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Kapitel 8: Die Karniphoren

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Langsam erlangten die Reisenden ihr Bewusstsein zurück. Ihre Glieder schmerzten, ihr Kopf war schwerfällig und je mehr die Amnesie, über das zuletzt Geschehenen wich, desto stärker trat ihre Besorgnis ans Tageslicht. Als letzter wachte Saibo auf. Schleppend tat er seine Augenlider ein Stück weit auf und hätte sie, im Anbetracht der stechend grellen Sonne am liebsten direkt wieder geschlossen.

»Ich glaube Saibo wacht auf.« Hörte er halblaut eine Stimme in seiner Nähe verkünden. Er hielt sich die Stirn und schaute sich mit zusammengezogenem Gesicht um.

»Willkommen zur Party…« Sagte Hermes mit drückender Ironie und nachdem Saibo einen Moment ruhig durchgeatmet hatte, stellte er fest, dass er auf engstem Raum von Gitterstäben umgeben war.

»Was ist denn hier los?« Murmelte er noch immer benommen und rüttelte an den festen Stäben.

»Fühl mal deinen Hals.« Riet ihm Hermes. Als Saibo zu ihm herüber sah, stellte er fest, dass Hermes ebenfalls in einem Käfig eingesperrt war. Und zahlreiche weitere Käfige standen rings um ihn. Neugierig tastete er seinen Hals ab und zog erschrocken einen dünnen, kleinen Holzsplitter heraus.

»Sie tunken sie in eine betäubende Substanz der hiesigen Giftpflanzen. Keine Sorge, bleibende Schäden sind recht selten.« Hörte er nun eine ihm unbekannte Stimme und suchte verwirrt nach ihrem Besitzer. Die Stimme gehörte einem abgekämpft aussehenden Mann, mittleren Alters, welcher gleich neben Hermes Käfig eingesperrt war. »Tut mir leid.« Fügte er hinzu. »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Plinius ist mein Name.«

»Sehr erfreut… Saibo.« Er musterte noch einen Augenblick den Betäubungspfeil und sah dann auf zu Plinius. »Was ist hier eigentlich los? Wo sind wir?«

»Richtig. Wie ungeschickt von mir. Wahrscheinlich dürfte dass um einiges interessanter für dich sein, als mein Name. Wir befinden uns hier in ihrem Gefangenenlager.«

»Wessen Gefangenenlager?«

»Karniphoren…« Sagte Plinius mit unseliger Stimme.

»Karniwas?«

»Karniphoren. Ein dem Rest der Welt recht unbekanntes, indiges Völkchen, welches seit Jahrhunderten hier im Jangula lebt. Leider ist wenig über sie bekannt. Lediglich einige Augenzeugenberichte. Die Zahl kann man jedoch an einer Hand abzählen, da sie nicht gerade den Ruf haben Fremden sehr freundlich zu begegnen.«

»Und das weißt du woher?«

»Unglücklicherweise war ich, wie viele meiner Vorgänger närrisch genug, um eine Expedition in den Jangula zu unternehmen, um sie zu erforschen. Mein Schicksal endet nun wohl wie das meiner Vorgänger, mit abgetrenntem Kopf…«

Hysterisch rüttelte Saibo an den dicken, mehrschichtigen Gitterstäben, welche zu seiner Freude aus Holz bestanden. Er tastete seinen Körper ab. »Ich hab schon ganz andere Situationen überlebt, da können mir so ein paar Dschungelbewohner nicht gefährlich werden.« Prahlte er lautstark während er sein Schwert suchte.

»Mach dir keine Hoffnungen. Die haben uns alles abgenommen, womit wir uns wehren könnten, auch meinen Dolch.« Sagte Hermes.

Saibo ließ sich von diesem Wermutstropfen nicht unterkriegen und verrenkte sich in dem engen Käfig so, dass er mit seinen Füßen gegen die Gitterstäbe drücken konnte. Mühevoll stampfte er gegen das extrem harte und unnachgiebige Holz. Nichts.

»Die fangen seit Generationen Wanderer. Mach dir keine Hoffnungen, diese Käfige sind so konstruiert, dass ein Ausbruch unmöglich ist.« Belehrte ihn nun auch Plinius und allmählich wurde Saibo wütend.

