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Den Möglichkeitssinn trainieren

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Ich mag den Konjunktiv.

Er bildet sich in den Lücken der Zeit, zwischen wirklich und möglich, zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“. Er hat das Potential, einen anderen Ausgang der Vergangenheit zu fantasieren. Dabei unternimmt er den – zum Scheitern verurteilten – Versuch, die Kehrseite der Medaille zu erkennen, wenn sie bereits auf dem Boden der Tatsachen aufgetroffen ist.

Ja, es stimmt, nichts ist zu ändern an dem, was schon war.

Aber die Fantasie begnügt sich ja nicht mit dem, was abgeschlossen ist. Sie ragt hinein in die Zukunft und entwirft ebenso, was noch vor uns liegt. Sie zeichnet ein Bild, wie es werden könnte und trotzt träumend dem Wissen, dass Entwurf und Wirklichkeit nie deckungsgleich sein werden.

Der Konjunktiv ist das Sprachrohr eines Möglichkeitssinnes, der darauf vertraut, dass die Welt ohne Gegenentwürfe – man könnte sie auch Visionen nennen – ärmer und trauriger sein würde als mit ihnen.

Glaube trainiert jenen Möglichkeitssinn, der den Träumen etwas zutraut und dessen ungestüme Antriebskraft die Sehnsucht ist.

Zwischen Stern und Stall

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