Читать книгу WTF?! So tickt das Netz - Tobias Schrödel - Страница 10
TECHNIK Das perfekt schlechte Foto
ОглавлениеSchon das erste Selfie der Welt war kein schöner Anblick. Ein User namens Hopey verwendete den Begriff erstmals 2002 in einem Forum, als er nach einem Sturz ein unscharfes Foto seiner aufgeplatzten Lippe postete. Heute fluten wir das Netz mit Bildern von uns. Und weil wir mitkriegen, wie oft ein Bild angesehen wird, glauben wir, dass sich andere dafür interessieren. Doch der Counter steigt oftmals nur durch automatische Einblendungen in beliebigen Timelines an. Unsere vermeintliche Wichtigkeit täuscht daher. Unser Bild wird dutzendfach sekundenschnell zur Seite geswiped. Bei unserer Suche nach Anerkennung und Wichtigkeit im Netz vergessen wir nur zu oft, dass wir eigentlich nur ein einzelner Ball im Bällebad sind.
Auch wenn die Fotofilter uns vermeintlich besser aussehen lassen, sind hochmoderne Algorithmen und digitale Tricks technisch gesehen eigentlich ein Rückschritt. Moderne Smartphones nehmen jedes Detail gestochen scharf auf und dank kontrastreicher Bildschirme fallen uns gerade deshalb unschöne Feinheiten stärker auf. Viele Filter setzen daher auf Unschärfe. Die einzelnen Nuancen verschwimmen so zu Brei, der störende Makel ist weg und wir finden uns hübscher. Eigentlich absurd, denn wir machen das Bild damit schlechter.
Viele Stars und Sternchen helfen nicht nur mit Filtern, sondern auch mal mit Bildbearbeitungsprogrammen nach. Manchmal merkt man das, wenn die Beine verdächtig schlank aussehen, dafür aber das Geländer hinter der Person „verbogen“ ist. Seltsame Biegungen an eigentlich geraden Kanten sind ein häufiges Indiz dafür, dass gemogelt wurde. Unter „Photoshop Fail“ findet man dazu viele Beispiele im Netz. Wurde ein Bild hingegen von einem Profi bearbeitet, dann muss man schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass geschummelt wurde.
Besonders schwer sind Fälschungen zu erkennen, wenn sich die Bilder bewegen. Unser Gehirn verarbeitet bereits 14 bis 16 Bilder pro Sekunde so, dass sie wie ein Film wahrgenommen werden. Natürlich bleibt da keine Zeit, jedes Bild einzeln unter die Lupe zu nehmen. Leistungsfähige Computer sind deshalb heute schon in der Lage, Filme in Echtzeit zu manipulieren. Als Deepfake werden Videos bezeichnet, in denen das Gesicht einer Person in einem Film von einem Computer so täuschend echt hineinprojiziert wird, dass man glaubt, die Person würde wirklich mitspielen. Das kann einerseits lustig sein, andererseits auch Gefahren bergen. Zum Beispiel dann, wenn von Politikern Deepfakes verbreitet werden, in denen sie Dinge sagen, die sie niemals sagen würden. So könnten Wahlen manipuliert oder wütende Proteste provoziert werden. Viele Menschen glauben nämlich, was sie sehen. Früher bürgten Fotos und Filme noch für die Wahrheit. Heute darf man nichts mehr glauben, nur weil man es sieht. Fazit: Die ehrlichsten Bilder sind die mit den Pickelchen und dem Leberfleck am Hals.
Echt jetzt?
Ein Foto von einem Ei ist das Bild mit den meisten Likes bei Instagram. Der Unternehmer Chris Godfrey wollte Kylie Jenner (18 Millionen Likes) überholen. Das Experiment gelang. world_record_egg hat über 55 Millionen Likes.