»Was soll ich sonst machen? Hier herumsitzen und darauf warten das die mich auffressen?!«

Plinius schien amüsiert. »Sei nicht albern. Immer dieser Volksglaube, dass alle indigen Kannibalen seien. So ein Schwachsinn.«

»Ach ja?«

»Aber natürlich. Das sind doch keine Kanibalen! Die Karniphoren ernähren sich hauptsächlich vegetarisch.«

Hermes lachte erleichtert auf. »Verdammt. Da fällt mir ein Stein vom Herzen. Ich mein wie du sie erst mal beschrieben hast, von wegen Keiner überlebt und so etwas, da ist das wirklich eine erleichternde Nachricht.«

»Es wird keiner von uns überleben.« Widersprach Plinius. »Sie werden uns vermutlich lebendig den Krokodilen zum Fraß vorwerfen.«

Hermes schluckte. »Was? Wie meins…« Mitten im Satz wurde er durch ein starkes Rütteln an seinem Käfig unterbrochen.

»Ruhe!« Brüllte eine akzentuntermalte Stimme unter ihm, wobei das R gerollt wurde.

»Schon gut. Schon gut.« Antwortete Hermes. »Wenn ich eingesperrt und angeschrien werden wollte, hätte ich gleich in Assandria bleiben können…«

»Ich sagte Ruhe!« Brüllte die Stimme erneut. Die hölzernen Käfige waren an mehreren, dicken, senkrecht stehenden Holzbalken befestigt, wodurch sie in etwa zwei Metern Höhe in der Luft standen. Unter ihnen sammelte sich ein halbes Dutzend Karniphoren und begutachtete, mit strengem Blick die Gefangenen. Die Karniphoren waren recht schlaksig und bedeckten ihre leicht bräunliche Haut nur minimal. Um die Hüfte trugen sie rockartige Fetzen aus Krokodilleder. Oft waren auch ihre Unterarme mit Krokodilleder umwickelt und über den ganzen Leib verteilt waren sie mit Schmuck behangen. Ein Schaudern überkam Saibo als er erkannte, dass der viele Schmuck, welcher rings über ihre Körper an Lederbändern verteilt baumelte, nichts anderes, als verschiedene, teils in Form geschliffene Knochen waren.

»Also allmählich finde ich, wenn ich so über mein Leben nachdenke, wird ein Muster deutlich. Ständig werde ich gejagt, eingesperrt und angeschrien die Klappe zu halten. Kommt mir fast schon vor wie mein Schicksal.« Quasselte Hermes verstimmt vor sich hin, ohne die Karniphoren eines Blickes zu würdigen.

»Warrüm hältst du dann nicht die Klappe?!« Wiederholte die Stimme erneut und begann ihn von unten, mit einem mit einem langen Stab zu piksen. »Wie wäre es mit dem? Der würde Krokarr vielleicht totquatschen?« Witzelte der Karniphor und der Rest der Gruppe kicherte. Saibo schenkte dem Gespräch nur wenig Aufmerksamkeit. Konzentriert hielt er Blickkontakt mit dem Mann, welcher in der Mitte der Gruppe stand. Skeptisch beäugten sie sich und keiner von ihnen wendete auch nur für einen Wimpernschlag die Pupille vom anderen. Der Mann war älter als die anderen. Sein Körper war verziert von roten Mustern, doch während die anderen ihren Körper mit ein paar knöchernen Ketten verzierten, trug dieser ein vollständiges Krokodilskelett. Die Extremitäten, wie Speiche und Schulterblatt mit ledernen Bändern um seine Arme gewickelt, die Rippen, umschlossen wie ein Korsett seinen Oberkörper. Vom Kreuz aus, führte der, von Riemen zusammengehaltene Schwanz weg und schleifte über dem Erdboden. Sein strenger Blick stierte aus dem offenen Maul, des riesigen Krokodilschädels um sein Haupt heraus. Er hob den Stab und deutete auf Saibo. Noch immer fixierten seine von blutroten Linien umzogenen Augen den Rebellen.

»Der da.« Sagte er ruhig und nun fasste auch der Rest der Gruppe Saibo ins Auge. Schweigen legte sich für einen Moment auf die Szenerie. Mit pochendem Herzen rätselte er, welches Urteil der Mann soeben über ihn gefällt hatte. Die Karniphoren nickten stumm und verließen das Gefangenenlager, ohne weitere Worte.

