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9. Verarbeitung von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten – Art. 10 DSGVO

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Art. 10 DSGVO ergänzt Art. 6 Abs. 1 DSGVO im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen, Straftaten und Sicherungsmaßregeln.316

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Damit ein Verantwortlicher derartige Daten verarbeiten darf, muss die Verarbeitung gem. Art. 10 S. 1 DSGVO zunächst nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO zulässig sein (es handelt sich bei diesen Daten per se nicht um besondere Kategorien personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO).317 Darüber hinaus legt Art. 10 DSGVO aber noch weitere Voraussetzungen fest. So darf die Verarbeitung derartiger Daten nur unter behördlicher Aufsicht vorgenommen werden oder wenn dies nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen vorsieht,318 zulässig ist. Ein umfassendes Register der strafrechtlichen Verurteilungen darf nur unter behördlicher Aufsicht geführt werden.

Achtung

Nach Auffassung des EuGH kann die Verarbeitung von Daten, die in den Anwendungsbereich des Art. 10 DSGVO fallen, durch Suchmaschinenbetreiber aber ggf. auch nach Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO i.V.m. Art. 11 GRCh („Informationsfreiheit“) rechtmäßig sein – und das sogar auch dann, wenn die Anforderungen des Art. 10 DSGVO oder die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie z.B. aus Art. 5 Abs. 1 lit. c–e DSGVO, nicht erfüllt sind.319 Ggf. können diese Wertungen auch auf Verarbeitungen durch andere Verantwortliche, wie z.B. bestimmte Betreiber von Webseiten, insb. bei journalistischen Inhalten, übertragen werden.320

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In den Anwendungsbereich von Art. 10 DSGVO fallen allerdings nur Daten, die sich auf den Täter beziehen – Daten, die sich auf das Opfer beziehen, werden hingegen nicht von Art. 10 DSGVO erfasst.321

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Zudem müssen sich die Daten auf strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten322 oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln beziehen, damit die zusätzlichen Anforderungen des Art. 10 DSGVO gelten. Hierzu zählen nach der oben bereits genannten Entscheidung des EuGH u.a. Informationen über ein Gerichtsverfahren gegen eine natürliche Person – wie z.B. Informationen über die Anklageerhebung gegen sie oder die Berichterstattung über den Prozess – und ggf. die sich daraus ergebende Verurteilung.323 Dies gilt nach Auffassung des EuGH unabhängig davon, ob die Begehung der Straftat, derentwegen die Person verfolgt wurde, in diesem Gerichtsverfahren tatsächlich festgestellt wurde oder nicht.324

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Mithin fallen personenbezogene Daten, die (nur) bei Verdachtslagen bzw. vermuteten Straftaten verarbeitet werden, also z.B. im Zusammenhang mit der Verhütung, Ermittlung und Aufdeckung einer Straftat, nach hier vertretener Auffassung nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift.325 Damit müssen auch Unternehmen bei der Durchführung von Compliance-Maßnahmen und internen Ermittlungen die Vorgaben des Art. 10 DSGVO nach hier vertretener Ansicht i.d.R. nicht beachten.326

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Im Hinblick auf die Berichterstattung über strafrechtliche Verurteilungen, Straftaten und Sicherungsmaßregeln zu redaktionellen oder literarischen Zwecken gilt in Deutschland auch weiterhin das (z.B. in § 23 Abs. 1 MStV und in den Presse- und Mediengesetzen der Länder enthaltene) Medienprivileg, welches die Berichterstattung über Strafverfahren und -taten ermöglicht.327

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