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HASS IM NETZ

Der Mensch ist ein Herdentier. Er sucht ein „Wir“, also eine Gruppe, zu der er dazugehören kann, in die er eintauchen kann und die ihn akzeptiert. Das Problem: Wo ein „Wir“ ist, ist auch ein „Ihr“.


Und das kann im Netz auch ganz schnell zum Feindbild werden. „Boah ey, du bist so scheiße, Alter. Verpiss dich und stirb einfach. Dich kann hier keiner gebrauchen. Geh endlich dahin zurück, wo du herkommst.“

Andere Menschen zu beleidigen, erzeugt ein Gefühl von Macht. Ein Hasskommentar im Netz ist daher auch ein Ausdruck von „Ich habe die Kontrolle!“. Doch das täuscht. Denn wer die Anonymität im Netz braucht, um andere zu dissen, ist schwächer als sein vermeintliches Opfer. Und ganz schnell auch kriminell.


Hasskommentare im Netz richten sich meist gegen Schwächere. Und sie basieren auf Feindbildern, die oftmals auf Vorurteilen beruhen. Das hilft den Hatern, denn viele Menschen hinterfragen Vorurteile gar nicht erst. Schlimmer noch: Einige werden zu Trittbrettfahrern und setzen unüberlegt einen eigenen Kommentar darunter. Sie sind es erst, die den Hass im Netz ins Rollen bringen und Mitschuld tragen an der vergifteten Stimmung unter Tweets und Insta-Storys.


Viele Nutzer haben den Sinn von freier Meinungsäußerung und dem Internet auch gar nicht verstanden. Stell dir vor, jemand hängt im Supermarkt einen Zettel ans Schwarze Brett, auf dem er Nachhilfe in Mathe anbietet. Niemand käme auf die Idee, einen Stift zu nehmen und drunterzuschreiben: „Belästige mich nicht mit deinem Scheiß!!! Ich will gar keine Nachhilfe!!!“ Gerade im Netz, wo die Algorithmen Dinge im Sekundentakt in unsere Timeline spülen, gilt daher umso mehr: Wenn es dich nicht interessiert, dann ist es auch nicht für dich gedacht. Surf einfach weiter.

In den letzten Jahren hat die Zahl an verachtenden Kommentaren, Bedrohungen und Beleidigungen im Netz so stark zugenommen, dass es vielen Menschen reicht. Immer wieder hört man Rufe nach neuen Gesetzen. Insbesondere, weil die meisten Beschimpfungen anonym passieren. Selbst hohe Politiker fordern deshalb eine Klarnamenpflicht im Netz. Wer etwas postet, muss dann seinen echten Namen angeben. Die Argumente dafür sind einleuchtend. Wer wirklich Kritik üben möchte, der kann in einer Demokratie keine Probleme damit haben, zu sagen, wer er ist.

Doch eine Klarnamenpflicht wird das Problem der Hasskommentare im Internet nicht lösen. Zum einen brauchen z. B. Informanten, die auf Missstände hinweisen, den Schutz der Anonymität im Netz. Und andererseits ist die Klarnamenpflicht technisch kaum umsetzbar. Das hat ein Test in Südkorea auf allen Internetportalen mit mehr als 100.000 Nutzern zwischen 2007 und 2011 gezeigt.


Jede anonyme Herabwürdigung im Internet ist aber ein Schlag ins Gesicht. Es muss also trotzdem etwas dagegen unternommen werden. Teile daher Schmähungen und Beleidigungen nicht, like sie nicht und verbreite sie nicht weiter. Melde sie. Auf https://www.jugend.support unter „Hass im Netz“ findest du eine gute Übersicht, wie das geht. Außerdem findest du Ansprechpartner, die dir helfen, wenn du selbst von Hatespeech und Beleidigungen betroffen bist. Denn auch wenn nicht alles gleich strafbar ist, vieles hat mit freier Meinungsäußerung in einer sozialen Gemeinschaft nichts mehr zu tun. Es ist einfach nur belastend.


RECHT

Wenn Hass illegal ist

Hate Speech ist nicht nur unhöflich und moralisch nicht in Ordnung, sondern schlichtweg eine Straftat: Beleidigungen, üble Nachrede oder Verleumdung. Mit einer Anzeige wird der Täter zwar bestraft, doch verschwindet der beleidigende Kommentar nicht automatisch aus dem Internet.

Diese unangenehme Situation lässt sich für den Betroffenen eines Hasskommentars nur dann schnell beseitigen, wenn die sozialen Netzwerke die gemeinen Beiträge auch schnell löschen. Denn andernfalls können sie im Handumdrehen viral gehen und der Schaden lässt sich dann allein mit Löschen des Originalbeitrags nicht mehr beheben. Doch genau da liegt das Problem. Denn leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass gerade die amerikanischen Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter, die den Markt dominieren, nicht schnell genug auf entsprechende Löschungsaufforderungen reagiert haben. Und dies, obwohl die Verbreitung von Hate Speech und Fake News insbesondere im Rahmen der Berichterstattung über Flüchtlinge seit dem Jahr 2015 enorm zugenommen hat.