»Was war das gerade?« Fragte Saibo Plinius in der Hoffnung, dieser könne ihm mit seinem Wissen weiterhelfen.

Plinius zuckte ahnungslos die Schultern. »Ich weiß auch nicht. Das könnte Vieles bedeuten.«

»V-Vermutlich irgendeine Opfergabe.« Stotterte ein junger, leicht korpulenter Mann, mit großen glasigen Augen, der direkt neben Plinius eingesperrt war.

»Vermutlich. Ja« Antwortete Plinius.

»Opfergabe?!«

Plinius rieb sich nachdenklich am Kinn »Nun, eine Art Sportveranstaltung, wie die gaianischen Festspiele. Es gab vor etwa zwanzig Jahren einen Mann, aus Ermilien dem die Karniphoren nach gelingen einer Prüfung die Freiheit schenkten.«

»Sportveranstalungen?«

»E-Enden meist tödlich.« Stotterte der junge Mann weiter. »E-Er musste einen Fluss voller Kr-Krokodile durchqueren.«

»Ach jetzt lass gut sein Liberio! Wir wissen doch überhaupt nicht was die vorhaben, du versetzt ihn nur in Panik.«

Panik war nicht ganz das richtige Wort, welches Saibos Gemütszustand beschrieb. Die Fremden kannten ihn nicht, sie kannten nicht die Art und Weise, wie er aufwuchs. Die Rebellen lebten und handelten nach strengen Regeln und Grundsätzen. Loyalität, Tapferkeit, Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Verantwortung und Gerechtigkeit. Die 6 Säulen ihres Ehrenkodexes, nach denen jeder der Freiheitskämpfer Handeln und Leben musste. Nach und nach in all den Jahren des Widerstands entstand unter den Rebellen eine regelrecht eigene Kultur. Sitten und Lebensart, Gebräuche und Gesetze kristallisierten sich unter den Bewohnern Elpis im Laufe der Zeit heraus und so wuchsen die Kinder in der Rebellenkultur zu jungen Männern heran, die die Gebräuche und Sitten der Rebellion vollkommen verinnerlicht hatten. Lange war es ihnen so möglich Kron zu trotzdem. Nein, Panik war es nicht, was Saibo nach all den Jahren als Rebell in einer solchen Situation verspürte, viel mehr sah er die Chance. Die Chance, auch wenn alle Hoffnung verloren schien, das Blatt zu wenden. Der Hass war es, der dafür sorgte, das Saibo angesichts des ungewissen Schreckens, der Hoffnungslosigkeit keine Luft zum Atmen gab. Er war wie eine Maschine, sein Körper war wie eine Maschine, eine Maschine, bewohnt von seinem Geist, wie ein Cockpit. Eine Maschine, die von Hass angetrieben wurde, denn je mehr er hasste, desto mehr Energie floss durch seinen Körper und desto stärker brannte in ihm das Verlangen danach diesen Ort lebendig zu verlassen. Alles worauf sein Augenmerk gerichtet war, war die Vernichtung Krons, durch seine Hände. Sie verharrten fortan Wortlos. Selbstbewusst saß Saibo ruhig verharrend in seinem Käfig und lauschte dem Brüllen, der vielen Wasserfälle, welche von den Staudämmen der alten Welt hinabfielen. Die architektonische Raffinesse des Karniphorendorfes war beachtlich. Von ihren Käfigen aus, konnten die Gefangen über weite Teile des Dorfes blicken, was Plinius selbst im Angesicht des bevorstehenden Todes dazu verleitete, jede Kleinigkeit in seinem Notizbuch festzuhalten. Wenige und wenn, nur dressierte, angekettete Krokodile waren in dem Dorf zu finden. Die Flüsse, welche an scheinbar jeder Ecke zu verlaufen schienen, waren zumeist Ausläufe der Wasserfälle und nicht passierbar für die wilden Tiere, des dampfenden Dschungels. Ab und an kamen einige schaulustige Bewohner des Dorfes und beobachteten respektvoll die Gefangenen. Es fielen keinerlei unfreundliche Gesten, stattdessen brachte eien Reihe von Frauen, ihnen sogar aufwendig angerichtete Teller mit verschiedenen exotischen Früchten.

