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Kapitel 4: Der Palast der Aussätzigen
Оглавление»Wir sind da.« Sagte einer der Männer und riss die Plane vom Karren. Ruppig zogen sie Hermes und den völlig lädierten Saibo hoch. Sie kappten, bis auf jene an den Handgelenken, alle Fesseln und schubsten die Beiden mit einem rauen »Vorwärts!« voran. Saibos Mund klappte ungläubig auf, als er auf das gigantische Gebäude blickte. Es wirkte tatsächlich wie ein alter heruntergekommener Palast, nur größer. Es war ein gigantisches viereckiges Gebäude. Darauf eine riesige alte Glaskuppel, die einst das Dach darstellte, doch über die Jahre war nur ein splittriger, kreisförmiger Ausschnitt davon übrig geblieben. Saibo erblickte die unzähligen Menschen, die dort lebten. Der Rauch von Kochstellen stieg aus den Öffnungen in denen wohl einst Fenster waren heraus. Einige verdreckte und vermoderte Fenster konnten noch an der Fassade erblickt werden, doch die meisten waren herausgebrochen. Misstrauisch schauten die Menschen aus ihren Unterkünften, es waren zwielichtige Gestalten, welche an den Rändern der Wohnungen saßen und auf die Neuankömmlinge herab sahen. Vernarbte warfen ihnen zornige Blicke zu, während sie den Rauch ihrer Wasserpfeifen aus den Mündern stießen. Sie gingen durch den riesigen palastartigen Eingang, über dem auf einer alten schmutzigen Metallplatte in ausgestanzten Buchstaben das Wort »Nord-Einkaufszentrum« zu lesen war.
Eine große Gruppe aus Jugendlichen wachte über den Eingang. Kritische und provozierende Blicke die sie Saibo zu warfen, doch wendeten sie diese unsicher ab, als die breit gebauten Männer die Saibo und Hermes führten sie ins Auge fassten.
Sie gingen in das Gebäude, es war wie ein langer Gang, der sich vom Eingang bis zum anderen Ende des Gebäudes zog. In der Mitte ein riesiger nicht mehr funktionierender Springbrunnen. Links und rechts des Ganges türmten sich je 3 Stockwerke auf. Jedes umfasste einen diagonal zum untersten verlaufenden Gang mit Geländer. An ihren Seiten waren die einzelnen Wohnungen aufgereiht. Einige der Wohnungen hatten normale Wände und Türen, doch die meisten waren mit Hölzern zugenagelt und mit provisorisch, umfunktionierten Türen versehen. Stümperhaft mit den verschiedensten Materialen abgedichtet. Hektisch trieben die Männer die Beiden voran. Die düsteren Gestalten in dem Gebäude beäugten Saibo kritisch. Sie durchschritten einen engen, unbeleuchteten Durchgang, vor dem erst einige Aufpasser beiseitetreten mussten. Am Ende des engen Korridors zogen sie seidene Vorhänge beiseite und ein großer von Säulen gespickter Raum kam zum Vorschein. Der Raum war abgeschottet und nur die, an den Wänden flackernden Fackeln beleuchteten ihn. Kissen und Tücher soweit Saibo sehen konnte. Sie gingen über einen durch die Mitte verlaufenden, gekachelten Pfad. Links und rechts davon rekelten sich junge Frauen leicht bekleidet auf den Kissen, zwischen wenigen edlen Männern, welche die Fremdlinge in Anbetracht der Mädchen scheinbar überhaupt nicht wahrnahmen.
»Wie ich den Anblick vermisst habe!« Sagte Hermes und stieß dem, von den betörenden Blicken der Mädchen, vollkommen hypnotisierten Saibo in die Seite. Freudig zwinkerte Hermes einigen der Mädchen zu, doch galten ihre verführerischen Blicke hauptsächlich dem lädierten Rebellen. »Wenn diese fünf Gorillas um uns herum nicht wären. Glaub mir, dann...«
»Schnauze jetzt Hermes!« Sagte der Größte unter den Fünfen und schlug ihm mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf.
»Ist ja schon gut.« Beschwichtigte Hermes eingeschnappt und schwieg. Sie durchschritten das Labyrinth aus Kissen und Säulen und endeten schließlich in einem runden, edel verzierten Nebenraum. Sie stoppten. Vor ihnen lag auf einem aus Kissen und Tüchern aufgetürmten Thron ein Mann, umringt von drei Mädchen, die ihn sinnlich massierten. Mehrere bewaffnete Männer standen akkurat im Raum verteilt und musterten die Gefangenen kritisch.
Der Anführer der fünf Männer trat vor.
