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INFLUENCER

Eigentlich gab es sie schon immer. Menschen, die wir als Vorbild sehen. Jemanden, den wir toll finden, der irgendwie immer das Richtige macht und sagt, nie schlecht aussieht und auf alles eine Antwort hat. Das kann ein Klassenkamerad sein, eine Sportlerin, ein Politiker oder eine Sängerin. Manche Menschen schaffen es einfach, dass sie uns in ihren Bann ziehen. Früher nannte man diese Menschen Meinungsmacher. Heute heißen sie Influencer.


Die Wissenschaft erklärt die Rolle eines Influencers wie folgt: Manche Leute sind eher bereit, neue Dinge auszuprobieren und sie anzunehmen. Sie werden von ihren Mitmenschen teils kritisch, teils bewundernd beobachtet. So verbreiten sie neue Ideen und Erfindungen über ihr vorhandenes soziales Netzwerk. Ist dieses Netzwerk groß genug, um eine „kritische Masse“ zu erreichen, dann trendet ein Produkt praktisch von ganz allein. Das erreichen insbesondere die Influencer, deren Popularität im Netz, also bei Twitch, Instagram, Twitter oder YouTube, besonders groß ist.


Die Werbewirtschaft hat das mittlerweile auch erkannt, weshalb Influencer heiß begehrte Ansprechpartner im Marketing geworden sind. Sie stärken eine Marke und verhelfen einem Produkt zum schnellen Durchbruch. Sie sind zudem günstiger als TV-Werbung und es gibt noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Fast die Hälfte ihrer Follower gehört zur begehrten Zielgruppe von Menschen zwischen 14 und 29 Jahren. Das ist der Teil der Bevölkerung, der besonders gerne Geld ausgibt und noch nicht völlig festgefahren auf ein bestimmtes Produkt ist. Das Kaufverhalten dieser Zielgruppe lässt sich also noch beeinflussen.

Der englische Begriff für „jemanden beeinflussen“ lautet „to influence somebody“. Influencer begeistern nicht nur für ein Produkt, sie beeinflussen dich auch in deiner Meinung, in deinem Klamottengeschmack und sogar in deiner politischen Ansicht. Manchmal merkt man das gar nicht, weil man Vorbilder seltener hinterfragt. Viele Influencer, die ein großes Vertrauensverhältnis aufbauen und zu Leitfiguren für ein Massenpublikum werden, sind einfach so geboren. Eine Ausbildung dafür gibt es jedenfalls nicht. Die meisten Influencer sind aber selbst gebildet und kommen aus den oberen sozialen Schichten.

Aber Influencer sein ist gar nicht so einfach und wer krampfhaft Influencer werden will, wird es garantiert nicht. Für ein locker wirkendes Drei-Minuten-Video dreht man auch schon mal mehrere Stunden. Und wenn man das dann auch noch alle paar Tage hinkriegen muss, dann kann das schon nervig werden. Bei Lifestyle- und Mode-Bloggern wird auch oft moniert, dass die gestellten Bilder ja gar nicht das echte Leben zeigen, obwohl viele so tun. Oder dass manche bei Produktbeschreibungen zwar nicht lügen, aber ein paar „unpassende“ Nachteile in der Argumentation einfach weglassen.


Auch wenn viele Eltern mit den Influencern ihrer Kinder nichts anfangen können und diese vielleicht sogar für Spinner halten, auch sie hatten selbst Vorbilder: Thomas Gottschalk, Ozzy Osbourne oder David Bowie. Heute heißen sie halt Bibi, MontanaBlack88 oder Rezo.


RECHT

Werbung oder keine Werbung?

Influencer in sozialen Netzwerken wie Instagram, YouTube oder Facebook, die ihre Kanäle dazu nutzen, Werbung für Fitnessdrinks, Diättees oder Designerklamotten zu machen, müssen einige rechtliche Spielregeln beachten. Insbesondere die sogenannte Kennzeichnungspflicht. Also die Pflicht, Werbung auch als solche zu bezeichnen. Denn der Gesetzgeber befürchtet, dass gerade junge Menschen auf Empfehlung von Influencern etwas kaufen, ohne zu wissen, dass die Influencer für diese Empfehlung bezahlt worden sind.

Der ein oder andere versteht vielleicht jetzt erst, warum manche Influencer ihre Bilder mit dem Hinweis „bezahlte Partnerschaft mit …“ oder „Werbung“ kennzeichnen. Freiwillig machen sie das eher nicht. Mit dieser Kennzeichnungspflicht müssen sich manchmal auch Promis herumschlagen.

Ein Beispiel dafür ist die Influencerin Cathy Hummels. Sie musste sich vor Gericht mit der Frage beschäftigen, welche ihrer Posts sie nun als Werbung kennzeichnen muss und welche nicht. Denn ihr wurde Schleichwerbung vorgeworfen. Darunter versteht man Werbung, die man nicht sofort und eindeutig als solche erkennt. Der Grund dafür waren Bilder auf Instagram, auf denen sich teils Verlinkungen auf die Hersteller der von ihr getragenen Kleidung oder anderer Gegenstände befanden. Die Frage des Gerichts war, warum sie diese Posts nicht als Werbung gekennzeichnet hatte. Sie antwortete, dass sie die abgebildeten Sachen in der Regel selbst gekauft habe und nicht von den Herstellern für Werbung bezahlt werde. Daher war sie der Meinung, dass sie keine Kennzeichnungspflicht treffe. Das Gericht gab ihr recht: So entschieden die Richter, dass bei Prominenten wie Cathy Hummels der Betrachter wisse, dass es sich um Werbung handeln könnte. Folglich gingen die Follower auch nicht blauäugig davon aus, sie empfehle diese Produkte privat ernsthaft weiter. Und das auch dann nicht, wenn sie, wie in diesem Fall, wirklich nicht dafür bezahlt wurde.

