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6 Mr. Billy

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Harare, September 2008

Am 15. September 2008, dem Tag, an dem die Gespräche zur Rettung von Lehman Brothers beendet und die Bank der Pleite überlassen wurde (und an dem Sascha Maschkewitsch bei Sotheby’s für 22 Millionen Dollar sechs Werke von Damien Hirst kaufte), trat Robert Mugabe vor sein Volk und schloss einen politischen Kuhhandel ab, der ihm erlaubte, an der Macht zu bleiben. Seit seinem Sieg über die von Ian Smith geführten rassistischen weißen Rhodesier waren mehr als 28 Jahre vergangen. Eigentlich war das, was sich heute im Hotel Rainbow Towers in Harare abspielte, unter seiner Würde als Befreiungsheld. Dennoch rang er sich ein Lächeln ab, als er dem massigen Gewerkschafter Morgan Tsvangirai die Hand schüttelte, der einige Monate zuvor die Wahlen in Simbabwe gewonnen hätte, wenn die Handlanger Mugabes nicht alle, die sie verdächtigten, sie könnten der Opposition ihre Stimme geben und damit Verrat üben, so gründlich terrorisiert hätten. Tsvangirai hatte sich zum Eintritt in eine Regierung bereit erklärt, die er und Mugabe gemeinsam führen sollten. Er blickte hocherfreut in die blitzenden Kameras und erkannte offensichtlich nicht, dass er in eine Falle getappt war. Er und der Staatsmann aus dem Ausland, der bei der Aushandlung des Abkommens geholfen hatte, hatten soeben den Diebstahl einer gültigen Wahl legitimiert. Dabei hatten die Diebe zuerst ihre Macht genutzt, um Geld zu stehlen, und dann dieses Geld dazu eingesetzt, noch mehr Macht zu stehlen. All das war das Werk eines Meisters in diesem Geschäft.

Billy Rautenbach war der Sohn eines vermögenden Rhodesiers. Er war unberechenbar, unbeherrscht und jähzornig und vertrieb sich die Zeit am liebsten mit Autorallys. Sein Vater, Wessels Rautenbach, hatte es trotz der ständig härter werdenden internationalen Sanktionen gegen das Smith-Regimes geschafft, weiter sein Frachtunternehmen zu führen. Als die Zeiten in Simbabwe sich 1980 endgültig wandelten, wandelte sich Rautenbach mit ihnen. Der weiße Fuhrunternehmer und Emmerson Mnangagwa wurden Freunde, obwohl Mnangagwa unter dem rhodesischen Regime, auf dessen Sturz er hingearbeitet hatte, gefoltert worden war. Das »Krokodil« – unter diesem Namen war Mnangagwa allgemein bekannt. »Er mustert dich von Kopf bis Fuß«, so ein Geheimdienstmann, der sich mit ihm beschäftigt hatte, »und dann entscheidet er, ob er dich frisst.« Als das Mugabe-Regime im Matabeleland rivalisierende Ethnien niedermetzeln ließ, war das Krokodil der Sicherheitsminister. Tausende starben und für einige von ihnen begann ihre ewige Ruhe damit, dass ihre Verwandten mit vorgehaltener Waffe gezwungen wurden, auf den noch frischen Gräbern zu tanzen und Parolen zu rufen, mit denen sie Mugabe hochleben ließen. Das Krokodil bekleidete später noch andere Posten im Regime, aber auch dort wurde es nie wirklich populär. Ein Oppositionspolitiker, der die Frechheit besessen hatte, ihn bei einer Parlamentswahl zu schlagen, entging nur deshalb dem sicheren Tod, weil die jungen Gangster, die ihn schon mit Benzin übergossen hatten, den letzten Schritt dann doch nicht wagten. Abgesehen von all dem wusste das Krokodil um seine wahre und bleibende Rolle: die Rolle des Geldbeschaffers. Und in Wessel Rautenbachs Sohn Billy fand er den geeigneten Mann für eine ganz besonders heikle Mission.

