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Kapitel 7 : Der Jangula

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Unruhige Tierstimmen hallten in der Ferne des dichten Dschungels. Ein durchgängiges Raunen drang von rechts her in Saibos Ohr und schnell bemerkte er, dass es kein Tier, sondern Hermes war, der da vor sich hin stöhnte.

»Hermes?« Fragte Saibo, während er sich die feuchte Erde aus dem Gesicht wischte. »Geht es dir gut?«

»Bin ich Tod? Ist das der Himmel? Sag mir das ich im Himmel bin Saibo!« Ächzte Dieser zwischen seinem Wehklagen.

»Wohl eher die Hölle...« Antwortete Saibo und sah sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in dem undurchdringlichen Gewirr aus Büschen, Ranken und Bäumen um. »Wo ist Mai?« Fragte er und Hermes, welcher vorher keinen Deut machte sich zu bewegen, sprang hastig auf.

»Mai!?« Rief er in die beruhigenden Klänge des Dschungels hinein, doch die erhoffte Antwort kam nicht. Er wiederholte sein Rufen, doch es blieb erfolglos. Immer wieder rief er, bis sie schließlich aus einem dichten Blättergestrüpp heraus torkelte.

»Das war echt ne blöde Idee mit dem Fliegen, Hermes.« Nörgelte sie leicht ironisch und kam mit einer Hand am Kopf auf die Beiden zu.

Hermes schloss sie euphorisch in die Arme. »Gott sei Dank! Dir geht’s gut!«

»Und was machen wir nun?« Saibos Blick schwenkte demonstrativ durch die Gegend.

»Na hier bleiben sicherlich nicht.« Sagte Hermes.

»Heute Nacht schon. Du magst dich in der Stadt auskennen, aber vom Jangula hast du keine Ahnung. Wenn du wirklich vor hast hier nachts deinen Spaziergang zumachen, sind wir in weniger als zwei Stunden tot.«

Hermes wagte es nicht weitere Widerworte einzulegen und hörte stattdessen aufmerksam zu.

»Ich schlage vor ihr versucht etwas Feuerholz aufzutreiben, ein Lagerfeuer hält die Tiere fern. In der Zwischenzeit suche ich uns etwas Essbares. Zustimmend nickten die Geschwister und machten sich sofort an die Arbeit.

Etwa eine Stunde später brannte auf einem Haufen aus Ästen und Holzsplittern ein ansehnliches Lagerfeuer. An Stöcken rösteten über der Flamme einige Pflanzenteile und diverses Wildgemüse. Hermes hatte mittlerweile seinen Rucksack wiedergefunden und die Karte auf dem Boden neben der Feuerstelle ausgebreitet.

»Wir dürften uns etwa hier befinden.« Sagte Saibo, während er mit seinem Finger auf einen Punkt inmitten eines gigantischen Dschungelgebietes deutete.

Skeptisch verschränkte Hermes die Arme. »Woher willst du das so genau wissen?«

»Das Rebellendorf, aus dem ich stamme, liegt nicht allzu weit nördlich von hier. Das Gebirge von Phobos, welches sich links von uns erstreckt, ist unverwechselbar. Da wir südlich geflogen sind, müssten wir das Lager passiert haben. Mit anderen Worten ich bin weiter von meinem Ziel weg, als bei meiner Abreise...«

»Also sollen wir das Lager aufsuchen?«

»Wozu? Die naheste Stadt von dort ist Assandria im Norden.«

»Da geh ich nicht hin!« Protestierte Hermes aufgebracht.

»Sag ich ja. Das wäre Irrsinnig. Ich schlage ehrlich gesagt vor, wir wandern hier entlang.« Saibos Finger streifte von seinem Ausgangspunkt am Gebirge nach rechts über das riesige grüne Gebiet, auf dem in großen Buchstaben »Jangula« stand. Schließlich blieb er stehen und deutete im Osten auf eine große Stadt mit dem Namen »Tartaron«.

»Netter Plan, Kriegshäuptling. Aber das schaffen wir niemals zu Fuß durch diese Hölle.« Sagte Hermes.

Saibos Stimme verdunkelte sich. »Das ist unsere einzige Wahl.«

»Und du kennst den Weg?« Fragte Mai.

