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3. Verarbeitung personenbezogener Daten auf Basis einer Interessenabwägung

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Der in der Praxis wohl wichtigste Erlaubnistatbestand ist in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO normiert.95 Demnach darf ein Verantwortlicher personenbezogene Daten auch dann verarbeiten, wenn „die Verarbeitung [...] zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [ist], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt“.

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Die Bedeutung dieser Vorschrift nimmt vor allem dadurch noch weiter zu, als einige im BDSG a.F. enthaltene spezielle Erlaubnisnormen für bestimmte Verarbeitungssituationen in der DSGVO nicht mehr enthalten sind und sich die Zulässigkeit der Datenverarbeitung in diesen Fällen nunmehr nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO richtet – so z.B. in den wohl meisten Fällen die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Werbung.96 Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass es sich bei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO aus rechtlicher Sicht nicht um einen (subsidiären) Auffangtatbestand bzw. eine Generalklausel handelt,97 welche(r) die Datenverarbeitungen nur dann erlauben kann, wenn die übrigen Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllt sind. Vielmehr steht Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gleichberechtigt neben den anderen in Art. 6 Abs. 1 DSGVO enthaltenen Erlaubnisalternativen, mit denen er sich teilweise auch überschneiden kann.98

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Rein faktisch betrachtet werden Datenverarbeitungen aber (sehr wohl) vor allem dann auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden, wenn die übrigen Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllt sind. Deshalb erscheint es angemessen, Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in rein tatsächlicher Hinsicht als Auffangtatbestand zu bezeichnen, zumal auch dessen tatbestandliche Voraussetzungen offen ausgestaltet sind und die Vorschrift bei positivem Ausgang der Interessenabwägung grundsätzlich sämtliche denkbaren Datenverarbeitungsvorgänge im Anwendungsbereich der DSGVO – mit Ausnahme der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO99 und von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten i.S.d. Art. 10 DSGVO100 – zu rechtfertigen vermag.

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Dass die DSGVO eine solche (tatsächliche) Auffangnorm enthält, ist auch wichtig und notwendig, weil sie vor dem Hintergrund der unüberschaubaren Vielzahl an unterschiedlichen Datenverarbeitungsaktivitäten und immer neuer technischer Innovationen faktisch nicht alle Datenverarbeitungssituationen konkret regeln kann.

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Entscheidend für die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

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Konkretisiert werden die notwendigerweise wenig bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO in den Erwägungsgründen 47–49.

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Damit ein Verantwortlicher personenbezogene Daten auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen kann, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:101

 1. Der Verantwortliche oder ein Dritter müssen berechtigte Interessen an der Verarbeitung personenbezogener Daten haben.

 2. Die (geplante) Verarbeitung muss zur Wahrung dieser berechtigten Interessen erforderlich sein.

 3. Die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, dürfen die berechtigten Interessen des Verantwortlichen/Dritten nicht überwiegen.

Praxishandbuch DSGVO

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