Aus diesem Grund hat sich die Politik des Ganzen angenommen: Um Facebook & Co. zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden über Hasskriminalität anzuhalten, gilt in Deutschland seit dem 1.1.2018 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Dieses Gesetz gibt Betroffenen die Möglichkeit, strafbare Postings zu melden. Danach müssen Betreiber großer sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter u. a. ihren Nutzern schnelle Kontaktmöglichkeiten für Beschwerden anbieten. Und sie müssen darüber gemeldete „eindeutig rechtswidrige“ Inhalte binnen 24 Stunden löschen – weniger eindeutige Fälle in der Regel innerhalb von 7 Tagen. In rechtlich schwierigen Fällen müssen Facebook & Co. nicht immer selbst über die Löschungen entscheiden. Innerhalb von 7 Tagen können sie Beschwerden auch an anerkannte Einrichtungen abgeben, die dann die Entscheidung treffen. Halten die sozialen Netzwerke sich nicht daran und löschen Hate Speech nicht, dann droht ihnen ein Bußgeld in Millionenhöhe. Diese enormen Bußgelder dienen letztlich dazu, die sozialen Netzwerke zum schnellen Löschen zu bewegen und so den Betroffenen schnell Hilfe zu leisten. Ähnliche Gesetze gibt es mittlerweile auch in anderen europäischen Ländern oder sind zumindest geplant.

Umgekehrt reicht aber auch allein die Meldung beim sozialen Netzwerk nicht: Wenn du möchtest, dass der Täter auch für seine Gemeinheiten bestraft wird, dann musst du bei der Polizei Anzeige erstatten. Denn auch wenn dies geplant ist, besteht bisher noch keine Pflicht für soziale Netzwerke, Straftaten an Strafverfolgungsbehörden zu melden.


Echt jetzt?

2019 wurde ein 42-jähriger Familienvater aus Bayern zu sechs Monaten Haft verurteilt. Er hatte in einem Facebook-Kommentar heftig über Flüchtlinge gehetzt.


PSYCHOLOGIE

Hass entsteht im Kopf

Hass ist ein großes Wort. Hass als ein intensives Gefühl der Abneigung und Feindseligkeit ist dem Menschen als Gegenstück der Liebe bekannt. Der sogenannte „reaktive Hass“ tritt nach einer starken Kränkung auf, wenn man beispielsweise von jemandem betrogen wird, den man liebt. Dann gibt es aber auch noch eine Form von Hass, die nicht als Reaktion entsteht. Der Hass wird auf eine Person gerichtet, die mit dem oder der Hassenden persönlich keine Verbindung hat. Dabei ist hervorzuheben, dass Hass nicht im Netz, sondern im Kopf entsteht. Wer hasst, ist häufig innerlich sehr frustriert und hat ein geringes Selbstwertgefühl (s. Seite 26). Oft entsteht beim Hassenden ein Gefühl der Befriedigung, wenn er eine ausgewählte Person oder Personengruppe abwertet und bloßstellt. Er selbst fühlt sich dabei als etwas Besseres, als ein wertvollerer Mensch. Durch Hass gelingt es der Person, den Ballast an negativen Gefühlen, die in ihr wohnen, auf eine andere Person zu schieben.

Bekannte Influencer gehen mittlerweile offen damit um, dass ihnen viel Hass begegnet. Aber warum fällt es so leicht, im Netz zu hassen? Stichwort Anonymität: Es kann gehasst werden, ohne „sein Gesicht zu verlieren“ und als schlechter Mensch dazustehen. Häufig wird dies über Fake Accounts gemacht. Auch Apps, wie beispielsweise Tellonym, die eigentlich dafür gedacht sind, sich leichter kennenzulernen und einer Person anonym Fragen zu stellen, werden dafür missbraucht. Anonymität allein ist aber nicht der ausschlaggebende Faktor dafür, dass im Netz die Hasskommentare nur so sprudeln. Denn viele Personen posten auch mit ihrem Klarnamen zerstörende Kritik. Laut psychologischer Forschung fällt viel mehr ins Gewicht, dass im Netz die Reaktion des Gegenübers nicht sichtbar wird. Mimik und Gestik des Opfers bleiben unsichtbar. Wir sehen einfach nicht, wie wir jemanden verletzen. Und somit bleibt auch die Resonanz für den Hassenden aus.

Die Sozialwissenschaft spricht noch von einem anderen Phänomen, dem sogenannten Echokammer-Filterblasen-Effekt. Der Begriff Echokammer meint, dass wir Menschen folgen, deren Meinung wir zustimmen. Das passiert natürlich auch offline, aber online geht das Ganze viel schneller. Außerdem helfen Algorithmen nach, dass einem Nutzer Informationen aufgrund der bekannten Daten über ihn im Netz angezeigt und vorgeschlagen werden. Daher entstehen Filterblasen, auch Meinungsblasen genannt. In diesen Blasen passiert es noch schneller, dass sich Einstellungen radikalisieren, weil der Gegenwind gänzlich ausbleibt und die Hasser somit für ihre Ansichten noch von anderen bestärkt werden. Was hilft nun, wenn du selbst Opfer von Hass wirst? Eigentlich nur eins: Reden, Reden, Reden – mit Freundinnen und Freunden, Lehrkräften und Eltern. Nicht du hast das Problem, sondern der, der hasst.

Echt jetzt?

Bei einer Umfrage gaben 37 % an, schon mal auf einen Post verzichtet zu haben, weil sie Sorge vor negativen Reaktionen hatten. Bei Menschen, die schon mal Erfahrung mit Hate Speech gemacht haben, waren es sogar 68 %.

WTF?! So tickt das Netz

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