Simbabwe besaß eine Vielzahl von Bodenschätzen: enorme Vorkommen von Platin, Gold und Diamanten. Aber nördlich des Landes, im Kongo, gab es noch weitaus reichere Beute. Dort hatte Mobutu Sese Seko 1965 mit Hilfe der CIA die Macht übernommen und in den Jahren danach den Zugang zu diesen Schätzen kontrolliert. Aber nicht einmal der natürliche Reichtum dieses Landes, das so groß war wie ganz Westeuropa, während der Kolonialzeit von Belgien ausgeplündert wurde und in vielerlei Hinsicht nur dem Namen nach ein Staat war, reichte aus, um Mobutus Gier zu befriedigen. In seinem Palast im Regenwald, in dem seine weniger begünstigten Landsleute an Hunger und an Ebola litten, wurden jährlich an die 10 000 Flaschen Champagner verbraucht. Doch in den 1980er und 1990er Jahren war der Kalte Krieg vorbei und die heißen Kriege begannen. Bis dahin hatten ideologische Treueschwüre gegenüber dem Kapitalismus oder dem Kommunismus Diktatoren die Lizenz zum Plündern eingebracht, weil sie jederzeit mit der Unterstützung der jeweiligen Supermacht rechnen konnten, wenn ihr räuberisches Vorgehen bei der Bevölkerung zur Rebellion führte. Diese Zeit war nun vorbei. Während des Vietnamkrieges hatte der philippinische Präsident Ferdinand Marcos zur Unterstützung der USA Truppen nach Vietnam entsandt. Aber als die Filipinos sich 1986 gegen ihn erhoben, unternahm der Westen nichts zu seiner Rettung und er war zu einer übereilten Flucht gezwungen, bei der er nur noch mitnehmen konnte, was sich in einigen Privatflugzeugen unterbringen ließ: 67 Gestelle an Kleidung, 70 Paar juwelenbesetzter Manschettenknöpfe, eine silberummantelte elfenbeinerne Statue des Jesuskindes, einige Millionen frisch gedruckte philippinische Pesos als Taschengeld und 24 Goldbarren. Augusto Pinochet, der Mann Henry Kissingers im Hinterhof der USA, hatte Chile jahrelang zu einer Art pazifischem Sandsack gegen die rote Flut aufgebaut. 1973 hatte er mit Salvador Allende einen besonders gefährlichen, da von der Bevölkerung gewählten Linken gestürzt. Landsleute, die Pinochet als subversiv betrachtete, brachte man an Orte wie das ehemalige Kulturzentrum außerhalb der Hauptstadt Santiago, wo man sie auszog, auf ein unter dem Namen »Grill« bekanntes Bettgestell fesselte und nach der dort folgenden Folter häufig ganz »verschwinden« ließ. Aber nachdem er durch ein Referendum abgesetzt worden war, kam trotz all dieser Dienste aus Washington lediglich die Nachricht, man habe festgestellt, dass er dort eine Bank benutzt hatte, um die Unsummen, die er Chile gestohlen hatte, zu deponieren. Im Kongo musste Mobutu eine ähnlich schockierende Erfahrung machen und wurde ebenfalls im Stich gelassen. Als die Armee der Rebellen, die sich gegen ihn erhoben hatten, im Vormarsch war, befahlen ihm die USA, zu gehen. Er hatte nicht einmal die Zeit, wie gewohnt eine Concorde für seine Reise ins Exil zu chartern, und musste stattdessen eine alte Frachtmaschine benutzen.

Mobutus Sturz bot einem ambitionierten Kleptokraten wie dem Krokodil eine Chance, wie man sie im Leben nur einmal bekommt. Der neue Chef im Kongo war ein rundlicher, autoritär auftretender Mann namens Laurent Kabila. Ein Kampfgefährte einer früheren Rebellion, Che Guevara, hatte ihm dereinst einen Mangel an »revolutionärer Ernsthaftigkeit, an einer das Handeln leitenden Ideologie und an Opfergeist« attestiert. Noch bevor er an die Stelle Mobutus trat, hatte Kabila ein Unternehmen gegründet, das dazu diente, die Guthaben des Staates in seine eigenen und in die seiner Gefolgsleute zu verwandeln. Als ein Anwalt die Legalität dieses Arrangements infrage stellte, entgegnete er: »Aber dieses Gesetz, von dem Sie sprechen, ist doch von Menschen gemacht, oder?«