»Ich war nie so weit weg vom Lager. Auch das Gebirge habe ich nur aus der Ferne gesehen. Es gibt zu viele Mythen und Gerüchte darüber, was in diesem grünen Schlund lauert, als wie das Irgendjemand freiwillig dort hindurch marschiert wäre.«

»Ach. Und wir sollen es?«

»Wie ich schon sagte, Assandria oder Tartaron«

Missmutig senkten die Diebe ihre Köpfe und grübelten.

»Dann lass es uns tun...« Sagte Mai mutig und bohrte mit ihren Blicken in Hermes nach einer Entscheidung.

»Na gut.«

Im wärmenden Leuchten des Lagerfeuers hielt Saibo in dieser Nacht wache. Die Bedrohungen, welche in den Mysterien des dunklen Blattwerks lauerten, ließen ihn seine Müdigkeit vergessen. Wiederkehrend nagten Zweifel und Ärger an ihm. Mit dem Schicksal des Scheiterns schien er von Elpis aus aufgebrochen zu sein und nun, wo er noch weiter von seinem Ziel entfernt war, ließen seine Zweifel ihm keine Ruhe mehr.

»Was tue ich hier eigentlich, Zaim?« Fragte er, sich zum Himmel wendend. »Irre ich zwecklos durch diese Welt? Kann ich irgendetwas verrichten, gegen die Unanfechtbarkeit der Realität? Bin ich nur ein verzweifelter Träumer auf der Suche nach seiner Bestimmung oder habe ich womöglich gar keine?«

Keine von Saibos Fragen wurde beantwortet. Die Tierstimmen in der Ferne klangen auf und es wirkte auf ihn fast, als verspotteten sie ihn mit ihrem Gesang. Die Nacht verlief ruhig und nachdem Stunden vergangen waren und Hermes erwachte, löste er den Rebellen von seiner Wache ab und Saibo legte sich widerstandslos neben das wärmende Feuer auf den weichen Erdboden.

Am nächsten Tag wanderte die Gruppe, den Kompass streng beobachtend durch das Dickicht des Jangulas. Schnell plagte sie die enorm hohe Luftfeuchtigkeit und die schwüle Hitze, welche durch die, auf die Feuchten Pflanzen herab brennende Sonne verursacht wurde. Orientierung wäre ohne den Kompass ausgeschlossen, denn der Jangula, in all seiner Komplexität von Pflanzengewächsen und Fauna Varietät wirkte auf die Reisenden, unüberschaubar und eintönig.

Hermes fuchtelte wild mit den Händen, um die ihn umschwirrenden Mücken abzuwehren. Mai schritt schwermütig und auch Saibo hatte den Marsch durch den Dschungel unterschätzt.

»Sind wir bald da?« Quengelte Hermes.

»Ja, nur noch ein paar Tage…« Antwortete Saibo mit flachem Sarkasmus und stampfte stur voran »Wenn wir überleben… Dieser verdammte Dschungel ist verseucht von Tod.«

»Achja? Tod ? Na mir kommt dieser Dschungel ziemlich lebendig vor« Antwortete Hermes, noch immer nach den Mücken schlagend. Sie rasteten öfter als geplant, denn der Jangula zerrte unnachgiebig an ihren Kräften. Der erste Tag neigte sich dem Ende und die hereinbrechende Bedrohung der Nacht zwang die Gruppe erleichtert zum Schlaf.

Prasselnder Regen. Hektisch galoppierte das Pferd durch die gepflasterten Straßen der Stadt. Zwei Gestalten ritten darauf. Sie umklammerte seinen Leib. Er hielt die Zügel des Rosses fest in seinen Händen. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, doch er würde standhalten, er durfte keinen Fehler machen, nicht falsch abbiegen. Die Häuser und Gassen türmten sich um sie auf und rauschten an ihnen vorbei. Er spendete Wärme, stolz saß er im Sattel. Sie liebte ihn und er würde für sie sterben, wenn es nötig war. Er war ihre Chance auf ein Leben, ein freies Leben. Blitze schossen durch den bewölkten Himmel und Donnergrollen überrollte das Land. Weite Kapuzen, fest ums Gesicht zusammengeschnürt, bedeckten ihre Gesichter und schützten, wenn auch nur leicht, vor dem Regen. Sie wusste, dass der Ort zu dem sie ritten, den Tod beheimatete, doch im Vergleich zu dem Ort von dem sie kamen, beherbergte er ebenfalls die Hoffnung. Sie legte ihren Kopf auf seinen Rücken, um ihn zu spüren, seine Vitalität, seine Kraft, seine Entschlossenheit. Zu dritt ritten sie.

