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Kapitel 1: Krieg

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Ein dröhnendes Knallen. Der Boden bebte unter der massiven Explosion. Dreck und Staub schleuderten durch die Luft, wie bei einem Vulkanausbruch.

»Mehr Männer nach vorn!« Rief ein narbenverzierter Mann, der sich schwerfällig durch den aufgewirbelten Staub kämpfte. Das ohrenbetäubende Trommeln unzähliger Maschinengewehre erfüllte die Luft und wurde untermalt von den schmerzerfüllten Schreien ihrer Opfer.

»Jetzt!« Schrie der Mann, als der Rauch sich lichtete und er den Feind klar vor sich erkannte. Plötzlich wurden die Gewehre von dem urgewaltigen Brüllen der Rebellen überrollt und verstummten geradezu. Eine lückenlose Masse an Kriegern stürmte vom Horizont herab, den von der Schlacht gezeichneten Hügel hinunter. Ehrfürchtig blickten die Soldaten auf die wild im Kampfesrausch anstürmenden Rebellen. Es war ein episches und zwiespältiges Bild. Denn die Armee Gaias, gekleidet in edlen Rüstungen und mit unzähligen Schusswaffen der alten Welt bestückt, starrte mit angsterfüllt aufgerissenen Augen, auf die ärmlichen Rebellen. Deren provisorische Rüstungen bestanden aus alten, oft zerrissenen und genähten Lumpen. Metallplatten wurden mit Bändern und Gürteln rings über den Körper befestigt. Schusswaffen hatten sie keine. Es galt als ehrlos unter den Rebellen einen Mann nicht von Angesicht zu Angesicht zu töten. Somit walzten sie in einer Flutwelle aus adrenalingeladenen Kriegern auf ihre Gegner herab, bewaffnet nur mit Schwertern, Schilden, Speeren und Äxten. Panisch luden die gaianischen Soldaten nach und hielten ihre Waffen vor Angst zitternd auf die Rebellen. Ihre Kugeln prallten wie Hagelkörner an den dicken Schilden ab, hinter deren Wand diese voranstürmten. Urplötzlich schossen mehrere Rebellen Streitwagen von links und rechts aus dem dunklen Wald. Vier mit Metallplatten gerüstete Pferde zogen jeweils einen der dick gepanzerten Streitwagen, auf denen bis zu zehn Kämpfer in die Schlacht rasten. Sie brachen von beiden Seiten in die Reihen der Gaianer. Mit Speeren stachen sie, wie Fischer in die See, in die Körper ihrer Feinde. Die Spitzen, rund um die Wagen, rissen den Gaianern die Beine weg und die Schmerzensschreie verlagerten sich in ihre Reihen. Unaufhaltsam preschte die Flut aus Rebellen von vorn mit einem lauten Knall in die Front hinein. Schreie und aufeinander schlagendes Metall ertönten im rapiden Duett. Äxte schlugen in Köpfe und Schwerter bohrten sich in Körper. Auch der Narbenverzierte war inmitten seiner Brüder. Wie im Rausch schlug er um sich und eine Blutsalve nach der anderen fegte in sein Gesicht. Berserker, so nannte man die Rebellen in den fernen Städten. Die scheinbaren Wilden, am Rande der Zivilisation und war diese Bezeichnung mehr als nur treffend, sofern man sie im Kampf antraf. Wie von einem Dämon besessen hackte der Narbenverzierte sich immer weiter nach vorn, um ihn herum tobte das Chaos. Das Rattern der Gewehre hörte nicht auf. Ein gleißendes Licht, gefolgt von einem Beben warf ihn von den Beinen und Dreck rieselte auf ihn herab.