»Möget ihr Tokeps Zorn befriedigen« Sagten sie und verließen mit einer Verbeugung die Käfige. Wären sie nicht in engen Käfigen eingesperrt, so sagte Hermes als er sich einen prallen, frischen Apfel nahm, würde er glatt hierbleiben. Mai lachte. Es war überhaupt der erste Laut, den sie von sich gab, denn hatte sie seit ihrem Erwachen im Käfig, kein Wort gesprochen. Zitternd saß sie da, in Gedanken versunken und versuchte die in ihr keimende Furcht zu unterdrücken.

Zwei Nächte vergingen. Der auf ihnen lastende Druck und die Ungewissheit ihres Schicksals, ließ die Gefangen nicht viel sprechen. Wenn Jemand sprach, war es meist Hermes, welcher unbeholfen versuchte die Stimmung mit einigen Witzen aufzuheitern oder Plinius etwas über die Karniphoren fragte. Plinius erzählte ihnen von dem wenigen was er wusste. Über Tokep, dessen Name immer wieder von den Stammesmitgliedern erwähnt wurde. Tokep so nannten sie Gott, dessen Wut, so glaubten die Karniphoren in den aggressiven Krokodilen, welche die Flüsse rings um das Dorf bewohnten, einkehrte. Liberio, der wie Plinius erklärte, sein Assistent und gleichzeitig Schüler war, mischte sich ab und an in das Gespräch ein. Plinius stellte ihn jedoch meist, recht shcnell mit erhobenem Zeigefinger wieder ruhig, um selbst mit den Erzählungen fort zu fahren. Mais Angstzustände stiegen exponentiell, mit jeder Geschichte, welche er über die Berichte der wenigen Heimkehrer erzählte. Es war die Rede von blutigen Spielen und Ritualen, welche sie mit den Gefangenen zur Befriedigung Tokeps veranstalteten.

Schließlich, als die Morgensonne ihre funkelnden Strahlen über das, in der Ferne noch immer sichtbare Gebirge von Phobos warf, trat eine über zwanzig Mann große gruppe Karniphoren an die Käfige heran. Ihre Gesichter, waren symbolisch für die blutverschmierten Mäuler der Krokodile mit roten Mustern und Verzierungen bemalt. Ruppig weckten sie die Gefangenen, indem sie sie mit hölzernen Stäben stießen.

Einer nach dem anderen erwachte aus seinem unruhigen, angespannten Schlaf. Müde und verspannt, rieb sich Hermes den Schlaf aus seinen Augen.

»Gibt’s was zu essen?« Fragte er und ein langes Gähnen riss seinen Kiefer auseinander.

»Ja. Aberr nicht fürr euch.« Antwortete ihm einer der Karniphoren in unheilvoller Stimme, während er einige Holzpflöcke, welche Hermes Käfig in der Luft hielten, aus der Erde zog.

»Oh. Verdammt.« Nun war ausnahmsweise auch Hermes Stimmung, nachdem dieser Satz gefallen war, mehr als gedrückt.

Weitere Kaarniphoren erreichten den Platz und montierten an den Holzbalken der anderen Käfigen herum.

»Tokep. Tokep. Tokep.« Wiederholten die Karniphoren in allmählich auftretendem Rhythmus immer wieder und hoben die Käfige an. Der Priester, im Gewand des Krokodilskeletts, welcher Saibo ausgewählt hatte, trat auf den Platz.

Die Stimmen verstummten. Er hob seinen Stab, streckte ihn weit in die Lüfte und sprach.

»Allmächtiger Tokep! Herrscher der Seen, Wächter des Waldes, höre mein Flehen! Wir danken deinem Schutz, was du uns bringst, ist gut. Möge dein Durst heut gestillt werden mit Blut!«

Die Menge schrie kurz auf und verfiel in ein Mantra artiges Wiederholen immer wieder desselben Namens. »Tokep. Tokep. Tokep.« Raunten sie in melodischer Einheit und trugen die Käfige vom Platz durch das Dorf.

»Verdammt noch mal. Das klingt gar nicht gut!« Rief Hermes, dem in stiller Konzentration weilenden Saibo zu.