Bald sollte Kabila nicht mehr nur zu seiner eigenen Bereicherung Geld benötigen. Als sein Bündnis mit seinen ehemaligen Unterstützern in Ruanda zerbrach, überfielen diese das Land und zettelten einen Krieg an, der fünf Jahre dauerte und Millionen von Menschen das Leben kostete. Dabei wurde Kabila mit der Tatsache konfrontiert, dass Simbabwe und die anderen Verbündeten, die ihm beim Sturz Mobutus geholfen hatten, nicht bereit waren, ihn erneut zu unterstützen, solange er seine aus dem ersten Konflikt herrührenden Schulden noch nicht bezahlt hatte. Er würde nun dasselbe tun müssen, was die Herrscher der ehemaligen sowjetischen Staaten taten, um ihre Macht in Geld zu verwandeln: Er verhökerte den natürlichen Reichtum seines Landes.

Am selben Tag, an dem Mugabe Kabila Truppen aus Simbabwe versprach, wurde ein neuer Chef der staatlichen Bergbaugesellschaft des Kongo ernannt. Kabila sollte ihn bald nur noch »Mr. Billy« nennen. Sie hatten ein Arrangement vereinbart, das zwei Aspekte hatte. Ein Teil der Profite aus den Verkäufen von Kupfer und Kobalt sollte an die Regierung Simbabwes gehen, um für deren Truppen zu bezahlen. Doch parallel dazu schickte Billy Rautenbach monatliche Zahlungen von angeblich bis zu zwei Millionen Dollar an das Krokodil, die dieser dann an jene Kräfte des simbabwischen Regimes weitergab, die Mugabe für würdig hielt. Kabilas Leute bekamen ebenfalls ihren Anteil, und natürlich auch Rautenbach selbst: Kurz vor seiner Ernennung übertrugen die Behörden des Kongo seiner Privatgesellschaft die Rechte an einem riesigen Gebiet voller Rohstoffvorkommen.

Rautenbach war jähzornig, aber wenn ihm danach war, konnte er durchaus sympathisch auftreten. »Er versteht es, die richtigen Dinge zu sagen«, meinte jemand, der mit ihm zu tun hatte. »Er versteht es, die Leute zu nehmen. Er weiß, wie man mit ihnen in Kontakt kommt. Er kann auf jedem Niveau kommunizieren: Egal ob er es mit einem Grenzposten oder einem Präsidenten zu tun hat, er findet den richtigen Ton.« Zunächst waren seine Auftraggeber zufrieden. Der Mineralienabbau im Kupfergürtel des Kongo – wo sich ein Großteil des für Stromleitungen benötigten weltweiten Kupfervorrats und der größte Teil des für die Stromspeicherung benötigten weltweiten Kobaltvorrats befindet – erforderte extrem hohe technische Fähigkeiten. Diese Expertise fehlte Rautenbach vollkommen. Doch eine Weile lang konnte er seine Bergarbeiter das leicht zugängliche Erz an der Oberfläche der Vorkommen abbauen lassen, um das Kupfer an Marc Rich, einen in der Schweiz lebenden Kaufmann, der die internationalen Sanktionen gegen den Kongo ignorierte, und das Kobalt an Glencore, das von Rich gegründete Handelshaus, zu verkaufen. Mit diesen Exporten konnte Mr. Billy Kabila zufriedenstellen, der jede Woche anrief, um noch mehr Geld für seinen Krieg einzutreiben. Aber wenn dann alle beteiligten Parteien bezahlt waren, war kein Kapital für Investitionen in den Abbau der tiefer gelegenen Erze mehr übrig. Anfang des Jahres 2000 war es so weit, dass die Produktion zurückging und dass die Gläubiger mit der Beschlagnahme von Lieferungen begannen. Im März des Jahres entließ Kabila Rautenbach.