Plötzlich riss es Saibo aus seinem Traum. »Hast du das gehört? Dort im Gebüsch?« Fragte Hermes hysterisch.

»Was gehört? Ich höre seit Tagen etwas, das hier ist ein Dschungel hier wimmelt es nur so von Viechern« Entgegnete Saibo verschlafen und stellte sich auf.

»Nein. Das war etwas Anderes, etwas Größeres.« Saibo hielt den Atem an, hektisch schaute er sich um. Ein Tier umkreiste die Gruppe. Schwarz schimmerndes Fell erkannte er durch das Blattwerk huschen. Blitzartig schoss es heraus. Er versuchte auszuweichen, doch es riss ihn zu Boden und verschwand wieder im Gestrüpp. Vier blutverschmierte Ritzen, klafften an seiner Schulter. Es hatte ihn mit seinen Krallen verletzt.

»Wo ist es? Was war das?« Fragte Mai erschrocken.

»Es war schwarz, hatte stechend leuchtende Augen, und zwei schwarze Hörner auf seinem Kopf, also für mich sah das ganz wie der Teufel persönlich aus!« Schrie Hermes. Ein Rascheln links, ein Rascheln rechts, die Büsche schienen nahezu lebendig. Eine konzentrierte Stille beherrschte den Moment, das Zirpen der Insekten und das Tönen der Büsche war alles, was zu vernehmen war. Aus dem nichts sprang es aus einer unwahrnehmbaren Richtung auf Saibo. Ein fauchen war zu hören, es stürzte auf ihn und versuchte ihn zu beißen, doch er hielt das Maul mit aller Kraft fern von sich. Er blickte in den Schlund, voll mit Reißzähnen und schaffte es sie fern zu halten. Plötzlich wurde es zur Seite geschleudert. Hermes hatte ihm seinen Dolch in den Leib gerammt. Das Tier fing seinen Sturz mit den Pfoten ab und rannte knurrend davon.

»Das war eine Raubkatze, von wegen Satan...« Verkündete Mai erleichtert, über ihren Bruder spottend.

Saibo richtete sich langsam wieder auf. »Sei dir nur nicht zu sicher, dass wir dem hier nicht noch begegnen werden.« Er räusperte sich. »Weiß Gott, was hier noch alles im Gestrüpp lauert. Wir sollten weiter, bevor es zurückkommt.«

Ohne weitere Worte zu verlieren, lasen die Drei ihr Gepäck auf und zogen weiter. Je weiter sie nun fortschritten, desto Morast artiger und weicher wurde der Grund zu ihren Füßen. Hier und dort passierten sie Teiche und Sümpfe. Es waren wenige Häuser, die ihnen während ihrem Marsch begegneten, doch jedes Mal versetzte es die Gruppe in Erstaunen, dass in grauer Vorzeit, in diesem wild wuchernden Gebiet tatsächlich Menschen lebten, waren es auch nicht viele. Ein weiterer Tag zog in den Irrwegen des Dschungels vorüber. Sie rasteten, als sie ein weiteres Haus erreichten. Auch dieses war, wie die zuvor erblickten vom Rest des Jangulas kaum zu unterscheiden. Von wildem Gewächs überwuchert stand das Haus inmitten des dichten Waldes und wirkte wie vom Jangulas verschlungen und verdaut. Wenig Schutz bot ihnen das alte, vom Moos überzogene und vom Schimmel verfallene Haus. Obwohl selbst das Dach bereits eingestürzt war, vermittelte es den reisenden zumindest den Anschein von Geborgenheit. Auch am Folgetag erwartete sie vorerst wenig Abwechslung, doch schließlich, als sie an den übelriechenden Ufern eines Moores entlang schritten, stolperte Hermes in den Schlamm. Als er erblickte worüber er gestolpert war, rief er Mai und Saibo verängstigt zu sich heran.

»Was ist das?« Fragte Hermes mit mulmiger Stimme und begutachtete, dass zu seinen Füßen Liegende. Es war ein Tierschädel, doch hatte Hermes nie in seinem Leben, ja nicht einmal auf den Märkten Assandrias, auf denen es manigfaltig exotische Tiere zu kaufen gab, eines mit einer solchen Schädelform gesehen. Der Schädel war lang, wenige Verwesungsreste klebten noch an dem Knochenbau. Ein flaches, aber abstrus langes Gebiss führte von den kleinen Augenhöhlen fort. Große, spitze Reißzähne säumten die mächtigen Kiefer und verdeutlichten in ihrer scheinbar unendlichen Anzahl, dass Hermes Sorge nicht unberechtigt war. »Was verflucht nochmal ist das?« Hakte er nach. »Wenn ich bedenke dass so etwas hier umherstreift, möchte ich keinen Schritt mehr weiter gehen.«

Saibo kniete sich hinab und musterte den Schädel. »Wir müssen uns von den Ufern und Gewässern fernhalten.« Sagte er. »Das ist ein Krokodilschädel.«

»Ein was?« Quietschte Hermes.