»Weiter!« Schrie er vom Boden aus ins Chaos über sich hinein, doch seine Stimme ging im Lärm der Schlacht unter. Hastig rappelte er sich wieder auf, doch knickte sofort wieder zusammen, als eine Kugel durch seine Schulter schoss. Wütend presste er seine Zähne aufeinander und richtete sich erneut auf. Vor ihm fielen seine Brüder und hinter ihm stürmten weitere nach vorn. Ein heroischer Schrei drang aus seiner Kehle und ließ sein Gaumenzäpfchen zittern. Er hob seine Axt und stürmte mit unterdrückten Schmerzen nach vorn. Seinem Vordermann riss es den Kopf weg. Wie in Trance blickte er sich um. Scheinbar unbesiegbare Krieger in Raserei schlugen wild um sich, doch wurden binnen einer Sekunde von den präzisen Kugeln der Gewehre von den Beinen gerissen. Resigniert ließ er sich zurückfallen. Er wusste, dass es hier keinen Sieg mehr zu erringen gab. Taumelnd schleppte er sich durch die nach vorn stürmenden Krieger. Der Gegenstrom machte es ihm schwer und ließ ihn einige Male einknicken, doch schließlich erreichte er das Ende. Ein rotes Banner lag im Dreck, zwischen den kargen Grashalmen. Er las es auf, zögerte, doch stieß es schließlich in den Himmel. Das laute Tönen eines Horns schallte über den Kriegsschauplatz. Es war lang und dröhnte in jedermanns Ohren. Neben ihm erhoben sich weitere rote Banner und plötzlich wechselten die Rebellen ihre Richtung.

»Rückzug! Rückzug!« Riefen sie wild durcheinander und stürmten zurück in jene Richtung, aus der sie gekommen waren. Auch der Narbenverzierte lief so schnell es ihm sein Zustand erlaubte den Hügel hinauf in Richtung Lager. Kaum überquerten sie die Horizontlinie, erhob sich eine mächtige, mehrschichtige Palisadenmauer. Langsam öffneten sich die Tore und die Rebellen strömten hinein. Er schleppte sich eine der Leitern im Inneren des Lagers hinauf, auf das Dach des höchsten Gebäudes.

»Zaim!« Rief ihm jemand entgegen. Es war ein junger Mann, Mitte zwanzig. Er trug eine zerfetzte Hose und ein aus einem schwarzen und einem weißen Stoff zusammengeflicktes Oberteil. Auf seiner Schulter und über seinem Bauch hatte er rostige Metallplatten umgeschnallt und mittellanges, struppiges Haar wucherte über sein schmutziges Stirnband.

»Saibo.« Stellte Zaim erfreut fest und schloss seinen Sohn in die Arme. Bereits als Kind begann Zaim damit seinem Sohn, die Kunst des Krieges zu lehren. Schließlich, als er reif genug war, wurde er in den Rang eines Kommandanten erhoben und mit der Führung der zweiten Kolonne betraut.

»Wie hoch sind eure Verluste?« Fragte der bereits Blut keuchende Zaim seinen Sohn.

»Mehr als die Hälfte ist tot und ein Viertel verwundet.« Antwortete Saibo und senkte seinen Blick. Er hielt einen Moment inne. »Wo ist Kerphonios? Ich dachte er wäre bei dir?«

»Ich habe ihn seit dem Angriff nicht wieder gesehen. Ich fürchte dein Onkel ist tot, so wie die meisten. Wir werden die Festung nicht halten können.«

Saibo schwieg. Denn auch wenn er es nicht zugeben wollte, so wusste er, dass Zaims Worte wahr waren. Das Dorf der Rebellen, die Festung Elpis, Hochburg der Hoffnung. Viele Namen hatte dieser Ort, doch fortan würde kein Einziger davon je wieder ertönen.

»Wir dürfen nicht aufgeben!« Protestierte Saibo schließlich.

»Das werden wir nicht.« Zaim schnalzte mit der Zunge und sah erschöpft hinab in die Menge. Ein Gemisch aus Dreck, Blut und Schweiß klebte auf seiner Haut und sein schulterlanges, gelocktes Haar hing schweißgetränkt vor seinem Gesicht. »Aber einen Sieg werden wir auch nicht erringen können.« Er ließ seinen Blick durch die Stadt wandern. Kaum ein Gebäude hier war alt, die meisten in den letzten Jahren entstanden. Lehmhütten dicht an dicht, verziert mit Mustern, Glyphen und Leitsätzen der Rebellionsbewegung. Verletzte, sowie Tote wurden durch die Gassen getragen. Frauen pflegten die Verwundeten, Kinder weinten in den Straßen, Einzelteile lagen herum. Alles von der Kleidung bis zu den Gebäuden wirkte bestenfalls provisorisch. Die Waffen bestanden oft aus Rohren oder anderem Schrott, genau wie die Möbel und teilweise die Häuser selbst.