Das hätte das Ende Billy Rautenbachs sein können. Hätte – wenn er nicht so klar verstanden hätte, dass der Wert schmutzigen Geldes nicht in Zahlen zu messen ist. Er misst sich in Namen – man muss die Namen derer kennen, die von ihm korrumpiert worden sind.

Im Juli 2000, vier Monate nach seiner Entlassung durch Kabila, hörte Rautenbach von dem geplanten Treffen einiger der höchsten Mitglieder der Regimes von Kabila und Mugabe im Hotel Elephant Hills in Simbabwe: ein Luxusbau direkt bei den Victoria Falls, mit Pools und Palmen und einem hervorragenden Zimmerservice. Auch Rautenbach begab sich dorthin, um seiner neuen Mission nachzugehen: der Lobbyarbeit zur Wiederherstellung seiner Position im kongolesischen Bergbaugeschäft. Aber er hatte kaum mit den ersten Sondierungen begonnen, als man ihn zu Nicholas Goche bestellte, dem Chef der Central Intelligence Organisation (CIO) Simbabwes. »Wir wissen, was Sie hier vorhaben«, teilte dieser Rautenbach mit. »Wir wissen, dass Sie gedroht haben, Bruce Jewels zu ermorden.«

Bruce Jewels war ein Banker der HSBC und verfügte über bessere Verbindungen in Afrika als die meisten seiner Kollegen. Er hatte die Interessen seiner Bank im Kongo gewahrt, als Kabila an die Stelle Mobutus trat. Sein Protegé Augustin Katumba Mwanke, ein intelligenter junger Mann aus dem kongolesischen Kupfergürtel, war im Kabila-Regime ein Shooting Star, Teil einer neuen Clique, die immer mehr Einfluss darauf gewann, wer in der Bergbauprovinz Katanga was für sich beanspruchen konnte. Jewels’ Chef in der Bank war das Gerücht zu Ohren gekommen, Rautenbach habe vor, Jewels ermorden zu lassen. Daraufhin hatte die Bank einen Privatermittler, einen ununterbrochen essenden, unter dem Namen Captain Pig bekannten ehemaligen britischen Armeeoffizier, angestellt, der mit der Welt der Spione im südlichen Afrika vertraut war. Er hatte die drohende Gefahr mit seinen Top-Kontakten im Mugabe-Regime, darunter auch mit CIO-Chef Nicholas Goche, diskutiert. Jetzt, da Goche Rautenbach im Elephant Hills direkt gegenübersaß, erklärte er ihm, die Regierung Simbabwes schätze derlei Pläne ganz und gar nicht. Dies sei umso mehr der Fall, als Rautenbachs Beziehungen zum Krokodil bedeuteten, dass auch der Name eines hohen Beamten in die Sache hineingezogen würde. Rautenbach hingegen beteuerte seine Unschuld. Er habe in der Tat nicht viel für Bruce Jewels übrig, aber es sei Jewels, der für die Feindschaft zwischen ihnen verantwortlich sei: Er tue alles, um Rautenbachs Ruf zu ruinieren und ihn aus dem Kongo zu vertreiben. Und warum sollte er sich zusätzlich mit einem Auftragsmord an einem Banker belasten, wenn er doch auch in Südafrika große Probleme hatte? Sein Hyun­dai-Lizenzunternehmen dort hatte Schulden und das Dezernat für Wirtschaftsverbrechen hatte eine Hausdurchsuchung in seinem Anwesen in Johannesburg durchgeführt und dabei drei Lastwagenladungen an Dokumenten mitgenommen. Es bereitete nun Anklagen wegen Betrug, Diebstahl und Korruption vor. Ein Staatsanwalt in Pretoria hatte behauptet, Rautenbach sei an dem Mord an einem koreanischen Konkurrenten beteiligt gewesen. Und der südafrikanische Geheimdienst hatte ihn auf eine Liste der zwanzig Meistverdächtigen im Bereich organisierte Kriminalität gesetzt. Gegenüber den Medien hatte Rautenbach erklärt, das alles sei eine »Hexenjagd«, aber Goche blieb hart. Er gab ihm den strengen Rat: »Halten Sie sich zurück und benehmen Sie sich, oder Sie werden es teuer bezahlen.«