»Krokodil. Gepanzerte, riesige Echsen, allerdings jagen sie nur in Gewässern. Ich weiß nicht viel über sie.Unweit vom Rebellenlager, in einem Flussbett, habe ich einmal eines gesehen. Soweit ich weiß, gibt es nicht allzu viele von ihnen, recht seltene Tiere.«

»Na das will ich hoffen!« Hermes war sichtlich erregt, durch die Präsenz des mächtigen Gebisses.

»Jungs?« Hallte Mais Stimme, nur wenige Meter von ihnen entfernt auf. »Ich glaube das solltet ihr euch ansehen.« Sie klang besorgt.

Nach einem kurzen, prüfenden und von der Sorge in Mais Stimme unwohlen Blick, gingen sie zu ihr.

»Was ist?«

»Sagtest du nicht seltene Tiere?« Fragte sie.

»Ja.«

»Hier wohl nicht.« Sie deutete auf ein von Dreck überzogenes Schild, der alten Welt, welches im Morast unter ihnen lag. Es war halb bedeckt von einem Gebüsch. Sie schoben das Blattwerk zur Seite und lasen die Aufschrift. »Krokodilfarm - Betreten verboten!« Stand in roten, ausgestanzten Buchstaben auf dem verwitterten Metall.

»Das dürfte ein Problem darstellen.«

Einen Moment lang standen sie schweigsam da und kämpften gegen die in ihnen aufkeimenden Ängste und Schreckensszenarien an. Insbesondere Mai und Hermes blitzten vor ihrem geistigen Auge, geradezu apokalyptische Bilder, dieser Bestien auf. Wie sie sich in ihrem unzähmbaren Blutrausch auf die Reisenden stürzten und ihnen das Fleisch von den Knochen rissen. Auf einmal hörten sie ein Rascheln, nicht weit hinter sich.

»Habt ihr das auch gehört?« Fragte Hermes, sich vergewissernd. Sie nickten. Ein weiteres Rascheln, dieses Mal von der Seite. Ahnend zogen die Drei ihre Waffen und stellten sich bereit zum Kampf in Formation auf.

»Schon wieder so eine Raubkatze?« Fragte Saibo und streifte sich mit der flachen Hand über seine verletzte, verbundene Schulter.

»Genau so ein Rascheln wie beim letzten mal.« Sagte Mai.

Das Rascheln der Büsche hörte nicht auf, stattdessen häufte es sich und wurde wilder und hektischer.

Hermes riss den Kopf panisch hin und her. »Was wenn das eines dieser Krododingsda ist? Wir sollten hier weg! Gegen so ein Viech können wir nichts ausrichten!«

Das Rascheln nahm zu.

»Unwahrscheinlich. Weder sind sie so schnell, noch greifen sie aus Gebüschen an.« Beruhigte ihn Saibo.

Ein rascheln links. Ein Rascheln rechts.

»Woher willst du das wissen!? Du hast erst einmal Eines gesehen!«

Auf einmal rieselten Blätter über ihnen herab und die Geräusche, welche sich von Sekunde zu Sekunde mehrten, verlagerten sich nun ebenfalls in die Baumkronen über ihnen. Nun zweifelte auch Hermes daran, dass es sich um ein Krokodil handeln könnte, denn er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen dass ein solches Ungetüm auf Bäume klettern konnte. Die Büsche und das Blattwerke tönten nun aus scheinbar allen Himmelsrichtungen auf und überall schien etwas umher zu huschen. »Wir sind erledigt! Am Ende! Gott vergib mir für meine Sünden!« Flehte Hermes energisch. Keiner der Drei bekam eines der Wesen zu Gesicht. Dünne, hohle Holzstäbe ragten aus den Büschen. Ein Piksen im Halsbereich war das letzte was sie wahrnahmen, bevor ihnen schwarz vor Augen wurde.

Die Rebellion des Adlers

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