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Sherlock Holmes: Das Geheimnis um …
ОглавлениеBei Interviews werde ich immer wieder gefragt, wie das denn alles mit meinen Fähigkeiten begonnen habe. Ob es Schlüsselerlebnisse gegeben habe, ob ich »so« geboren sei, ob das jeder lernen könne und ob ich überhaupt einmal abzuschalten vermöge oder mein Gegenüber ständig läse? Ob ich Menschen um mich herum automatisch manipulierte und meine Fähigkeiten auch im Privaten regelmäßig einsetzte? Und wie das für mein Umfeld sei? Nicht zu vergessen die überaus originelle Frage: »Sie wissen ja schon, wie meine erste/nächste Frage lauten wird, also muss ich sie gar nicht mehr stellen, oder?«
Ein kurzes Augenrollen von mir genügt, und schnell wird dann nachgeschoben. »Oh, ich bin sicher nicht der (die) Erste mit dieser Frage. Richtig? Aber könnten Sie mir bitte die Lottozahlen voraussagen?« Mmm … Je nachdem, wer mich fragt und wie gefragt wird, gebe ich nicht immer die gleiche Antwort auf diese immer gleichen Fragen. Einerseits möchte ich nicht einfach Wort für Wort stets genau das Gleiche erzählen, um nicht in einen Trott zu verfallen, und andererseits gibt es auf manche Frage auch nicht eine glasklare und immer gültige Antwort. Die meisten Fragen kommen ja nicht von ungefähr und geben mir schon wichtige Hinweise zum Fragenden.
Ich werde, über das ganze Buch verteilt, diese und noch viel mehr Fragen übrigens beantworten. Aber zuerst einmal: Wie wurde ich denn nun Gedankenleser oder Mentalist? Die Wahrheit ist: Es gab nicht einfach nur ein Schlüsselerlebnis oder einen gradlinigen Prozess, sondern es kamen zahlreiche verschiedene Puzzleteile zusammen – manche bewusst, andere unbewusst und zufällig –, bis alles schließlich zusammenpasste. So vieles ergibt heute einen Sinn, und die Zahnräder greifen meist perfekt ineinander, wie bei einem Schweizer Uhrwerk, doch bis es so weit war, gab es viele parallele Welten/Interessen, die auf den ersten Blick nichts mit meiner heutigen Kunst zu tun haben. Am Ende habe ich denn auch fast alles auf einen gemeinsamen Nenner gebracht und versuche nun, aus allem einen Nutzen zu ziehen.
Ich bin der Jüngste von drei Kindern. Meine Schwester Gudula ist fünf Jahre und mein Bruder Gereon zwei Jahre älter als ich, und wenn meine Großmutter väterlicherseits zu Besuch war und uns aus einem Buch vorlas, bekam ich somit automatisch schon das »Programm« für ältere Kinder mitgeliefert.
Am meisten hatten es mir damals Detektivgeschichten angetan. Anfangs ging es los mit den ganzen Enid-Blyton-Serien (Geheimnis um …, Die schwarze 7), dann kamen Die drei ???, Kalle Blomquist … und später verschiedene Agatha-Christie-Bücher – und natürlich Sir Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes. Ich war ein sehr bewegungsfreudiges Kind und verbrachte viel Zeit im Freien und mit Sport, aber zu Hause habe ich sehr viel gelesen, manchmal auch nächtelang, mit einer Taschenlampe ausgerüstet, unter der Decke, um nicht aufzufallen. Mein erster Berufswunsch stand daher schon früh fest: Ich wollte Detektiv werden, am besten so wie eben Sherlock Holmes. Selbst später gab es noch Momente, als ich eigentlich Kriminologie studieren wollte …
Da unser Haus keinen Fernsehanschluss besaß, hatten wir, bis ich 16 Jahre alt war, kein TV, aber mein Großvater mütterlicherseits kaufte sich einen der ersten Video-2000-Rekorder von Grundig und nahm für uns immer alle Filmklassiker auf, die dann in den Ferien eifrig geschaut wurden. So entstand später die Liebe zu Hitchcock-Filmen und zur Schauspielerei. Angespornt von den ganzen Geschichten in den Romanen und Filmen, betätigte ich mich detektivisch mit dem Aufspüren von Rätseln und Geheimnissen.
Wenn meine Eltern zum Beispiel die Schlüssel verlegt hatten, wusste ich schon bald, wo sie waren. Es entstand eine Faszination für Beobachtungen, deduktives Denken und Intuition, gepaart mit einem ausgeprägten visuellen Erinnerungsvermögen. Als Kind habe ich dies immer wieder geübt, bis ich so gut wurde, dass ich es locker auch bei anderen Personen anwenden konnte, indem ich mich in sie hineinversetzt und mir überlegt habe, wie sie ticken und welche Handlungen sie wohl davor schon vornahmen. Ganz im Sinne von Sherlock Holmes.
Dank meiner Eltern habe ich eine gute Mischung von Eigenschaften erhalten: mein Vater ein sehr rational und logisch denkender Mensch (Naturwissenschaftler), der eher alles hinterfragt und Probleme sieht, bevor sie tatsächlich vorhanden sind; und meine Mutter eine kreative, humorvolle und optimistische Frohnatur, die meist alles sehr gelassen nimmt. Da beide auch noch kulturliebende Menschen sind, bekam ich zudem früh Zugang zur Musik, zum Theater, zur Kunst …
All dies, zusammen mit meiner Neugier und meinem inneren Antrieb, brachte mich auf meinen heutigen Weg, und im Alter von zwölf Jahren war mir dann schon klar, dass ich meine Liebe, meine Berufung zum Beruf machen würde, obwohl es so etwas in meinem persönlichen Umfeld bisher nicht gegeben hatte. Natürlich bin ich ab und zu vom Weg abgekommen, aber grundsätzlich folgte ich von da an immer meinem inneren Kompass, meiner Vision.
Einmal abgesehen von einer sehr kurzen Zeit, in der ich als Ausgleich einen Teilzeitjob in einem Restaurant hatte, ein fünfmonatiges Engagement als Tänzer auf einem Kreuzfahrtschiff annahm und einen dreimonatigen Teilzeitjob als Croupier ausübte (dazu später mehr), war ich immer mein eigener Chef. Es ist sehr befreiend und befriedigend, wenn man seine Leidenschaft zum Beruf machen kann, aber dafür kann ich kaum abschalten – alles, was ich erlebe, wird in meinem Kopf sofort verarbeitet und fließt auf die eine oder andere Art in meine Kunst ein.