Rautenbach erkannte die Gefahr und schlug zurück. Die Kongolesen ließ er wissen, er sei im Besitz von Dokumenten, die belegten, wie viel er Kabila persönlich für seine Bergbaukonzession bezahlt hatte. Gegenüber dem Krokodil und den anderen Höflingen Mugabes, die er reich gemacht hatte, machte er dieselbe Drohung. Wie ein Minister es ausdrückte, bestand sie darin, »über etliche von ihnen so richtig auszupacken«.

In den folgenden Jahren klagte Rautenbach vor diversen ausländischen und internationalen Gerichten seine Schürfansprüche im Kongo ein und gewann einige der Rechte zurück, die er verloren hatte. Simbabwe blieb auch weiterhin ein sicherer Zufluchtsort. Seine Geschäfte florierten auch dann noch, als Mugabe die Beschlagnahme der weißen Farmen anordnete. Die westlichen Mächte reagierten mit Sanktionen gegen Mugabe und seine Wasserträger. Letztere nutzten die Situation, um den Sanktionen die Schuld an der Verelendung des Landes zu geben, während sie selbst dessen Wirtschaft hemmungslos ausplünderten. Die Währung des Landes fiel immer weiter in den Keller, ganz gleich, wie oft die Zentralbank wieder ein paar Nullen wegstrich. Ein Land von Farmern hatte nichts mehr zu essen. Millionen flohen ins Exil.

Am 29. März 2008 fand in Simbabwe eine nationale Wahl statt, die anders war als alle Wahlen, die Mugabe seit 1980 organisiert hatte. Dieses Mal konnte er sich seines Sieges nicht sicher sein. Er hatte immer noch viele Anhänger, aber der Stolz und die Zuversicht der frühen Jahre waren so sehr der Desillusionierung gewichen, dass ein Großteil der Bevölkerung ihm nur noch wegen der Gräuel gehorchte, in deren Verübung mit einem, wie er sich brüstete, »abgestuften Maß an Gewaltanwendung« er zum Experten geworden war. Und doch ließ sich der neue Geist des Ungehorsams nicht unterdrücken. Millionen von Bürgern Simbabwes stimmten für den Kandidaten der Opposition, Morgan Tsvangirai. Die Wahlbüros schlossen, aber es kamen keine Wahlergebnisse. Tsvangirai behauptete, die Zählungen seiner Partei zeigten, dass er gewonnen habe. Aber es gab weiter keine offiziellen Resultate. Nach einem Monat verkündeten die Wahlbehörden, Tsvangirai habe zwar tatsächlich die meisten Stimmen erhalten, aber die absolute Mehrheit verfehlt, die er nach dem Wahlrecht Simbabwes haben musste, um eine Stichwahl gegen Mugabe zu vermeiden.

Bei Wahlen in Afrika – und in Wirklichkeit bei Wahlen in fast jedem Land – können 100 Millionen Dollar den Lauf der Geschichte verändern. Und selbst in dieser düstersten Stunde Mugabes gab es immer noch einen Ort, an dem er, die Geißel des britischen Imperialismus, die Rettung suchen konnte: London.