»Was geschieht mit uns!?« Kreischte Mai, tränend Plinius entgegen, doch dieser, starr vor Angst, wagte keine Reaktion. Die Bewohner des Dorfes warfen den Käfigen Blütenblätter entgegen. Sie baten um Schutz und Gesundheit und stiegen nach und nach in den Chor mit ein. Die Stimmen wurden lauter und der Name wurde immer schneller und furchteinflößender wiederholt, während die Käfige durch das Dorf getragen wurden.

»Saibo!? Hermes!? Tut doch irgendwas!« Mais völlig von Verzweiflung zerbrochene Stimme schallte durch den Chor. Doch niemand antwortete.

»Tokep. Tokep. Tokep.«

Liberio hatte sich bereits aufgegeben. »D…Das wars dann W…wohl«

Plinius flüsterte, war er auch Heide, dennoch leise seine letzten Gebete vor sich hin. Nur einer schien in all dem Gewirr die Nerven zu bewahren. Nur einer saß still und klammheimlich in seinem Käfig und trotzte dem ihn überkommenen Gedanken des Todes. Nur einer wagte es selbstsicher, dem Tod in seine dunkle Kutte zu Blicken, und nichts als Überlegenheit zu verspüren. Seine Augenbrauen finster zusammengezogen saß der Rebell in seinem Käfig und schenkte dem Chaos keine Aufmerksamkeit. Fixiert auf sich selbst, fixiert auf seine Beherrschung dachte er nicht im Traum daran, dem Sensenmann sein Leben Kampflos zu überlassen. Nicht er. Nicht Saibo.

»Tokep. Tokep. Tokep.«

Die Käfige wurden an ein mächtiges Bauwerk herangetragen. Mitten im Zentrum des Dorfes ragte es aus den anderen, quaderförmigen Gebäuden heraus. Jegliche Häuser des Dorfes waren von präziser Perfektion. Eckig und kantig, standen sie verteilt in Reih und Glied. Nicht jedoch dieses Gebäude. Dieses, das größte und imposanteste, von Malereien und Mustern gesäumte Gebäude, war das einzig runde. Vielmehr war es ein kolossaler Kreis aus Mauern, an denen sich viele Eingänge und schmuckvolles Tuch entlang zogen. Die Balken der Käfige wurden abmontiert und die Käfige in eine staubige Kammer gebracht. Wenig Sonnenlicht brach in den stickigen Raum, auf dessen trockenem Grund die Käfige abgestellt wurden.

»Möget ihr Tokep befriedigen.« Sagten die Karniphoren und ließen die Gefangenen allein.

Unter Anspannung stehend, beobachtete Saibo die anderen.

»Beruhige dich Mai.« Sagte er und versuchte in seiner Präsenz, falsche Gelassenheit zu vermitteln. Ein jeder der Gefangenen war von Furcht befallen, doch Mai stach heraus. Ihre normalerweise bräunliche Haut, war in ein fahles Kreidebleich umgeschwenkt. Ihre weit aufgerissenen Augen von Schatten der Panik umringt und ihr Blick leer. Zitternd hockte sie da. Die Gefangenen waren allein, keiner sagte ein Wort. Letztlich richtete sich Saibo auf, soweit es ihm sein enger Käfig erlaubte.

»Was ist mit euch?« Fragte er in die Runde hinein, doch erhielt weder Gestik noch Sprache zur Antwort. »Habt ihr euch aufgegeben? Sehnt ihr euch nach dem Tod? Oder warum hockt ihr da und jammert?«

»Du hast keine Ahnung!« Antwortete Plinius mürrisch. »Wir werden sterben. Du kennst die grausamen Rituale der Karniphoren nicht! Auch dein Funken Hoffnung wird erlöschen, wenn du siehst, was uns erwartet!«

»Wir werden sterben? Bist du Hellseher? Ist das Schicksal? Ich glaube nicht an Schicksal. Auch ein einzelner Funken kann einen Waldbrand entzünden. Vielleicht werden wir sterben, vielleicht werden wir leben, das wird sich zeigen. Aber wir können immer noch selbst bestimmen, ob wir aufgeben. Jammern wird uns hier nicht rausholen, sondern Handeln!«

»Und was schlägst du vor?« Fragte Mai mit starrem Blick.

»Handeln…« Antwortete Saibo knapp.