»König Rhakim.« Sagte er ehrerbietend. »Wir haben ihn.«
Rhakim war ein etwa 30 jähriger Mann, von sportlicher Statur, schwarzes rückwärts gekämmtes Haar und ein Spitzbart zierten sein Gesicht. Er trug weite, seidene Kleidung und sein Körper war gänzlich mit edlem Schmuck behängt. Ein triumphierendes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er Hermes erblickte.
»Ich danke dir Aga« Sagte Rhakim mit einer rauchigen, sanften Stimme und der Anführer der Fünf trat zurück.
»Wer kommt denn da heim, zu seinem Herrchen?«
»Hey Rhakim lange nicht gesehen. Wie geht's dir?« Fragte Hermes mit geschauspielert lockerer Laune. Rhakims Augenbrauen glitten hinab und er nickte einem seiner Männer zu. Ein kräftiger Hieb auf Hermes Hinterkopf war die Folge.
»Hey!« Schrie er auf. »Nicht immer auf den Hinterkopf!«
»Angeblich fördert das ja das Denkvermögen.« Sagte Rhakim leicht gereizt. »Also Hermes. Du bist ein mieser kleiner Taschendieb, was zum Teufel hat dich dazu veranlasst, dich zum König aller Diebe aufzuschwingen und MICH zu beklauen!?« Rhakims Stimme wurde zornig und laut.
»Du hast IHN beklaut!?« Flüsterte Saibo Hermes ungläubig zu.
»Kann man so sagen...« Flüsterte dieser zurück. »Ich weiß echt nicht was du meinst Rhakim. Komm schon. Wieso sollte ich dich beklauen? Ich bin doch nicht schmerzensgeil.«
»Das werden wir schon noch herausfinden. Wo ist, was du mir gestohlen hast? Eingetauscht? Ausgegeben? Naja eine Sache von Wert hast du ja noch, um mich auszuzahlen. Warte ab, bis wir sie finden. Um die werde ich mich persönlich kümmern.« Schelmisch grinste Rhakim.
Schlagartig riss Hermes sich leicht nach vorne, in seinen Augen brannte das Feuer des Zorns. »Wenn du sie anfasst..!«
»Dann was!?« Fauchte Rhakim zurück.
»Sag mir wo du sie versteckt hast und ich verspreche dir einen schnellen und schmerzlosen Tod.«
»Keinen Bock.«
Zornig bäumte Rhakim sich auf und sah mit einem Wut verzogenen Gesicht auf Hermes herab. »Ich werde dir die genaue Bedeutung des Wortes Schmerz beibringen! Deine Widerspenstigkeit wird zusammen mit deinen Knochen gebrochen werden! Sperrt ihn ins Verlies! Morgen beginnt dann die Suche nach den Grundfesten des Schmerzes.«
»Was sollen wir mit dem hier machen? Wir haben ihn zusammen mit Hermes in einer entlegenen Gasse gefunden.« Sagte Aga und deutete auf Saibo.
»Sperrt ihn dazu. Vielleicht weiß er etwas und wenn Hermes nicht mit der Sprache rausrückt, dann vielleicht er.«
»Jawohl.« Sie packten Saibo und zerrten ihn in engem Griff gemeinsam mit Hermes aus dem Raum.
»Lasst mich los! Ich weiß nichts!« Beteuerte Saibo immer wieder, doch hörten sie ihn nicht an. Sie schleiften ihn und Hermes durch enge Gänge jenseits des haremsartigen Raumes. Es war kalt und feucht und der feste Griff in Kombination mit den Fesseln, entledigte Saibo der Möglichkeit sich frei zu kämpfen. Sie kappten seine Fesseln und stießen sie in einen dunklen Raum. Ein lautes Grollen, endete mit einem hell klingenden Schlag, als die Gittertür zu geschoben wurde.
»Bis morgen Früh.« Sagte Aga mit einem schadenfrohen Grienen und die Männer gingen. Zurück blieben nur Saibo und Hermes in der düsteren Zelle.
Wütende Blicke strömten von Saibo aus auf Hermes, der sich scheinbar unbekümmert in eine Ecke setzte.
»Ja mach's dir nur gemütlich.« Sagte Saibo frustriert und wendete genervt den Blick ab.
»Tut mir Leid. Ehrlich ich wollte dich da nicht mit reinziehen. Andererseits...«
»Andererseits was?«
»Andererseits wären wir gar nicht in dieser misslichen Lage wenn du mich nicht wie ein Irrer gejagt und durch die Gasse geschleudert hättest...«
»Willst du allen Ernstes jetzt behaupten das Ganze sei meine Schuld!?« Saibos stark aggressive Stimme wurde vor Zorn leicht brüchig.
»Reg dich ab.« Gemütlich faltete Hermes die Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich entspannt zurück, gegen die karge Steinwand.