In Mayfair, dem Bezirk, in dem die Hedgefonds angesiedelt sind, hatten zwei Geldhaie, der eine Australier, der andere Amerikaner, ihre eigenen Pläne für Afrika. Zwei Wochen vor den Wahlen in Simbabwe, am 16. März 2008, unternahm der Australier erste Schritte zur Realisierung ihres Vorhabens. Zwei Tage zuvor war Brian Stearns gestorben, ein Ereignis, über das man an der Wall Street sehr erschrocken war. Doch Vanja Baros sah hier eine Unzahl neuer Möglichkeiten. Er schickte seinem Chef, Michael L. Cohen, eine E-Mail, um ihn ins Bild zu setzen. Cohen galt in Mayfair noch als Jungspund. Er war noch keine dreißig Jahre alt gewesen, als der Super-Star der New Yorker Finanziers, Daniel Och, ihn nach London geschickt hatte. Cohen war gerade erst ein Stückchen mehr zum Engländer geworden, indem er seinem Bentley ein 28 Millionen teures Landgut in Hampshire hinzufügte, das einst dem Duke of Wellington gehört und wo Nigel Wilkins’ Vater früher in der nahegelegenen Dorfkapelle gepredigt hatte. Er verfolgte dasselbe Ziel wie alle Hedgefonds-Manager, nämlich Möglichkeiten aufzutun, Geld noch schneller in noch mehr Geld zu verwandeln, als konventionelle Investitionen dies erlaubten. Ebenfalls in Verfolgung dieses Ziels hatte Baros nun seine Taschen für eine Reise nach Afrika gepackt. Er schickte Cohen eine Mail, in der er ihm vorschlug, sich noch einmal zu unterhalten, bevor er sich auf die Reise machte, »weil ich jetzt wieder ein paar Tage lang im Dschungel bin und vielleicht keinen Empfang habe«.

Der Weg, die Vervielfachung des Geldes zu beschleunigen, bestand darin, näher als andere an die Zentren der Macht heranzukommen. London war voller Geldhaie, die wussten, wie man das tat, wie man die Orte ausfindig machte, wo die Macht plötzlich offen dalag wie ein Erzvorkommen, das von einer tektonischen Verschiebung freigelegt worden war. Natürlich konnte es an Orten, an denen es einmal ein Erdbeben gegeben, ein weiteres Beben geben. Dazu musste man sich nur Bill Browder ansehen. Zu der Zeit, als Sankt Petersburg fest in Putins Hand war, hatte er in der Stadt viel Geld verdient, nur um dann 2007 von dort vertrieben zu werden. Auch in Afrika konnte die Entwicklung ins Negative umschlagen, aber es gab dennoch drei Gründe, warum der Kontinent sehr verführerisch war. Zum einen wussten Politiker dort, wie man sich an der Macht hält: Einunddreißig Jahre Amtszeit waren durchaus nicht ungewöhnlich. Zweitens: Die Hitze und die Krankheiten, die holprigen Straßen und die altersschwachen Flugzeuge, das Durcheinander an Sprachen, die Vielfalt an Religionen und die blanke Bedeutungslosigkeit der großen Masse an Habenichtsen bildeten allesamt extrem willkommene Barrieren gegen eine Überprüfung von Geschäften von außen. Und drittens erlebte der Sektor der Weltwirtschaft, für den Afrika verantwortlich war, nämlich die Lieferung von Rohstoffen, just zu der Zeit einen Aufschwung, in der die anderen Sektoren der globalen Ökonomie gravierende Einbrüche erlitten. Die chinesische Wirtschaft verdoppelte ihr Bruttoinlandsprodukt alle acht Jahre und die Nachbarländer Chinas entwickelten sich ähnlich. Nie zuvor hatte es eine so große Nachfrage nach den unentbehrlichen Grundrohstoffen gegeben: Kupfer, Eisen, Kohle, Uran. Die Vorräte des sowjetischen Imperiums waren in den 1990er Jahren aufgeteilt worden. An die Bodenschätze Australiens und des amerikanischen Kontinents war nicht heranzukommen. Aber in Afrika war das, worüber man am einen Tag sprach, am nächsten Tag schon verfügbar.

In Simbabwe traf sich Baros mit Andrew Groves, dem Sohn eines rhodesischen Polizisten, der jahrelang zusammen mit seinem Partner, einem englischen Ex-Kricketspieler namens Phil Edmonds, im afrikanischen Bergbaugeschäft tätig gewesen und dafür Geld von Investoren in London bekommen hatte. Ihr jüngstes Unternehmen nannte sich Central African Mining & Exploration, oder kurz Camec. Sie hatten auch einen simbabwischen Anteilseigner und Baros lernte auch diesen kennen – Billy Rautenbach. Rautenbach hatte einige seiner Bergbaukonzessionen im Kongo gegen einen Anteil an Camec getauscht. Cohen und Baros hatten bereits einen Teil der Millionen des Och-Ziff-Hedgefonds in Camec investiert. Nach Baros’ Simbabwe-Reise steckten sie noch mehr hinein, so dass sich die Gesamtsumme schließlich auf 150 Millionen Dollar belief. Sie wären vielleicht weniger begeistert über diese Investition gewesen, wenn sie gewusst hätten, wofür dieses Geld später verwendet wurde.

