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a) Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume gem. § 4 BDSG

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Der deutsche Gesetzgeber hat die Zulässigkeit der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume in § 4 BDSG geregelt.164 Nach § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG ist die Beobachtung mittels optisch-elektronischer Einrichtungen wie Videokameras insbesondere nur dann zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen.165 Die Verwendung der mittels Videoüberwachung gewonnenen Daten ist sodann in § 4 Abs. 3 BDSG geregelt und erfordert insbesondere eine (weitere) Interessenabwägung. Außerdem enthält § 4 BDSG vor allem weitere Hinweis-, Informations- und Löschpflichten.

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Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG zumindest im Hinblick auf die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume durch private Stellen europarechtswidrig sei, da diese Regelung nicht auf die in Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO enthaltenen Öffnungsklauseln gestützt werden könne. Mithin könne die Videoüberwachung derartiger Räume durch private Stellen ganz regelmäßig nur auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erfolgen.166 Auch die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden sind der Ansicht, dass sich die Zulässigkeit der Videoüberwachung durch nichtöffenliche Stellen ganz regelmäßig an Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO bemisst.167 Nicht ausdrücklich entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen, ob auch die weiteren Vorgaben des § 4 BDSG in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 bis Abs. 5 europarechtswidrig sind oder nicht, so dass insoweit Rechtsunsicherheit verbleibt.

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Unternehmen sollten daher verfolgen, ob der bundesdeutsche Gesetzgeber § 4 BDSG infolge der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts anpasst bzw. sich (andere) Gerichte auch zur Europarechtskonformität der übrigen Bestimmungen äußern. Wenn Unternehmen in der Zwischenzeit Haftungsrisiken vermeiden wollen, sind sie infolge des missratenen Versuchs des Gesetzgebers, die in § 6b BDSG a.F. enthaltenen Regelungen zur Videoüberwachung möglichst unverändert in das neue BDSG zu überführen, gezwungen, (selbständig) zu prüfen, welche der weiteren in § 4 BDSG enthaltenen Bestimmungen europarechtskonform sind und damit befolgt werden müssen/dürfen und welche Bestimmungen europarechtswidrig sind und damit nicht befolgt werden sollten.168

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Hier empfiehlt sich ein pragmatisches Vorgehen. Demnach sollten Unternehmen auch die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume grundsätzlich nur noch auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen,169 da dieser Anwendungsvorrang vor dem europarechtswidrigen § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG besitzt. Zudem sollten Unternehmen die Hinweise des Europäischen Datenschutzausschusses170 und der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden zur Videoüberwachung beachten.171 Insbesondere sind bei der Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume dann auch (vollumfänglich) die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO zu erfüllen.172 Auch der bereits genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sowie einer Entscheidung des EuGH lassen sich Aussagen zu den Faktoren für die Zulässigkeit der Videoüberwachung auf Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO entnehmen.173

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Nur soweit sich ein Unternehmen bei der Videoüberwachung auf eine (andere) in § 4 BDSG enthaltene, gegenüber der DSGVO vorteilhafte Bestimmung bzw. auf eine in der DSGVO enthaltene, gegenüber § 4 BDSG vorteilhafte Bestimmung stützen möchte, sollte dann im Einzelfall geprüft werden, inwieweit die jeweilige Bestimmung des § 4 BDSG europarechtskonform ist oder nicht.174 Von der hier erläuterten Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume ist im Übrigen die Videoüberwachung am Arbeitsplatz zu unterscheiden. Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung im Rahmen einer solchen Videoüberwachung richtet sich zuvorderst nach § 26 BDSG, zu der auch ausgeprägte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte existiert.175

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