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7 Das Ende
ОглавлениеCheapside, September 2008
Am Mittwoch nach dem Wochenende, an dem Lehman Brothers pleiteging – dem ersten Mittwoch der neuen Zeitrechnung –, wurde Nigel Wilkins von seinem Chef entlassen. Das kam keineswegs überraschend und lag nicht daran, dass gerade alle Banken überall so viele Leute entließen, wie sie konnten. Nigel hatte seine Kündigung schon seit Juni kommen sehen, als er einen Brief von der Schweizer BSI-Zentrale erhielt, mit dem man ihm von der baldigen Schließung der Londoner Filiale in Kenntnis setzte. Das BSI-Management bot Nigel eine Abfindung von 30 000 Dollar an, was etwa einem Viertel seines Jahresgehalts entsprach und wesentlich mehr war, als sein Arbeitsvertrag vorsah. Aber da Nigel nun einmal Nigel war, hatte er nicht die Absicht, im Stillen zu gehen. Nachdem ihm klargeworden war, dass auch seine Kollegen etliche der von Senator Levin identifizierten Schliche zur Geheimhaltung von Geldbewegungen anwendeten, teilte er seinen Vorgesetzten in einer E-Mail mit, er habe »bei gewissen Schweizer Banken Compliance-Mängel« entdeckt. Daher sei er fürs Erste zu dem Schluss gekommen, »dass die BSI den fraglichen Behörden Auskunft geben sollte. Unter diesen Umständen sollte ich als der Kontrollbeamte die Möglichkeit haben, diesen Fragen nachzugehen, ohne unmittelbar von Entlassung bedroht zu sein.«
Nigel war überzeugt, dass die BSI-Chefs in Lugano die Filiale in London schließen wollten, weil sie die verstärkte Überprüfung der City fürchteten, die auf die Krise folgen würde. Er wusste, dass die BSI in London bereits eine inoffizielle Warnung der Financial Services Authority (FSA) erhalten hatte, weil sie die Herkunft des Geldes ihrer »Hochrisikokunden« nur höchst unzureichend überprüfte. Das war 2004 gewesen, noch bevor er seinen Posten bei der Bank antrat. Am 11. September schrieb er seinen Chefs erneut und legte ihnen nahe, ihn nicht zu entlassen, da er ja schließlich bei der FSA gearbeitet hatte, die »nach Northern Rock und der Kreditkrise zu einer strengeren Überwachung der Unternehmen verpflichtet ist«. Ohne Erfolg: In der Woche nach dem Lehmann-Desaster erhielt er einen Brief von seinem Chef, in dem dieser seine Kündigung bestätigte und ihm mitteilte, die BSI habe auch keinen anderen Posten für ihn. Er werde nur noch zwei Wochen bei der Bank arbeiten.
Aber Nigel gab noch immer nicht auf. Er erklärte, die meisten Londoner Kunden der Bank bedienten sich genau der Tricks – Schaffung von Scheinfirmen, Vermeidung belastender Unterlagen –, die während des UBS-Skandals ans Licht gekommen waren. Das sei eine ernste Sache. In einer Branche, in der im Fall von Fehlverhalten normalerweise das Unternehmen die Strafe übernahm, wanderten jetzt echte Menschen – reale Banker aus Fleisch und Blut – ins Gefängnis; es gebe gute Gründe für die Vermutung, dass Brad Birkenfeld nicht der Letzte sein würde. Die BSI-Banker in London nähmen immer noch die Anweisungen ihrer Kunden entgegen, obwohl ihre Konten offenbar schon vor Wochen an andere BSI-Filialen in Übersee transferiert worden seien. Nigels Vorgesetzte in der Schweiz entgegneten, er habe keine »vernünftigen Verdachtsgründe gegen irgendeinen unserer Kunden«. Dennoch weigerte er sich, die Sache fallenzulassen, selbst nachdem er sein Büro endgültig geräumt hatte und zum letzten Mal durch die Cheapside von der Arbeit nach Hause gegangen war. »Durch meine abrupte Entlassung am Dienstag wurde ich an der Fertigstellung meiner Liste von Kunden, gegen die meines Erachtens Verdachtsmomente bestehen, und an der Einreichung des dadurch notwendigen Berichts bei den Behörden gehindert«, schrieb er in einer E-Mail. »Die Tatsache, dass außer mir bei der BSI niemand meinen Verdacht teilt, ist irrelevant.«
Vermutlich hatte niemand darauf geachtet, aber wenn jemand es getan hätte, hätte er vielleicht die schelmischen Fältchen in Nigels Augenwinkeln entdeckt, als er seinen Arbeitsplatz verließ.