stürzt, sondern, im Gegenteil, bei uns ist, wenn wir leiden müssen. Er umhüllt uns mit seiner Liebe, die ihn – so Paul Gerhardt – vom Himmel zu uns heruntergetrieben hat.

Die besorgte Frage am Beginn des Liedes verwandelt sich am Ende in Vertrauen. Aus dem „Wie soll ich dich empfangen?“ wird ein Staunen über die Liebe, mit der Gott uns umgibt und hält.

Nicht wir sind es, die sich verausgaben müssen, um Gott gebührend zu empfangen. Gott hat die Welt schon längst umfangen, ihr Glück, ihren Schmerz. Er hält sie in seinen Armen, als Liebender.

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