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c) Verhältnis zwischen dem Kunsturhebergesetz und der DSGVO
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Hoch umstritten ist in der Praxis ebenfalls das Verhältnis zwischen dem KUG und der DSGVO, insbesondere Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Diese Frage, mit der sich auch bereits mehrere deutsche Gerichte auseinandergesetzt haben, ist insbesondere für die Fragen relevant, unter welchen Voraussetzungen Bildnisse, wie z.B. Foto- und Videoaufnahmen von Menschen,197 angefertigt und verwendet, insbesondere veröffentlicht, werden dürfen, welche Anforderungen an eine Einwilligung und deren Widerrufbarkeit zu stellen und welche Informationspflichten insoweit zu erfüllen sind.198
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Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Meinungen können an dieser Stelle nur die wesentlichen Grundzüge der Thematik im Hinblick auf die Zulässigkeit der Anfertigung und Verwendung von Bildnissen erläutert werden:
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Das KUG regelt in §§ 22 und 23 nur die Verbreitung und die öffentliche Zurschaustellung199 von Bildnissen.200 Daher bemisst sich jedenfalls im Übrigen die Zulässigkeit der Anfertigung und Verwendung von Bildnissen nach allgemeiner Ansicht nach den Regelungen der DSGVO – insbesondere z.B. die Zulässigkeit der Aufnahme des Bildnisses und dessen Speicherung auf einem Datenträger.201
Achtung
Im Hinblick auf Verarbeitungen zu journalistischen Zwecken (sowie ggf. weiteren Zwecken, wie z.B. künstlerischen und literarischen) können die Bundesländer ggf. (weitgehende) Ausnahmen von der Anwendbarkeit der DSGVO oder Abweichungen von den Regelungen der DSGVO vorgesehen haben. Insbesondere können deshalb ggf. auch Art. 6 und 7 DSGVO nicht anwendbar sein. Daher ist auch bei den weiteren Ausführungen stets zu berücksichtigen, dass die DSGVO insoweit ggf. gar nicht anwendbar sein kann.
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Hinsichtlich der Zulässigkeit der Verbreitung und der öffentlichen Zurschaustellung von Bildnissen werden dann viele unterschiedliche Ansichten vertreten:
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Nach einer Ansicht verdrängen §§ 22 und 23 KUG die DSGVO – und zwar unabhängig davon, für welchen Zweck das Bildnis genutzt wird, da der bundesdeutsche Gesetzgeber auf Grundlage der in Art. 85 Abs. 1 DSGVO („Abwägung des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß der DSGVO mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit durch nationale Vorschriften der Mitgliedstaaten“) enthaltenen Öffnungsklausel befugt sei, hierzu eine nationale gesetzliche Regelung zu erlassen bzw. beizubehalten.202 Teilweise wird allerdings einschränkend vertreten, dass die hier relevante Öffnungsklausel nicht Art. 85 Abs. 1 DSGVO, sondern Art. 85 Abs. 2 DSGVO sei und das KUG der DSGVO daher nur dann vorgehe, wenn das Bildnis zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken genutzt werde – ansonsten gelte die DSGVO, z.B. wenn das Bildnis für PR- oder Werbezwecke verwendet wird.203 Der BGH hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die DSGVO (jedenfalls) im journalistischen Bereich der Anwendbarkeit der §§ 22, 23 KUG im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit der Bildveröffentlichung nicht entgegenstehe.204
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Nach einer anderen Ansicht findet das KUG – ganz unabhängig vom Zweck, für den die Bildnisse verarbeitet werden – keine Anwendung mehr, da das KUG auf keine der in der DSGVO enthaltenen Öffnungsklauseln gestützt werden könne, zumal dem Bundesgesetzgeber auch die Gesetzgebungsbefugnis für den Bereich der Presse fehle und er damit auch die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen zu journalistischen Zwecken gar nicht regeln dürfe.205 Somit werden nach dieser Auffassung auch die Verarbeitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen von Menschen umfassend durch die DSGVO geregelt, wobei aber ggf. die Haushaltsausnahme in Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO zu beachten ist.
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Unternehmen ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, die gesetzgeberischen Aktivitäten in diesem Bereich sowie die Rechtsprechung zu diesem Thema genau zu verfolgen, die (hoffentlich) zu einer Klärung dieser für die Praxis hoch relevanten Frage führen werden. In der Zwischenzeit sollten Unternehmen prüfen, ob weitere Datenschutzaufsichtsbehörden Stellungnahmen oder Hinweise zu dieser Thematik veröffentlicht haben. Ganz generell lassen sich nach derzeitigem Stand die folgenden Empfehlungen geben:
– Für alle Verarbeitungsaktivitäten, die schon gar nicht in den generellen Anwendungsbereich der §§ 22 und 23 KUG fallen – insbesondere die Aufnahme und Speicherung von Bildnissen –, müssen sich Unternehmen grundsätzlich nach den Vorgaben der DSGVO richten.
– Soweit Bildnisse verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, müssen Unternehmen für sich die Frage beantworten, wie risikoaffin sie sind. Um sämtliche Haftungsrisiken zu vermeiden, müssen Unternehmen die im jeweiligen Fall relevanten Anforderungen der §§ 22 und 23 KUG sowie der DSGVO miteinander vergleichen und jeweils die strengeren Anforderungen einhalten.206
– Ist das Unternehmen hingegen bereit, gewisse rechtliche Risiken zu akzeptieren, kann das Unternehmen – vor dem Hintergrund und auf Basis der bisher ergangenen Rechtsprechung – im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung eines Bildnisses nach dem Verwendungszweck differenzieren: Erfolgt die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung zu journalistischen Zwecken, kann es sich insoweit nach §§ 22 und 23 KUG richten – sofern in diesem Fall nicht ohnehin die Landespresse- bzw. Landesmediengesetze anwendbar sind.207 Ebenso könnten Verantwortliche sich ggf. nach §§ 22 und 23 KUG richten, wenn die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken dient. Erfolgt die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung hingegen zu anderen Zwecken, z.B. zu gewerblichen Zwecken, zu PR- oder zu Werbezwecken, kann sich das Unternehmen auch im Hinblick auf die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung der Bildnisse nach den Vorgaben der DSGVO richten. In den meisten Fällen wird sich die Zulässigkeit der Datenverarbeitung dann wohl nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO bemessen, wobei das Unternehmen im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung aber auch die bisher zu §§ 22 und 23 KUG ergangene Rechtsprechung berücksichtigen sollte.208 Allerdings verbleibt insoweit das Risiko, dass ein Gericht zur Anwendbarkeit des jeweils anderen Gesetzes kommt und das Unternehmen die spezifischen Anforderungen dieses Gesetzes im Einzelfall nicht einhält. Dieses Risiko ist aber wiederum dadurch begrenzt, dass die §§ 22 und 23 KUG und die maßgeblichen Erlaubnisvorschriften der DSGVO durchaus Gemeinsamkeiten aufweisen und Verantwortliche die jeweils anderen Vorschriften – soweit diese Gemeinsamkeiten reichen – quasi automatisch miterfüllen – gerade wenn der Verantwortliche die Vorgaben der §§ 22 und 23 KUG einhält.209