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b) Zulässigkeit der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten
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Die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ist gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich verboten. Allerdings muss auch die Verarbeitung solcher Daten unter gewissen Voraussetzungen zulässig sein – aufgrund der besonderen Sensibilität der Daten und ihres besonderen Diskriminierungspotenzials aber unter besonders strikten.
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Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten dabei allein auf Art. 9 Abs. 2 DSGVO gestützt werden kann (ggf. in Verbindung mit der jeweiligen nationalen oder europäischen Rechtsvorschrift, sofern Art. 9 Abs. 2 DSGVO nur eine Öffnungsklausel enthält) oder ob zusätzlich dazu auch noch die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein müssen.247
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Der Europäische Datenschutzausschuss, die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden, der bundesdeutsche Gesetzgeber und Teile der datenschutzrechtlichen Literatur gehen davon aus, dass Art. 9 Abs. 2 DSGVO nur Ausnahmen vom generellen Verarbeitungsverbot enthalte bzw. die allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO lediglich erhöhe (indem zusätzliche Anforderungen an die Verarbeitung statuiert werden).248 Damit die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten rechtmäßig ist, müssten damit sowohl zumindest eine Tatbestandsalternative des Art. 9 Abs. 2 DSGVO als auch eine Tatbestandsalternative des Art. 6 Abs. 1 DSGVO kumulativ erfüllt sein.249 Begründet wird diese Auffassung insbesondere mit dem Wortlaut des Erwägungsgrundes 51 S. 5, nach dem „zusätzlich zu den speziellen Anforderungen an eine derartige Verarbeitung [...] die allgemeinen Grundsätze und andere Bestimmungen dieser Verordnung, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen für eine rechtmäßige Verarbeitung, gelten [sollten]“.
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Teilweise wird in der datenschutzrechtlichen Literatur hingegen aber auch die Ansicht vertreten, dass Art. 9 Abs. 2 DSGVO Erlaubnistatbestände enthalte, die die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten (eigenständig) rechtfertigen könnten. Sofern Art. 9 Abs. 2 DSGVO (nur) Öffnungsklauseln beinhalte, könne die Datenverarbeitung auf die jeweilige nationale bzw. europäische Rechtsnorm gestützt werden, die diese Öffnungsklausel ausfülle.250 Mithin würde Art. 9 Abs. 2 DSGVO nach dieser Auffassung Art. 6 Abs. 1 DSGVO als lex specialis verdrängen. Begründet wird die Auffassung insbesondere damit, dass Art. 9 Abs. 2 DSGVO die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten spezifisch regele251 und Erwägungsgrund 51 S. 5, der von den Befürwortern der anderen Ansicht als eines der Hauptargumente angeführt wird, zuvorderst klarstelle, dass bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten neben den Anforderungen aus Art. 9 Abs. 2 DSGVO auch die allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen, insbesondere diejenigen aus Art. 5 DSGVO, einzuhalten seien.252
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In der Praxis dürfte dieser Streit allerdings eher geringe Auswirkungen haben, da die beiden Ansichten wohl in den meisten in der Praxis vorkommenden Fallkonstellationen zu demselben Ergebnis führen werden. So werden in (fast) allen Fällen, in denen die besonders strikten Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO erfüllt sind, zugleich auch diejenigen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein.253 Vor diesem Hintergrund werden in der Folge die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO gesondert und losgelöst von den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO dargestellt. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO werden in den Rn. 11ff. erläutert.
Praxishinweis
Um etwaige Haftungsrisiken zu vermeiden, sollten Unternehmen davon ausgehen, dass für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten sowohl die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 DSGVO als auch die des Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllt sein müssen.