Billy Rautenbach fädelte gerade sein neuestes Manöver ein. Es begann damit, dass Mugabes Leute Druck auf das riesige Minenunternehmen Anglo American ausübten, sich von wertvollen Platinschürfrechten zu trennen, um seine Pflichten gegenüber der Politik der »Indigenisierung« zu erfüllen. Vordergründiges Ziel dieser Politik war, dem simbabwischen Durchschnittsbürger endlich einen Teil des Rohstoffreichtums zukommen zu lassen, den die Kolonisatoren dem Land jahrhundertelang geraubt hatten. Nachdem Anglo American nachgegeben hatte, stellte sich heraus, dass der simbabwische Durchschnittsbürger, der in den Genuss dieser Wiedergutmachung kommen würde, Billy Rautenbach war. Als Gegenleistung verpflichtete er sich dazu, der Mugabe-Regierung eine offiziell als Kredit deklarierte Summe von 100 Millionen Dollar zu Verfügung zu stellen. Allerdings kam Rautenbach nicht selbst für dieses Geld auf. Während die Simbabwer immer noch auf ihr Wahlergebnis warteten, kaufte Camec Rautenbach am 11. April die Platinmine ab und zahlte dem Regime die dafür erhaltenen 100 Millionen Dollar. Am 2. Mai verkündete die Wahlkommission, es werde eine Stichwahl geben. Nun hatten die Geldhaie ihr Geschäft und Mugabe hatte seine Kriegskasse.

In den folgenden Wochen führten Mugabes Schlägergarden »Operation Makavhoterapapi« (»Wem hast du deine Stimme gegeben?«) durch. Die Banden behaupteten, über Listen zu verfügen, die zeigten, wer Morgan Tsvangirai gewählt hatte, und trieben die Betreffenden zusammen, um sie zu bestrafen. »Du bist selbst schuld, weil du die Opposition gewählt hast«, erklärten die Mitglieder einer dieser Gangsterbanden einem Aktivisten, während sie ihn zusammenschlugen und seinen Bruder zu Tode prügelten. »Wir tun euch all das hier nur deswegen an. Wenn die Stichwahl kommt, wisst ihr, wie ihr abzustimmen habt.« Mehr als hundert Menschen starben. Tausende wurden eingesperrt und gefoltert. Fünf Tage vor der angekündigten Stichwahl verkündete Tsvangirai, er werde diese Veranstaltung, die er als »gewalttätige, illegitime Farce eines Wahlprozesses« bezeichnete, boykottieren. Am 29. Juni wurde Mugabe, umgeben von Truppen in Paradeuniformen und gelben Militärmützen, für eine weitere Amtszeit vereidigt. Aber die Empörung im Ausland und das Chaos in Simbabwe selbst waren so unübersehbar, dass Mugabe sich unter der Ägide seines südafrikanischen Amtskollegen Thabo Mbeki widerwillig an Friedensgesprächen mit der Opposition beteiligte. Sie dauerten fast drei Monate, aber Mitte September hatte Mugabe ein Abkommen erreicht, mit dem er weiter an der Macht blieb, obwohl Tsvangirai nun bis zur nächsten Wahl Ministerpräsident sein würde.

Billy Rautenbach hatte seinen Wert erneut unter Beweis gestellt. Jetzt galt es, aus dieser Investition Gewinn zu schlagen. London war dafür genau der richtige Ort: ein bureau de change zur Umwandlung von Macht in Geld. Zu seinem Glück waren dort gerade drei sehr reiche Männer eingetroffen, die ihren geschäftlichen Horizont erweitern wollten.

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