Plötzlich betraten Karniphoren den Raum und hoben Saibos Käfig an. Er versuchte nach ihnen zu schlagen, doch erreichte sie durch die engen Gitter nicht. Sie trugen den Käfig aus dem Raum durch die offenen, langen Gänge. Die jubelnden Stimmen unzähliger Menschen waren gedämpft durch die Mauern zu vernehmen. Der Käfig wurde durch ein Tor getragen und nun erblickte Saibo eine Art Amphitheater. Rings um ihn herum, verlief eine Tribüne in einem Oval. Hunderte Karniphoren besetzten die Plätze, jubelten, kreischten und applaudierten, als der Rebell hinein getragen wurde. Sie schlossen das Tor. Der Käfig stand nun auf einem kleinen Podest an der Seite. Die ovalförmige Tribüne grenzte einen engen ausweglosen Bereich in der Mitte ein, gefüllt mit Wasser. Eine kleine, runde Insel ragte aus der Mitte der wässernen Arena.

Das Jubeln verstummte, als der Priester seine Hand hob. Er stand auf einer Ausuferung der Tribüne an einer art Podium. Mit stolz geschwellter Brust, stand er erhaben in der Höhe.

»Für Tokep!« Fing er an und erhielt hallenden Beifall. »Brüder und Schwestern. Lasst uns beten. Groß ist Tokep, unendlich seine Macht. Herrscher, Erschaffer von Tage und Nacht. Von Luft und von Land, von Flut und von Brandt. Du bringst Leben und Tod, Freude und Not. Wir danken dir, flehen um Segen. Heute nun opfern wir dir dieses Leben!« Es rumorte in der Arena. Rote Blütenblätter schossen wie spritzendes Blut aus den Mengen und rieselten tanzend hinunter in das Becken. Die Karniphoren erhoben sich in geradezu manischer Euphorie. Sie warfen die Hände in die Luft und brüllten zum Himmel.

Unten platzierten sie eine lange Holzplanke, von Saibos Käfig zu der Insel inder Mitte. Speerträger in festlicher Kleidung rückten an und richteten ihre Spitzen rings herum auf den Rebellen aus.

»Durchschlagt die Gitter!« Befahl der Priester und Äxte schlugen in das harte Holz. Mühevoll spalteten die scharfen, großen Äxte die Holzgitter. Es splitterte und knackte. Schließlich trat Saibo aus dem Käfig. Das Jubeln erreichte nun seinen Zenit. Ernst dreinblickend, umgeben von unzähligen Spitzen machte er keinen Deut zur Flucht. Selbstsicher stand er mit beiden Beinen auf dem Boden und ließ seinen Blick durch die Menge schweifen. Noch bevor die Speerträger beginnen wollten, ihn voran zu treiben, setzte er bereits seinen Fuß vor. Ruhig stolzierte er auf die zu seinen Füßen liegende Planke. Das Holz murrte und bog sich unter der Last, als seine braunen, schweren Lederstiefel darüber stampften. Er betrat die kleine, steinerne Insel und sie zogen die lange, morsche Holzplatte von ihm weg. Alleine stand er nun da, inmitten der Arena, umgeben von den tosenden Massen. Ein Schwert wurde über das Wasser auf die Insel geworfen und schallte hell. Der Rebell las es auf. Ruhe kehrte ein.

»Lasst Krokarr frei!« Befahl nun der Priester. Hinter Saibo verließen die Wächter mit der Planke die Arena durch das Tor. Es fiel zu. Fest umschloss Saibo mit seiner von Schmutz geschwärzten Hand den Griff des Schwertes und wartete ab. Vor ihm, auf der gegenüberliegenden Seite der Arena hievten nun schwere Ketten, die ins Wasser ragenden Gitterstäbe hoch. Ein dunkles Loch lag nun zwischen Mauer und Wasser. Streng stierte Saibo in die Finsternis und ein Schaudern kroch seinen Rücken hinunter, während er dem Grummeln der Bestie aus der ungewissen Schwärze lauschte.

»Nun Tokep, nimm dir dein Blut! Nimm dir dein Fleisch, still deine Wut!«

Das Grummeln der Bestie raunte weiter aus der Höhle und ein urgewaltiges Brüllen rollte Saibo entgegen.

Die Rebellion des Adlers

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