»Abregen? Abregen!? Soll das ein verdammter Scherz sein!? Ich soll mich abregen!?«
»Jup. Abregen.«
Sprachlos stand Saibo da und es schien, als erstickte er an seiner Wut. Hermes machte keinen Anstand auf Saibos zornrotes Gesicht zu reagieren und schloss gleichgültig die Augen.
»Also du bist ein Reisender?« Fragte er Saibo mit ruhiger Stimme.
»Für solche lockeren Gespräche ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt!«
»Siehst aus wie ein Krieger. Wo willst du hin?«
»Was geht dich das bitte an?«
»Ich will mit kommen.«
»Tzzz.« Saibo grinste höhnisch. »Nenn mir einen vernünftigen Grund, warum ich dich mitnehmen sollte?«
»Weil ich uns hier als Einziger raus holen kann, mein Freund.« Fragend schaute Saibo ihn an, doch verstand, als Hermes einen dicken Schlüssel aus seinem Hosenbund holte. »Ich bitte dich, was hast du erwartet? Ich bin Dieb.«
»Schön. Und wie stellst du dir vor hier herauszukommen? Der Schlüssel ist eine Sache, aber was ist mit den Wachen?« Fragte Saibo skeptisch.
Hermes grinste breit. »Hey, du bist doch der Krieger von uns beiden. Ich glaube du solltest eine Antwort auf deine Frage wissen. Mach dir keine Sorgen, ich bin hier praktisch groß geworden, ich kenne im Grunde alle Gänge auswendig, es wird ein leichtes sein sich hier heraus zu schleichen. Vielleicht musst du ein oder zwei Wachen auf dem Weg platt machen, aber das dürfte für einen Muskelmann wie dich wohl machbar sein?«
Nacht.
»Psssst« Machte Hermes und hielt sich symbolisch den Zeigefinger vor den Mund. Saibo unterbrach daraufhin seine traktierende Nörgelei an Hermes, seiner Meinung nach unausgereiften und kindischen Plan. Im düsteren Gang vor den Gitterstäben liefen in regelmäßiger Patrouille Wachen Auf und Ab. Als die Wache den Gang hinauf geschritten war, packte Hermes die Gelegenheit beim Schopfe.
»Bereit?« Fragte er Saibo, nachdem er den Schlüssel im Schloss platziert hatte. Saibo nickte und Hermes drehte den Schlüssel.
»Klack!« Tönte es lauter als gedacht durch den Gang und das Echo hallte noch eine Weile nach.
»Du verfluchter Idiot!« Fuhr Saibo ihn an, doch Hermes entgegnete nur ein weiteres »Psssst«.
Stiefelschritte kamen aus den Schatten und orangefarbenes Licht schien in dem Gang, als die patroullierende Wache mit ihrer Fackel, schnellen Schrittes auf die Zelle zu kam.
»Was ist hier los?« Fragte sie in rauem Ton und starrte Hermes aufgebracht durch die Gitterstäbe an. Mit gespielter Unschuld presste er ein unschuldiges Lächeln heraus.
»Gar nichts. Wirklich...« Sagte er. »Wir sind nur gerade dabei, hier auszubrechen..«
Verwirrt hielt die Wache einen Moment inne. Saibo der vor dem Eintreffen der Wache bereits die Zelle verlassen hatte, tauchte hinter dem Wachmann aus dem Schatten und riss ihm das Schwert aus der Scheide an seiner Hüfte. Erschrocken schrie die Wache durch den Gang, bevor Saibo sie mit einem schnellen Schwerthieb niederstreckte.
»Jetzt aber schnell!« Spornte er Hermes an und riss die Gittertür auf.
»Ja ja. Ruhig Blut«
Aufmerksam wie ein Luchs trappelte Hermes, mit dem bewaffneten Rebellen im Rücken durch die Gänge und spähte bei jeder Ecke erst einmal vorsichtig hervor, bevor er weiter schlich. An einer T-Kreuzung erstarrte er und hockte sich hinter eine Mauer. Ruppig riss er Saibo zu sich herunter.
»Bewegt euch!« Keifte Aga einigen Männern zu und sie rannten durch den schummrigen Gang. »Findet raus, was los ist!« Saibo und Hermes hockten hinter der Ecke und wurden von Aga und seinen Männern im Düsteren übersehen.
»Knappes Ding.« Atmete Hermes aus. »Siehst du die Tür dort am Ende des Ganges?«
Saibo nickte.
»Geh da raus, etwa 50 Meter geradeaus durch das Dickicht. Warte dort.«
»Was ist mit dir?«
»Ich muss nur noch schnell etwas erledigen, ich komme dann nach.« Urplötzlich sprang Hermes auf und raste den Gang in die Richtung aus der Aga gekommen war entlang. Ratlos über sein weiteres Vorgehen, beschloss Saibo den Anweisung zu folgen und stürmte in die entgegengesetzte Richtung, aus der kleinen Hintertür hinaus in den dunklen Wald.