Doch daraus kann nicht geschlossen werden, dass keiner mehr Beiträge als Werbung kennzeichnen muss. Vielmehr muss man jeden Einzelfall untersuchen. Dies wird bei reichweitenstarken Influencern regelmäßig der Fall sein.

Für dich heißt das nun in der Regel, dass du Werbung, für die du Geld bekommst, auch als solche kennzeichnen solltest. Sagst du aber nur deine Meinung über ein Produkt und hast keine geschäftlichen Absichten dahinter, musst du dein Posting auch nicht als Werbung kennzeichnen. Wie man Werbung kennzeichnen muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. ob es in einem Video oder einem Text vorkommt und ob es darin hauptsächlich um das Produkt geht oder nicht. Du solltest auf jeden Fall davon ausgehen, dass bei einem Influencer nichts „zufällig“ im Bild zu sehen ist oder erwähnt wird.

Echt jetzt?

Diverse Fernsehsender wollten mit Influencern TV-Formate produzieren. Dies ist jämmerlich gescheitert, da die Web-Stars für das klassische TV völlig ungeeignet waren – und die typischen Fernsehzuschauer die Influencer gar nicht kannten.

PSYCHOLOGIE

Warum wir uns beeinflussen lassen (wollen)

Was bewegt dich dazu, einem Influencer in den sozialen Medien zu folgen und wann kaufst du seine Produkte? Mit solchen Fragen und dem Phänomen des Influencer-Booms allgemein beschäftigt sich auch die Psychologie. Wie wir ja bereits gelesen haben, ist „Influencer-Werden“ nicht so leicht. Es gibt jedoch einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die versucht haben nachzuvollziehen, wie es diejenigen, die erfolgreich sind, geschafft haben. Als Geheimrezept gilt es, authentisch, also echt und ehrlich, zu wirken, immer da zu sein, seinen Followern Orientierung und das Gefühl zu geben, dazuzugehören. Wie sie da in die Kamera hineinlächeln und sprechen, uns ganz private Dinge über ihr Leben erzählen, könnten sie auch unsere Freunde sein.

Damit holen sie uns Menschen als soziale Wesen in unseren grundlegenden Bedürfnissen ab. Denn wir alle möchten Teil einer Gruppe sein. Der Trend in unserer Gesellschaft ist dagegen ein anderer – weg von der Gemeinschaft hin zum Individuum. Familien bestehen aus immer weniger Mitgliedern, immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, als Single zu leben. Aber unser Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist dabei nicht geringer geworden. Die Anziehung, die Influencer als quasi Teil eines lebensnahen Freundeskreises haben, erscheint mit dieser Begründung dann gar nicht mehr so ungewöhnlich. Außerdem überfordert und verunsichert die Flut an Informationen, der wir täglich durch die Medien ausgeliefert sind. Die vielen Möglichkeiten in Sachen Ausbildung, Beruf, Hobbys, Wohnort, Lebensplanung usw. helfen da auch nicht. Woher sollen wir da noch wissen, was richtig ist und zu uns passt? Influencer, mit denen wir uns identifizieren, sagen uns, was „in“ ist und was man „braucht“, um glücklich zu sein.

Wir richten uns in unseren Entscheidungen nach Influencern, um dazuzugehören und uns sicherer zu fühlen. Das erklärt, warum Influencer so gute Werbeträger sind, warum wir alles wollen, was sie haben. Es erklärt aber auch das Gefühl von Neid und Angst, das uns manchmal überkommt, wenn wir uns mit Influencern vergleichen. Hier hilft es, sich bewusst zu machen, dass all die Echtheit häufig gespielt ist. Erfolgreiche Influencer sind selten lebensnah. Sie betreiben ihren Online-Auftritt, um Geld zu verdienen. So frei, wie es scheint, sind sie also nicht (mehr) in ihren Entscheidungen. Sie analysieren unser Online-Verhalten, um die Posts noch besser auf uns abstimmen zu können. Es gibt unter den Influencern auch schon einige, die in das wahre Leben hinter diese wundervolle Fassade blicken lassen. Der Druck wird auch für sie manchmal zu viel. Sie verabschieden sich dann für einige Zeit von ihren Followern oder zeigen Bilder von ihrem „echten Leben“. Viele Follower sind dann enttäuscht, fühlt es sich doch an, als wäre man von einem Freund belogen worden. Wahre Freundschaften fangen vielleicht im Internet an, jedoch lohnt sich ein RL-Check – ein Treffen im echten Leben –, um die Freundschaft zu vertiefen.

Echt jetzt?

Eine New Yorker Agentur kümmert sich um ganz spezielle Influencer. Sie betreut Hunderte Tiere mit eigenen Seiten auf Instagram, Twitter, Facebook & Co., die sogenannten Petfluencer.

WTF?! So tickt das Netz

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