Читать книгу Praxishandbuch DSGVO - Tobias Rothkegel - Страница 102
ee) Erlaubnis durch das Recht der Union oder des Mitgliedstaates aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses (Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO)
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Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO enthält eine Öffnungsklausel. Demnach gilt das Verbot der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten nicht, wenn die Verarbeitung auf der Grundlage des EU-Rechts oder des Rechts eines Mitgliedstaates, das in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht, den Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz wahrt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Person vorsieht, aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist.269
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Nach Auffassung des EuGH kann sich ein solches öffentliches Interesse – zumindest bei der Verarbeitung von Daten durch Suchmaschinenbetreiber – auch aus Art. 11 GRCh (bzgl. des Zugangs von Nutzern zu Informationen) ergeben und zur Rechtmäßigkeit einer solchen Datenverarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber führen – und das (infolge einer „primärrechtskonformen Auslegung“)270 wohl auch dann, wenn die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie z.B. des Art. 10 DSGVO oder aus Art. 5 Abs. 1 lit. c–e DSGVO, nicht erfüllt sind.271 Gerade infolge dieser Entscheidung kann Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten durch Suchmaschinenbetreiber eine wichtige Rolle spielen. Außerdem kann die Argumentation des EuGH ggf. auch auf andere Verarbeitungssituationen übertragbar sein, wie z.B. die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen bestimmter Websites, insb. mit journalistischem Inhalt.272 Darüber hinaus bleibt es abzuwarten, ob sich ein solches öffentliches Interesse z.B. auch aus anderen Grundrechten nach der GRCh ergeben und Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO dann ggf. auch Datenverarbeitungen in einem solchen Zusammenhang rechtfertigen kann.273
Nationale Regelungen in Deutschland
§ 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. d BDSG: Verarbeitung „sensibler“ Daten aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses
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Der deutsche Gesetzgeber hat im Rahmen des 2. DSAnpUG EU von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und in § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. d BDSG spezielle Vorgaben für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten in diesem Zusammenhang erlassen.274 Demnach dürfen derartige Daten verarbeitet werden, wenn dies aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses zwingend erforderlich ist und soweit die Interessen des Verantwortlichen an der Datenverarbeitung [...] die Interessen der betroffenen Person überwiegen.
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Als Anwendungsbeispiele für diese Norm nennt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung z.B. die Zusammenarbeit zwischen nichtöffentlichen und öffentlichen Stellen bei der Terrorismusbekämpfung, die Verarbeitung solcher Daten im Rahmen von Präventions- und Deradikalisierungsprogrammen im Bereich des religiös motivierten Extremismus sowie im Fall von Pandemien und im Katastrophenschutz.275 Ggf. dürfen diese Daten dann gem. § 24 Abs. 2 BDSG auch an die Sicherheitsbehörden weitergeleitet werden.276 Die geschäftsmäßige Verarbeitung von besonderen Kategorien personenbezogener Daten durch einen Verantwortlichen im Rahmen eigener gewerblicher Geschäftsmodelle könne hingegen nicht auf § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. d BDSG gestützt werden.277 Möchte ein Verantwortlicher eine Datenverarbeitung auf diese Norm stützen, muss er zudem nach Maßgabe von § 22 Abs. 2 BDSG angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorsehen.278