Urplötzlich riss sich mit einem lauten Knallen eine Furche in die Front der Palisaden.

»Sie kommen.« Sagte Zaim mit leicht zusammengekniffenen Augen und beobachtete den kleinen Spalt, der sich auftat.

»Zweite Kolonne bereit machen!« Rief Saibo vom Dach herunter und grapschte hastig nach seinem Schwert. »Bleib hier und erhol dich. Ich werde sie aufhalten Vater!«

Zaim spuckte verächtlich auf den Boden und hinterließ einen roten Klumpen. »Wenn ich sterbe, dann nicht wie ein kümmerlicher Feigling beim Verstecken auf dem Dach! Wenn ich sterbe, dann mit meiner Axt im Feind!« Energisch kämpfte er sich wieder hoch auf die Beine. Saibo nickte und Bewunderung mischte sich mit einer dunklen Vorahnung, als er die Blutlache erblickte, welche sich unter dem alten Veteranen gebildet hatte. Sie stiegen die hölzerne Leiter hinunter. Unruhig starrten die erschöpften Soldaten auf die Palisaden. Sprengkörper detonierten an der dicken Mauer und immer größere Risse zogen sich durch die Schutzwand.

»Ruhig Männer! Haltet euch bereit!« Wies Zaim sie an, während er durch ihre Reihen humpelte. Er kämpfte keuchend mit seinen Verletzungen, doch der unbändige Kampfeswille war nach wie vor ungebrochen. Ein Blick in seine Augen genügte, um zu erkennen, dass er mehr als jeder andere Kämpfer danach gierte, ihn zu befriedigen. Das Tor pochte und rüttelte stark unter den Explosionen.

»Gleich ist es so weit.« Flüsterte Saibo vor sich hin. Gebannt starrte er auf das Tor. Plötzlich detonierte es. Es ratterte und rumste. Einzelteile flogen durch die Luft, sodass Saibo für einen Moment Schutz hinter seinem Schild suchen musste. Knackend krachte eine Torhälfte nach vorn und schlug auf. Stille kehrte ein und dichter Rauch wirbelte im Toreingang. Langsam ließ Saibo seinen Schild hinabgleiten und spähte darüber hinweg nach vorn. Plötzlich brachen unzählige gaianische Soldaten durch den dichten Rauch.

»In den Tod!« Schrie Zaim aus voller Kehle und stürmte durch die noch leicht paralysierten Rebellen hindurch, auf die Feinde zu. Wie vom Teufel besessen taten die anderen Rebellen es ihm gleich. Die Krieger krachten ineinander. Im Blutrausch schlug sich Saibo an der Seite seines Vaters durch die Menge. Zaim waren seine Verwundung kaum anzumerken. Er wirkte beinahe kraftstrotzender als die meisten anderen Krieger auf dem Platz. Um sie herum flammten die Gebäude auf. Mauerstücke wurden herausgesprengt und Dächer in Brand gesteckt. Die Hitze des Gefechts nahm zu. Die überlegenen Gaianer drängten die Rebellen immer weiter nach hinten.

»Zieht euch zurück in den Kern!« Schrie Zaim im Getümmel seinen Männern zu und versuchte die Gaianer in einen Engpass zu locken. Er erblickte seinen nur wenige Meter von ihm entfernt kämpfenden Sohn. »Saibo! Schneide ihnen den Weg ab!« Mit ausgestreckter Axt wies auf einige Gaianer, welche mit mehreren Munitionskisten eine kleine Gasse durchquerten. Prompt setzte Saibo den Befehl um und lief mit drei weiteren Männern an den Ausgang der Gasse.

»Rebellen!« Schrie ein Gaianer, als er sie in der Gasse bemerkte. Ungestüm rannte Saibo auf die sechs Männer zu und hob sein Schwert zum Schlag. Urplötzlich schallte ein gigantischer Knall und warf ihn von den Füßen. Staub drang in seine Lunge und er rang ächzend nach Luft, als Holz und Stein auf ihn herabregneten und ihn unter sich begruben. Auf ein Mal war alles schwarz.

Die Rebellion des Adlers

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